Kommentar
18:00 Uhr, 29.03.2007

Rumänien: Börse bietet nur noch selektive Anlagechancen (Teil II)

Bis auf das Leistungsbilanzdefizit stimmen die wirtschaftlichen Rahmendaten

Abgesehen von diesen noch bestehenden Reformdefiziten darf aber auch nicht vergessen werden, dass sich die rumänische Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich nach vorne entwickelt hat. So ist es unter anderem gelungen, den Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt von 14 Prozent im Jahr 1998 auf sieben Prozent Ende September 2006 zu senken. Wir haben darüber bereits in den letzten Ausgaben des Ostbörsen-Reports (Kostenlose Anmeldung unter www.ostboersen-report.de) geschrieben. Zugelegt hat dagegen der Sektor, der mittlerweile einen Anteil von fast 50 Prozent an der Wertschöpfung hat. Das Wirtschaftswachstum belief sich im Vorjahr auf beachtliche 7,7 Prozent. Damit erzielte Rumänien den höchsten Wert in der ganzen Region und die Volkswirte gehen in ihren Prognosen auch für die kommenden Jahre von Zuwachsraten in einer fast ähnlichen Größenordnung aus. Sehr gut ablesen lassen sich die erzielten Fortschritte zudem an der Entwicklung der Inflation. Diese ist ausgehend von einem hohen Wert von 55 Prozent im Jahr 2000 bis zum Vorjahr auf 4,8 Prozent zurückgedrängt worden. Und für dieses Jahr hat die Notenbank ein Inflationsziel von vier Prozent (plus/minus ein Prozent) vorgegeben.

Ein wichtiger Aspekt, den dieser Disinflationsprozess mit sich bringt, sind die ebenfalls gesunkenen Leitzinsen. Erst kürzlich hat die Notenbank den Zinssatz um Basispunkte auf acht Prozent nach unten geschleust. Die Euro-Einführung ist aber dennoch bis auf weiteres kein Thema. Aktuell wird als Termin das Jahr 2014 als möglicher Zeitpunkt ins Auge gefasst. Sorgen mit Blick auf die Erfüllung der Maastricht-Kriterien bereitet vor allem noch immer das zu hohe Leistungsbilanzdefizit. Im Vorjahr belief sich das Minus gemessen am Bruttoinlandsprodukt auf 10,3 Prozent. Noch ist dies kein wirklich ernsthaftes Problem, wurden 2006 doch 91 Prozent des Defizits durch die ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von 9,1 Mrd. Dollar gedeckt. Aber langfristig darf das Defizit natürlich nicht so hoch bleiben.

Steuerlich betrachtet gestalten sich die Rahmenbedingungen mit einer Flat Tax von 16 Prozent sowohl für Unternehmen als auch natürliche Personen einladend. Und auch die niedrigen Nettolöhne von im Schnitt 265 Euro sind bei gleichzeitig guter Qualifikation der Mitarbeiter natürlich ein Argument für Investoren. Nicht zuletzt deswegen kann bis auf weiteres mit einem anhaltenden Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen gerechnet werden. Ein echter Pluspunkt sind auch die Subventionen, die von der EU nach Rumänien fließen werden. Die daraus resultierenden Mittel werden für die Jahre 2007 bis 2013 auf mehr als 25 Mrd. Euro taxiert. Gemessen an der Größe der Volkswirtschaft handelt es sich dabei um eine stattliche Summe, mit der sich einiges bewirken lässt. Das insgesamt vorhandene Aufholpotenzial lässt sich am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ablesen. Dieses entsprach im Jahr 2006 in Rumänien mit 4.489 Euro fast nur einem Zehntel des Niveaus einiger EU-Länder und zeigt an, dass der Aufholprozess bis zur Schließung dieser Kluft noch lange dauern wird. Und als Investor lässt sich an diesem Prozess in der Regel sehr gut mit verdienen.

Wissenswertes über die Börse

Die rumänische Börse wurde erst 1995 gegründet. Angesichts dieser nur kurzen Historie ist klar, dass es noch keine echte Investmentkultur geben kann. Einen Mangel an Anlagealternativen gibt es aber nicht. Zumindest rein theoretisch, wurden doch im Zuge der Privatisierungen viele Aktiengesellschaften an die Börse gebracht. Insgesamt sind an der Bucharest Stock Exchance (BSE) 58 Unternehmen gelistet und an der Rasdaq 2.380 Gesellschaften. Viele davon werden aber nicht oder praktisch nicht gehandelt, erfüllen nicht alle Mindestanforderungen für ein Listing, und sind deswegen vom Handel suspendiert, oder haben aus sonstigen Gründen nicht viel am Hut mit der Börse. Wie klein die meisten Unternehmen sind, zeigt sich auch an der Marktkapitalisierung. Nur elf Unternehmen kommen beim Börsenwert auf eine Zahl von mehr als 500 Mio. Dollar. Insgesamt beläuft sich der Börsenwert aller gelisteten Unternehmen auf rund 37,5 Mrd. Dollar. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt entspricht dies einem prozentualen Anteil von unter 30 Prozent. Auch das ist relativ wenig. So beträgt diese Relation etwa in Schweden 150 Prozent. Börsentäglich werden inzwischen Aktien im Wert von mehr als 15 Mio. Dollar gehandelt, wobei der Löwenanteil an der BSE umgesetzt wird. Die Unterscheidung zwischen BSE (Standardwerte) und Rasdaq (Nebenwerte) ist heutzutage im Grunde genommen nur noch technischer Natur, haben die beiden zunächst eigenständigen Börsen inzwischen doch fusioniert.

Trotz des mehrjährigen Bullenmarktes, den die Börse erlebt hat, hat sich das Geschäft mit Neuemissionen bisher nicht entscheidend belebt. Insgesamt gab es in den vergangenen fünf Jahren nur eine Handvoll an Börsengängen. Im Vorjahr hat aber immerhin das IPO von Transelectrica (der Staat verkaufte da zehn Prozent seiner Anteile) dem Markt einen zusätzlichen Pusch gegeben. Denn seit der Emission hat der Titel um mehr als 200 Prozent zugelegt. Diese fulminante Kurssteigerung wird dabei übrigens auch von einer positiven fundamentalen Geschäftsentwicklung begleitet. So kletterten die Umsätze im Vorjahr um 44 Prozent und der Nettogewinn um 240 Prozent. Aber auch dieser erfolgreiche Börsengang wird vermutlich nicht bewirken, dass sich das Emissionsgeschäft in diesem Jahr entscheidend belebt. Unter den potenziellen Kandidaten, zu denen auch die Strom- und Gasverteiler zählen, werden 2007 aber vermutlich nur Transgaz und eventuell der Romanian Property Fund den Weg an die Börse finden (die Raiffeisenbank ist hier in beiden Fällen der Konsortialführer). Diese beiden potenziellen Neuemissionen sind aber jeweils sehr interessant, sofern der Ausgabepreis stimmt. Der Romanian Property Fund dürfte auf ein Volumen von vier Mrd. Euro kommen und das die Beteiligungsgesellschaft viele interessante Assets hat und auch der Free-float relativ hoch sein wird, kann mit großer Nachfrage gerechnet werden. Bei Romgaz dürfte das nicht anders sein. Nachdem der Börsengang von Transelectrica sehr erfolgreich war und sich beide Unternehmen in einem vergleichbaren Geschäftsumfeld bewegen, spricht das auch für eine erfolgreiche Emission von Transgaz, weil sich das Unternehmen in einem vergleichbaren Geschäftsumfeld bewegt.

Zu den Sektoren, die vom voraussichtlich anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung besonders profitieren werden, zählen neben dem Handel der Bereich Bau und Infrastruktur sowie Banken und Finanzdienstleister. Um diese Prognose zu wagen muss man kein Prophet sein. Schließlich wären diese Branche auch in anderen Länder in einem vergleichbaren Stadium ebenfalls mit am erfolgreichsten. Außerdem spricht dafür die noch immer relativ geringe Penetration mit Bankprodukten und die Tatsache, dass es gerade einmal zwei Autobahnen in Rumänien gibt, was zeigt, wie viel Nachholbedarf es auch in dieser Hinsicht noch gibt.

Teil 3 dieser Analyse erscheint in zwei Tagen um 18 Uhr.

Quelle des Artikels: www.ostboersen-report.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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