Rückkehr einer Totgeglaubten
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Es ist bitter. Erst die Subprime-Krise, dann die US-Rezessionsdebatte. Und nun als Krönung der Serie schlechter Nachrichten: Die Stagflation.
Der Begriff verstaubte so lange in der Rumpelkammer der Geschichte, dass man ihn wieder definieren muss. Es handelt sich hierbei um das gleichzeitige Auftreten von Stagnation und Inflation. Dieser Begriff hatte in den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Hochkonjunktur. Damals wie heute trug zur hohen Inflation der starke Ölpreisanstieg bei – damals jedoch als Reaktion auf eine künstliche Angebotsbeschränkung. Die heutige Ölpreis-Hausse ist dagegen Ergebnis eines dramatischen Nachfrageanstiegs. Anders als damals kommt heute jedoch der strukturell bedingte Anstieg vieler Nahrungsmittelpreise dazu, teilweise verstärkt durch die energetische Nutzung einer Reihe von agrarischen Rohstoffen.
Die Zahlen beeindrucken schon: Die Eurozone hat einen Anstieg der Verbraucherpreise von über 3% und damit weit über der Zielmarke der EZB von knapp 2%. In den USA liegt die Inflationsrate bei über 4%. Und in China ist die Inflation mit jetzt weit über 8% völlig aus dem Ruder gelaufen. Auch in vielen Rohstoffländern flirtet die Inflation mit zweistelligen Raten.
Während die Rückkehr der Inflation ein Faktum ist, sträubt sich in Europa – und in Deutschland allemal – noch das Gefieder, wenn man von Stagnation spricht. Ist da nicht zuletzt von den Daten noch zusätzliche Evidenz dafür gekommen, dass Exporte, Unternehmensumsätze und Produktion munter weiter zunehmen. Ja, das ist der Fall. Aber ebenso offenkundig ist, dass überall um uns herum die ökonomische Aktivität bröckelt. England, Spanien und insbesondere Italien schwächeln. Dass die USA nunmehr von den meisten Auguren und den Wirtschaftsführern bereits in der Rezession gesehen werden, ist nicht zu leugnen. Nur die Schwellen- und die Entwicklungsländer sind wirtschaftlich zumeist noch in gutem Schwung.
So wie die Dinge liegen, wird die Abwärtsbewegung in den USA sich von Immobilienmarkt über den Bau- und Finanzmarkt demnächst auf die Verbraucherausgaben und auf den Arbeitsmarkt ausdehnen. Europa wird bald sowohl von der Schwäche der US-Wirtschaft als auch von der extremen US-Dollarschwäche – anders als die deutschen Politiker und Unternehmer glauben – betroffen sein und 2009 darunter sehr schmerzhaft leiden. Der Export insgesamt dürfte nicht mehr zunehmen, auch wenn wir weiter in Spezialbereichen und bei Lieferungen in Rohstoffländer mit Zuwächsen rechnen können. Also doch Stagflation – wenn auch erst etwas später? Ja, das Risiko besteht. Aber ganz ausgeschlossen ist auch nicht, dass die Schwäche der Konjunktur in den reichen Ländern zu Problemen bei der Überwälzung erhöhter Inputpreise führt. Das heißt freilich im Umkehrschluss auch, dass die Gewinnmargen schrumpfen. Das ist was ich für die wahrscheinlichste Entwicklung halte. Ich erwarte, dass bald einige Bestellungen bei deutschen Firmen storniert werden, oder die Lieferung der Exporte für einen späteren Zeitpunkt vereinbart wird. Und einiges spricht dafür, dass die höheren Lohnsteigerungen zulasten der Gewinne sowie der Beschäftigungsperspektiven gehen. Oder beobachten Sie nicht, dass es noch nie so freundliche Auto- und Möbelverkäufer gab wie derzeit, mit Rabattangeboten, denen sich selbst der notorischste Schotte nur sehr schwer entziehen kann. Stagflation, ein Schrecken: ja, ein lang anhaltendes Phänomen über diesen Sommer hinaus wohl nein.
Autor: Prof. Dr. Norbert Walter
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