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08:34 Uhr, 30.01.2024

Sachverständigenrat: Schuldenbremse pragmatisch anpassen

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) hat vorgeschlagen, die Schuldenbremse an drei Stellen "pragmatisch" anzupassen. "Die von uns vorgeschlagene Anpassung der Schuldenbremse erhöht die Flexibilität der Fiskalpolitik. Sie ermöglicht, zukunftsgerichtete öffentliche Ausgaben zu tätigen und den Übergang nach einer Notlage zu regeln, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auszuhöhlen", erläuterte die SVR-Vorsitzende Monika Schnitzer.

Der einstimmig gefasste Vorschlag der fünf Wirtschaftsweisen sieht nach deren Angaben erstens vor, eine Übergangsphase für die Jahre unmittelbar nach der Anwendung der Ausnahmeklausel der Schuldenbremse einzuführen. In dieser Übergangsphase dürfte das zulässige strukturelle Defizit über der normalen Regelgrenze liegen, müsse jedoch Jahr für Jahr zurückgeführt werden. Zweitens sollte die Regelgrenze für das jährliche strukturelle Defizit in Abhängigkeit von der Schuldenstandsquote gestaffelt und bei niedrigen Schuldenstandsquoten erhöht werden. Drittens sollte die Konjunkturbereinigung methodisch verbessert werden, um sie weniger revisionsanfällig zu machen und so eine konjunkturgerechtere Finanzpolitik zu ermöglichen.

Ökonomische Krisen könnten in den Folgejahren nach einer akuten Notlage noch erhebliche Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft haben, betonte der SVR zur Begründung. "Eine sofortige Konsolidierung des Staatshaushalts, um in diesen Jahren die Schuldenbremse wieder einzuhalten, könnte zu unnötig starken negativen Impulsen für eine noch schwächelnde Wirtschaft führen", warnten die Ökonomen. Daher sollte die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse um die Übergangsregelung ergänzt werden. "Eine Übergangsregelung würde für zusätzliche fiskalische Spielräume zur Krisenbewältigung sorgen und gleichzeitig verhindern, dass ständig diskutiert wird, Notlagen auszurufen", erklärte SVR-Mitglied Ulrike Malmendier.

   Schuldenbremse ist starrer als nötig 

Der Sachverständigenrat hat den Angaben zufolge simuliert, wie sich die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote langfristig verändert, wenn die bestehenden Regeln eingehalten werden. Dabei zeige sich, dass die Staatsverschuldung stetig und deutlich sinke, selbst wenn in jedem Jahr die mögliche Nettokreditaufnahme voll ausgeschöpft werde und zusätzlich regelmäßig Krisen mit höherer Kreditaufnahme aufträten. "Unsere Analyse zeigt, dass die Schuldenbremse starrer ist, als sie sein müsste. Die Defizitgrenzen könnten daher bei niedrigen Schuldenstandsquoten erhöht werden", sagte SVR-Mitglied Achim Truger.

Bei einer Schuldenstandsquote unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollte daher die Grenze für das strukturelle Defizit bei 1 Prozent des BIP liegen. Zwischen 60 Prozent und 90 Prozent sollte ein Defizit von 0,5 Prozent des BIP zulässig sein. Ab 90 Prozent Staatsverschuldung sollten nur noch die bisherigen 0,35 Prozent für das strukturelle Defizit erlaubt sein. "Defizitgrenzen, die bei niedrigen Schuldenstandsquoten eine höhere Kreditaufnahme erlauben als bisher, erweitern die fiskalischen Spielräume moderat, ohne die Tragfähigkeit zu gefährden", sagte SVR-Mitglied Veronika Grimm.

Die Konjunkturbereinigung sollte nach dem Vorschlag der Wirtschaftsweisen zudem so reformiert werden, dass der jeweilige konjunkturelle Bedarf besser abgebildet wird und Revisionen geringer ausfallen. "Eine Anpassung der Konjunkturbereinigung sollte den Verschuldungsspielraum nicht strukturell ausweiten, sondern zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung den konjunkturell notwendigen Finanzbedarf besser abbilden", erläuterte SVR-Mitglied Martin Werding.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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