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13:24 Uhr, 08.05.2001

Rezessionsboten auf dem Vormarsch

Anbei ein Remake unserer Kollumne vom 09.02.2001.

Die Aussage der Kollumne ist nach wie vor aktuell.

Wall Street: Stehen die Ampeln auf Rot-Gelb?

Achtung. © GodmodeTrader/BörseGo GmbH 2001

Rezessionsboten auf dem Vormarsch

Zum ersten Mal seit fast zehn Jahren ist der US-Einkaufsmanager-Index ("National Association of Purchase Managers" Index), einer der wichtigsten Frühindikatoren für die Einschätzung der US-Konjunktur, im Januar unter die magische Marke von 42,4 Punkten gefallen. Historisch betrachtet, korreliert ein NAPM-Index unter 42,4 mit einer Rezession. Mit 41,2 Punkten und somit mehr als 2 Punkten unter den Konsensschätzungen der Analysten liegt dieser Sentimentindikator jetzt in unmittelbarer Nähe zum Niveau der Rezession von 1990/1991 (39,2). Diese 41,2 Punkte kündigen aller Erfahrung nach einen Rückgang des Bruttoinlandproduktes (BIP) und den Beginn einer Rezession an.

Der NAPM-Index legte mit rund drei Punkten einen weiteren Rückgang gegenüber dem Dezember ein. Das war der elfte Rückgang in Folge sowie der sechste Monat hintereinander, in dem der NAPM-Index unter 50 lag. Diese Konstellation, indiziert eine Kontraktion der Industriefertigung für ein halbes Jahr, technisch betrachtet eine Rezession.

Der in der Vergangenheit beobachtete Zusammenhang zwischen NAPM-Index und konjunktureller Entwicklung deutet auf einen Rückgang des BIP um annualisiert 0,6 Prozent. Das BIP stieg im vierten Quartal mit nur noch 1,4 Prozent, der langsamsten Rate seit dem zweiten Quartal 1995 und nähert sich weiterhin der Nullinie.

Die stärksten Einbrüche bei den NAPM-Teilindizes verzeichneten Produktion und Auftragseingang. Außerdem nahmen die Lagerbestände zu, ein schlechtes Zeichen, das zudem einen Schatten auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt wirft und andeutet, daß sich der Beschäftigungsabbau im verarbeitenden Gewerbe mit höherem Tempo fortsetzen wird als in den letzten Wochen und Tagen. Ein weiterer Indikator, der Verbrauchervertrauens-Index (Consumers' Confidence Index) ist im Januar so stark abgesackt ist wie seit Jahren nicht. Dazu muß angemerkt werden, daß in den USA zirka zwei Drittel des BIP von Konsumausgaben getragen werden und somit die größte Konjunkturstütze darstellen. Der CCI fiel von 128,6 auf 114,4 und liegt damit weit unter den Konsensschätzungen der Analysten von 125,0. Dieser Rückgang ist der vierte in Folge und der größte seit Oktober 1990. Der Index selbst befindet sich nun auf dem tiefsten Stand seit Dezember 1996.



Fed greift ein

Nach der letzten Senkung des als Leitzins geltenden Zielsatzes für Tagesgeld um 50 Basispunkte auf 5,50% und des Diskontsatzes um ebenfalls 50 Basispunkte auf 5% hat die US-Notenbank Federal Reserve zur Ankurbelung der Konjunktur weitere Schritte angekündigt.

Ein interessanter Punkt des "Fed's Policy Statement" war die Bezugnahme auf die "potentiellen Übertreibungen bei den Lagerbestandshaltungen und den Investitionskosten für Maschinen". Diese Aussage paßt sehr gut in das Bild einer sogenannten Doppel-Blase (Double-Bouble), denn zum einen hatten wir es insbesondere in der jüngsten Vergangenheit mit einer Spekulationsblase an den Finanzmärkten zu tun und zum anderen schärfen sich die Konturen einer Investitionsblase. Sollte diese Investitionsblase konkretere Formen annehmen, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß die wirtschaftliche Erholung nicht V-förmig, wie so oft angenommen, sondern U-förmig verlaufen wird. Dieses Szenario einer relativ langsamen Erholung beruht darauf, daß es viele Monate dauern dürfte, bis Investitionen in Anlagen, Ausstattung und Informationstechnologie getätigt werden, die das Niveau vor dem Platzen dieser Investitions-Blase im letzten Jahr erreichen.

Die kürzlich veröffentlichten BIP-Daten unterstützen die These der geplatzten Investment-Blase, die langsam aber sicher ihre Wunden offenlegt. Die Daten zeigten, daß die Höhe der Kapitalausgaben zum ersten Mal seit 1992 fielen, nachdem sie in der vergangenen Jahren zweistellige Zunahmen aufwiesen.

Eines sollte hiermit klar sein: Die US-Wirtschaft befindet sich ganz klar auf Rezessionskurs.



Zwiespalt der Börse

Die US-Börse befindet sich in einem tiefen Zwiespalt: Auf der einen Seite spricht die sich verschlechternde US-Konjunktur gegen einen breitangelegten Kursaufschwung, auf der anderen Seite war es bisher fast immer eine sichere Sache in einem rezessiven Konjunkturumfeld nach der zweiten Zinssenkung zu kaufen. Eine Untersuchung dieses Phänomens durch das Investmenthaus Morgan Stanley Dean Witter ergab, daß die Kurse in den USA im Schnitt der letzten 80 Jahre nach einem Doppelschritt der Notenbank in den nächsten Monaten um durchschnittlich 26% zulegten.

An der Börse wird bekanntlich die Zukunft in der Regel mit einem sechs- bis neunmonatigem Vorsprung gehandelt. Die Meinung vieler Akteure beruht nun auf der Annahme, daß die US-Konjunktur nach diesem Zeitraum bereits das Konjunkturtief durchschritten haben sollte und sich auf Erholungskurs befindet. Diese optimistische Einschätzung wird auch von den Sentimentindikatoren wiedergegeben: Der für seinen "Sentiment Index" in den USA bekannte Newsletter "Investor's Intelligence" berichtete am 2. Februar einen 61 prozentigen Anteil an bullish gestimmten Akteuren. Man sollte sich vergegenwärtigen, daß dieser Kontraindikator damit - mit Ausnahme der Monate Februar und Mai 1999 - die höchsten Daten seit 1987 darstellt. Dieser Wert zeigt einmal mehr, daß das Vertrauen in die Fed ungebrochen ist. Aber erst wenn dieses Vertrauen in die Fed erschöpft ist, besteht die Möglichkeit einer nachhaltigen und dauerhaften Aufwärtsbewegung.

Untermauert wird diese Einschätzung auch von der vorangegangenen restriktiven Zinspolitik der Fed, die noch bis Ende des Jahres ihre Wirkung zeigen wird. Die eben erst eingeläutete Zinswende dürfte sich unter der Annahme des üblichen Timelags erst frühestens Anfang 2002 positiv auf die US-Konjunktur auswirken. Vor diesem Hintergrund erscheint das Modell der Double-Bouble mit seinem U-förmigen Recovery nur logisch. Somit ist davon auszugehen, daß zumindest in den nächsten Monaten weiterhin negative Schreckensnachrichten von der Wirtschaftsfront das Börsenbild bestimmen werden.



Weitere Zinssenkungen? - Chancen und Risken

Doch wie stehen die Aussichten auf weitere Zinssenkungen? Die neulich veröffentlichten Payroll-Daten für den Januar, die einen erheblichen Prognosefehler enthalten und von saisonalen Adjustierungsproblem behaftet sind, dämpfen ohne Zweifel die Erwartungen hinsichtlich einer Zinssenkung im Februar. Zusammen mit anderen Entwicklungen erscheint aus jetziger Sicht das frühestmögliche Datum für eine weitere Zinssenkung der 9. März zu sein, wenn die Payroll-Daten für den Februar veröffentlicht werden. Dieser potentielle Zinssenkungspielraum könnte mit 25 Basispunkten nur halb so groß ausfallen, wie sie der Markt zur Zeit erwartet. Sie sehen also, daß die Zinserhöhungen der Jahre 1999/2000 sehr wahrscheinlich nicht so schnell zurückgenommen werden.

Weiterhin Risiken für erneute Rückschläge an den Börsen bergen Unternehmens-meldungen, zum Beispiel Quartalsergebnisse. Zusätzliche Malaise: Die Firmen können gar nicht abschätzen, wie sich ihr Geschäft entwickelt. Aber unisono hört man, daß es im 2 Halbjahr wieder bessere Zahlen geben soll. Ob das wirklich stimmt, wissen wir definitiv frühestens im April und Mai, wenn die Conference Calls über das erste Quartal stattfinden. Jedweder Optimismus bezüglich einer zügigen Erholung der US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr beruht zur Zeit lediglich auf Hoffnungen und ist in keinster Form von Fakten getragen.

Hinzu kommt, daß Aktien vieler Unternehmen, insbesondere an der Technologiebörse NASDAQ historisch betrachtet immer noch zu hohe Bewertungsziffern ausweisen. Auch wenn ein Großteil der Exzesse schon ausgetrieben wurde, müßten die Bewertungen durchschnittlich um mehr als ein Drittel nach unten adjustiert werden, um historisch günstige Einstiegskurse zu generieren.

Ein weiterer Punkt, der mit Blick auf die nächsten Monate beachtet werden muß, ist die Problematik des Greenspanschen Patentrezeptes, der unbegrenzten Liquidität, womit auch die Geldmenge M1 angesprochen sei. Die Zinssenkungen erfolgten nämlich in einem Umfeld, in dem noch immer potenzielle Inflationsgefahren bestehen. Ein Wieder-Aufflackern der Inflation wird nämlich durch die monetären Maßnahmen der Fed geradezu provoziert. Zusätzlich könnte ein gegenüber dem Euro mittelfristig schwächerer Dollar steigende Importpreise bedeuten. Dies würde zusätzliche Inflationsgefahren in sich bergen.

Falls die Konjunkturstatistiken weitere Negativmeldungen produzieren, wovon auszugehen ist und wir gleichzeitig ein Wieder-Aufflackern der Inflation erleben sollten, können wir gespannt sein, ob Greenspan dem politischen Druck, der auf ihn ausgeübt würde, standhalten wird.

Von einem derzeitigen neuen Bullenmarkt an der Technologiebörse Nasdaq kann gar keine Rede sein. Indes befinden wir uns in einem zyklischen Bärenmarkt.



Value-Aktien vs. Wachstumsaktien

Die geplatzte Spekulationsblase wird sich erfahrungsgemäß nicht so schnell wieder zusammenflicken lassen, dies gilt im Besonderen für die viele NASDAQ-Titel. Andererseits profitieren Sektoren, die relative Stärke besitzen. Hierzu zähle ich im Besonderen die sogenannten Value-Aktien. Darunter versteht man Unternehmensanteile, die aufgrund ihrer Bewertung und Gewinndynamik über einen hohen inneren Wert verfügen Dem langfristig orientierten Investor bieten sich unter den gegebenen Umständen im allgemeinen noch keine mehrheitlich erfolgversprechenden Anlagemöglichkeiten gemäß der Long Term Buy and Hold-Strategie in Wachstumswerte der NASDAQ.. Eventuelle Restbestände können durchaus in möglichen Zwischen-Rallies veräußert werden. Grundsätzlich empfiehlt sich eine Wartehaltung. Im allgemeinen sind NASDAQ-Aktien derzeit reine Trading-Vehikel. Für kurzfristig orientierte Akteure eröffnen sich unter den gegebenen Umständen immer wieder Opportunitäten. Bei der Auswahl dieser Möglichkeiten spielt die Integration der Technischen Analyse eine hervorragende Rolle.


Ihr Hieronymus

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