Nachricht
07:00 Uhr, 07.09.2005

Rohstoff-Report: Aktienanalyse Ölgesellschaft Total S.A.

Total S.A., Frankreich, (WKN 850727) ist die viergrößte Öl- und Gasgesellschaft der Welt. Es ist noch gar nicht so lange her, als Total für weltweites Aufsehen sorgte. Sie übernahm im Jahr 2000 die deutlich größere Elf, die auf allen Gebieten Total abgehängt hatte. Das hat jedoch beiden Gesellschaften gut getan. Zunächst konnten erhebliche Gewinnsteigerungen durch Kosteneinsparungen erzielt werden, inzwischen kamen Preis- und Margensteigerungen bei allen Produkten hinzu. Die Gesellschaft erzielt einen Gewinn von Euro 9 Mrd., und man hat den Eindruck, als wisse sie nicht, was sie mit dem vielen Geld tun soll. Sie kauft Aktien zurück, investiert aber nur hier und da kleinere Beträge. Darüber hinaus verfügt sie über eine 20%ige Beteiligung an Sanofi Aventis, deren Gegenwert allein ausreichen würde, um so manche Ölgesellschaft zu übernehmen. Unterschätzt wird auch das Potential der Tiefseebohrungen vor der Westküste Afrikas, im Golf von Mexiko und in Australien. Hier war Elf und ist heute Total Marktleader. Außerdem versucht man offensichtlich an preisgünstige Gelegenheiten zu kommen, die aber immer seltener werden. Große Hoffungen hatte man auf die russische Novatek gesetzt, die mit 1,5 Billionen Kubikmetern Reserven an Erdgas zwar nur ein Zehntel der Gazprom ausmacht, aber immer noch zu den größten Erdgasgesellschaften der Welt gehört. Total hatte sich mit Novatek geeinigt, 25% des Kapitals der Gesellschaft für Euro 850 Mio. zu übernehmen, um dann mit ihr zusammen die Gasreserven zu haben. Das hätte bei Total einem Wachstum der Exploration um 3 – 4% entsprochen. Es sollte wohl nicht sein, denn Novatek ist inzwischen geldgieriger geworden. Sie teilte Total mit, dass diese Beteiligung wohl geringer als 25% ausfallen werde und dass man einen höheren Preis als ursprünglich vereinbart durchsetzen wolle. Dieser sei am Aktienmarkt auch leicht zu erzielen. Total hat sich deshalb zurückgezogen, hat aber auch eine wesentliche Wachstumschance verloren, auf die sie fest gesetzt hatte. Obwohl man der Total-Aktie kaum etwas ansah, wurde sie zumindest relativ zu den Aktien anderer Ölgesellschaften abgestraft. Sie handelt heute mit einem vergleichsweise 20%igen Abschlag gegenüber den Aktien der Konkurrenten, während dieser vor kurzem noch bei ungefähr 10% lag.

Nun kann man sich fragen, warum Total trotzdem nicht die Ruhe verliert, denn Mittel sind ja genug da, um auch etwas höhere Preise zu zahlen. Noch wichtiger erscheint uns, dass Total vielleicht über das fähigste Management aller Ölgesellschaften verfügt, das schon mehrfach bewiesen hat, dass es vor nichts zurückschreckt, wenn sich der geeignete Deal bietet. Total unterhält exzellente Beziehungen zu den meisten Förderländern. Sie sind ihnen sympathischer als Amerikaner, Briten und Holländer. Man ist ja auch überall im Gespräch oder sogar schon lange tätig. Aber warum sollte man in Russland unter Regierungs- und Steuerdruck geraten oder im Irak bei unsicheren Zeiten dabei sein? Auch Westafrika ist das natürliche Einzugsgebiet der Franzosen. Aber verlangen die Regierungen dieser Länder in euphorischer Überschätzung ihrer Position nicht viel zu viel? Zurückhaltung könnte sich also bezahlt machen, wenn man in der Zwischenzeit kleinere Objekte angeht, die noch bezahlbar sind. Und genau das tut Total. So hat sie sich mit geringen Investitionen an den die Exploration von Gasfeldern, die bisher ein Schattendasein führten, den Aufbau von Pipelines und schließlich auch an die Energieversorgung gemacht, ein Gebiet, das inzwischen auch von den anderen Konkurrenten als interessant entdeckt wurde. Auch die Investition in kanadischen Ölsand, die zunächst noch günstig war, ist dabei. In Venezuela, dem Feind der Amerikaner, hält Total inzwischen die führende Position und auch in Japan, das großen Bedarf an Ergas hat, weil es einen Atomausstieg plant, spielt Total mehr und mehr eine entscheidende Rolle. Nicht unterschätzen sollte man die guten Beziehungen zu China. Wenn Total auch vorsichtig sein wird, weil es massive Interessen in den USA zu verteidigen hat, so ist sie doch sehr viel freier als amerikanische Konkurrenten, Kooperationen mit chinesischen Firmen einzugehen.

Wo steht Total heute?

1.„Upstream“: In der Exploration hat Total eine ganze Reihe von Öl- und Gasfeldern von der Elf geerbt, die die ein Wachstum von ungefähr 4% bis in das Jahr 2012 sichern. Der Abbau dieser Felder ist im Vergleich zu Neuengagements, auf die große Konkurrenten von Total angewiesen sind, extrem kostengünstig, weil sie noch in einer Niedrigpreisperiode erworben wurde. Besondere Kenntnisse hat dabei Total, auch von Elf übernommen, in der Tiefseeexploration, die im Kongo, in Nigeria, Marokko und Großbritannien vorgenommen werden. Außerdem werden bereits erfolgreiche Tiefseebohrungen in Malaysia, Indonesien, Mexiko, Alaska und Mauretanien vorgenommen. Total kauft hier und dort Flächen hinzu, um die Felder abzurunden, kann aber ansonsten ohne Zukäufe organisch wachsen. Stark ist Total auch im Abbau von Ölsand in Kanada. Wir können uns deshalb nicht vorstellen, dass sich Total wegen mangelnder Reserven zu einem plötzlichen und teuren Deal gezwungen sieht.

2.„Midstream“: Hier hat sich Total in den vergangenen Jahren relativ stark engagiert. Sie hat vernachlässigte Gasfelder gekauft und aufgerüstet, Pipelines zu den Abnehmern verlegt und damit zu niedrigen Kosten äußerst interessante Investitionen getätigt. Inzwischen sind ihre Konkurrenten diesem Trend, allerdings nicht mehr zu denselben günstigen Bedingungen, gefolgt. Total war mit dieser Strategie in Indien, Mexiko, Frankreich, den USA und inzwischen auch in Großbritannien erfolgreich.

3.„Downstream“: Total hat auch hier von Elf eine der wenigen Raffinerien, die weniger als 10 Jahre alt ist, geerbt. Sie verfügt im Übrigen über moderne Kapazitäten. Weiter modernisiert und ausgebaut wurden die Tankstellennetze. In Korea hat Total ein großes Chemiewerk gekauft, eine Erwerbung, die zunächst sehr kritisiert wurde, sich aber wegen des hohen chinesischen Bedarfs als sehr erfolgreich erwies.

Die mangelnde Investitionsbereitschaft in neue Felder und Raffinerien gilt also auch für Total. Man sieht einfach genug Möglichkeiten für internes Wachstum und würde wahrscheinlich erst dann nachziehen, wenn einer der großen Konkurrenten den ersten Schritt macht. Mittel hätte Total mehr als genug. Neben dem jährlichen Cash Flow von 9-10 Mrd. Euro hält Total die Beteiligung an Sanofi Aventis, die ebenfalls mindesten 10 Mrd. Euro wert sein sollte. Investitionsmöglichkeiten gibt es in Russland. Aber wer will schon Überpreise bezahlen, um dann später noch durch Steuererhöhungen abkassiert zu werden? Nach der Meldung von Shell, dass man sich hinsichtlich der Investitionskosten verschätzt habe, ist die Branche gewarnt. Ganz offensichtlich würde für Total und BP ein Zusammengehen Sinn machen. Aber wer würde dann regieren? Ein Franzose oder ein Engländer? Heute verdienen alle Ölgesellschaften zu gut, um sich in Abhängigkeiten begeben zu wollen.

Zusammenfassung

Total ist sicher eine Gesellschaft, in die zu investieren wenig Risiko bedeutet. Allerdings sind die Aktienkurse bereits gewaltig gestiegen, die Analysten der Banken werden nicht müde, ihre Kursziele permanent zu erhöhen. Im vergangenen Jahr hielt man noch einen Kurs von Euro 160 für optimal. Inzwischen werden Kursziele von Euro 230 genannt. Dies setzt natürlich voraus, dass der Ölpreis weiter steigt (siehe unser Leitthema in dieser Ausgabe). Sicher ist, dass die großen Ölfirmen über unermessliche Barmittel verfügen und dass es irgendwann zu Übernahmeschlachten kommen wird. Wer übrig bleibt, kann heute nicht gesagt werden. Die Aktienkurse werden dann aber sicher noch einmal steigen.

(Quelle: http://www.rohstoff-report.de)

Diese Analyse stammt aus dem Rohstoff-Report Ausgabe 29 vom 29. Juli 2005. Abonnement ist über den Link http://www.boerse-go.de/rohstoffe kostenlos möglich.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten