RWI: Für bedinungsloses Grundeinkommen müssten Steuern erhöht werden
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BERLIN (Dow Jones) - Mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) in existenzsicherndem Umfang würden die staatlichen Transferzahlungen steigen. Um es zu finanzieren, wären allerdings deutliche Steuererhöhungen notwendig, so das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und die Universität Stuttgart in einer Studie. Die Einführung eines haushaltstyp- und wohnortabhängigen Grundeinkommens würde demnach zu einem erheblichen Rückgang der Arbeitsstunden führen, der je nach Gestaltung der zur Gegenfinanzierung notwendigen Einkommensteuerreform bis zu etwa 30 Prozent liegen würde. Die Umverteilungswirkung des BGE hänge davon ab, wie die damit einhergehende Steuerreform gegenfinanziert werde.
"Die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens bei gleichzeitigem Wegfall von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld I und II - beziehungsweise des Bürgergelds -, Sozialgeld, der Grundsicherung im Alter und dem Kindergeld würde das deutsche Sozialsystem stark vereinfachen. Diese grundlegende Reform des Sozialstaats könnte prinzipiell den bürokratischen Aufwand der Grundsicherung erheblich reduzieren", erklärte das RWI. Um die Reformen zu finanzieren, wären indes deutliche Steuererhöhungen notwendig. Zudem würden Bezieher des BGE ihre Arbeitszeit reduzieren - und die Finanzierung der Reform damit zusätzlich erschweren.
Im Unterschied zum "klassischen" Bedingungslosen Grundeinkommen wäre laut der Studie ein haushaltstyp- und wohnortabhängiges Grundeinkommen auch bei Berücksichtigung von Arbeitsangebotsreaktionen finanzierbar, beispielsweise durch eine Flat Tax. Die Arbeitsstunden würden in diesem Fall um etwa 20 Prozent sinken. Diese Schätzung sei indes mit hoher Unsicherheit behaftet und ignoriere andere Ausweichreaktionen als Anpassungen der Arbeitsstunden. Im Vergleich zum Status quo bewirke eine gleichzeitige Reform des Steuer- und Transfersystems mit einer Flat Tax eine starke Umverteilung zur unteren Hälfte der Einkommensverteilung.
"Die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in existenzsichernder Höhe würde den Anreiz zu arbeiten deutlich verschlechtern. Wegen des Rückgangs der Arbeitsstunden ist es selbst durch starke Steuererhöhungen nicht finanzierbar", sagte der Autor der Studie, RWI-Ökonom Robin Jessen. "Ein Grundeinkommen, das von der Haushaltszusammensetzung und der Miethöhe abhängt, wäre theoretisch finanzierbar. Es wäre aber sehr teuer und nur über starke Steuererhöhungen finanzierbar." Der Anreiz zu arbeiten würde aber auch hier deutlich sinken und der Arbeitskräftemangel erheblich verschärft. "Im internationalen Wettbewerb würde Deutschland weiter zurückfallen und Wohlstand einbüßen", warnte Jessen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/kla
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