Kommentar
14:44 Uhr, 02.11.2004

Rückläufiger Ölpreis gibt US-Märkten Auftrieb

Kursgewinne gab es in der letzten Woche an sämtlichen US-Aktienmärkten zu vermelden, lediglich die Energiebranche musste herbe Verluste einstecken. Der Einbruch beim Ölpreis als Folge der unerwartet nach oben korrigierten US-Ölvorräte hatte die Zuversicht der Marktteilnehmer steigen lassen. Hauptgewinner dieser Entwicklung waren Gesundheits- und Finanzwerte. Letztere profitierten von Spekulationen, die Untersuchungen Eliot Spitzers in der Versicherungsbranche könnten schneller als erwartet zum Abschluss gebracht werden. Dem war der Rücktritt des Marsh & McLennan-Vorstandschefs am Dienstag vorausgegangen. Die Zinserhöhung in China sowie die schlechter als erwarteten BIP-Zahlen zum dritten Quartal wurden von den Anlegern weitgehend ignoriert, die ihr Augenmerk stattdessen auf die starken Zahlen des Einkaufsmanagerindexes aus Chicago und den fallenden Ölpreis richteten. Nun warten die Anleger mit Spannung auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen in der laufenden Woche, der einen Teil der Unsicherheiten von den Märkten nehmen dürfte.

Die dritte Woche in Folge schlossen die japanischen Aktienmärkte im Minus, denn von der drastischen Verkaufswelle am Montag als Reaktion auf die Entwicklung an den US-Märkten am vorangegangenen Freitag konnten sie sich im Wochenverlauf nicht mehr vollständig erholen. Befürchtungen, die Zinserhöhung in China könnte den japanischen Export belasten, sowie die Auswirkungen des Erdbebens bremsten den Anstieg nach dem Fall des Ölpreises. Gleichzeitig schwächte sich die Industrieproduktion stärker ab als vom Konsens erwartet und die Bank von Japan prognostizierte einen Preisauftrieb von 0,1%. Bevor die Notenbank jedoch von ihrer Nullzinspolitik abrückt, ist eine längere Phase des Preisauftriebs vonnöten.

Die europäischen Aktienmärkte legten deutlich zu, angeführt von den Versicherern Allianz und ING. Als hilfreich erwies sich für sie die Einschätzung, dass die Untersuchungen von Eliot Spitzer keine Spuren bei den Gewinnen in der Versicherungsbranche hinterlassen werden. Dass der Ölpreis nachgab, kam Fluggesellschaften zugute und Lufthansa sowie Ryanair schlossen im Plus. In Deutschland fiel die Ifo-Umfrage zum Geschäftsklima besser aus als erwartet, gleichzeitig aber dürfte die über den Erwartungen liegende Inflation der Europäischen Zentralbank Grund zur Sorge geben. In Großbritannien verbesserte sich der FTSE 100 um 0,2%. Nachdem China seinen Leitzins angehoben hatte, rutschten Rohstoffunternehmen wie Xstrata ins Minus.

Uneinheitlich schlossen die Leitindizes an den asiatisch-pazifischen Märkten. So wurden die Auswirkungen des rückläufigen Ölpreises durch das Drehen an der Zinsschraube in China kompensiert, was die Märkte die dritte Woche in Folge auf Talfahrt schickte und Ängste schürte, die Rohstoffnachfrage könnte sich abschwächen.

In Lateinamerika machte der argentinische Merval-Index einen Sprung um 6,7% nach oben, beflügelt durch die Aussicht, dass die Regierung in Bälde Einigung mit ihren Gläubigern zur Umschuldung notleidender Kredite erzielen wird. An den europäischen Emerging Markets stieg der RTS-Index, nachdem der Yukos-Kurs um 26% nach oben geschossen war. Auslöser waren Berichte über den Verkauf der wichtigsten Ölfördertochter, der 17 Mrd. US-Dollar in die Kassen des Unternehmens spülen soll, deutlich mehr, als von Analysten erwartet.

An den Staatsanleihemärkten markierten die Renditen zehnjähriger US-Treasuries am Montag bei 3,93% einen Tiefpunkt, bevor sie sich zur Wochenmitte angesichts des unerwarteten Anstiegs der US-Ölvorräte wieder erholen konnten. Chinas Zinserhöhung sorgte für eine Fortsetzung der Verkaufswelle, schwächer als erwartete BIP-Zahlen in den USA und der massive Ausstieg aus Short-Positionen bremsten den Renditeanstieg jedoch ab.

An den Devisenmärkten gab der US-Dollar weiter gegenüber dem Euro nach. Hieran änderten auch die Äußerungen von Kanzler Schröder nichts, der negative Auswirkungen des steigenden Euro auf die Volkswirtschaften der Eurozone befürchtet. Gegenüber dem Yen schwächte sich der US-Dollar auf den niedrigsten Stand seit sechs Monaten ab, nachdem sich die Anzeichen mehren, dass Japans Wirtschaft auf dem besten Weg ist, die seit acht Jahren andauernde Deflation zu überwinden. Das gab der Währung deutlichen Schub.

Einen drastischen Preiseinbruch beim Öl vermeldeten die Rohstoffmärkte, nachdem die USA ihre Ölvorräte völlig überraschend um 1,4% nach oben korrigierten. Im Wochenverlauf verbilligte sich die Rohölsorte Brent um 7,3%. Beim Kupferpreis kehrte sich die Verkaufswelle nach der Zinserhöhung in China um, nachdem bekannt wurde, dass die Vorräte an der Londoner Metallbörse (LME) auf ein 14-Jahres-Tief gefallen sind.

Rennen um das Weiße Haus im Zentrum des Interesses

Diese Woche entscheiden die US-Wähler, wer 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Aus den meisten Umfragen geht ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Bush und seinem Herausforderer Kerry hervor, einige Umfragen sehen jedoch Bush bedingt durch statistische Fehler in den Umfragen vorn. Der lange Wahlkampf hat die Unsicherheit an den Märkten geschürt und ein rasches Wahlergebnis wird für Sicherheit sorgen und verhindern, dass Unsummen für Anwaltshonorare verschwendet werden, sollte es zu einer Neuauflage der Hängepartie aus dem Jahr 2000 kommen. Überdies wird die Zusammensetzung des Kongresses von zentraler Bedeutung für anstehende Gesetzesinitiativen sein, denn radikale Maßnahmen (Bush tritt zur zweiten Amtszeit an) oder Richtungsänderungen (Kerry dürfte einen Teil der Maßnahmen der Bush-Regierung zurücknehmen) müssen vom Kongress abgesegnet werden.

China dreht überraschend an der Zinsschraube

Völlig überrumpelt wurden die Märkte von der jüngsten Zinserhöhung in China verbunden mit größerer Flexibilität der Banken bei der Festsetzung ihrer Kreditkonditionen. Offenbar haben die Maßnahmen der Regierung das Wachstum der Geldmenge M2 deutlich gebremst und auch die BIP- und Inflationszahlen zeigen Anzeichen einer Abschwächung. Allerdings wäre es wohl falsch, jetzt mit einer Reihe aggressiver Zinserhöhungen durch die chinesische Zentralbank zu rechnen, die mit der letzten den Panikschalter betätigt hatte. Sie ist als klare Botschaft an die Kapitalmärkte zu verstehen, dass die Regierung entschlossen ist, das Wachstumstempo zu drosseln. Da die Botschaft offenbar angekommen ist, gibt es keinen Grund, warum die Notenbank in Kürze erneut die Zinsschraube anziehen sollte.

Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)

Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt rund 500 Mrd. US-Dollar (per 31. Dezember 2003). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.

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