Kommentar
16:14 Uhr, 05.07.2012

Rezession, Deflation – Ausgang ungewiss

Der Schweizer Vermögensverwalter Felix Lais kommentiert die aktuelle Lage an den Finanzmärkten: Die Anzeichen für Rezession und Deflation mehren sich. Lais empfiehlt die Strategie „Cash & Trading“. Vorübergehende Schwünge an den Börsen sollten ausgenützt und nach Beendigung einer solchen Transaktion sollte wieder Bargeld gehalten werden.

Der Wonnemonat Mai hatte in Europa mit einem Paukenschlag begonnen. Die Wahlentscheidungen in Frankreich, Griechenland und Schleswig-Holstein sind gefallen und werden für große Diskussionen sorgen und in Europa zu deutlichen Änderungen führen. Diese Entwicklung geschieht inmitten einer sich abschwächenden Weltwirtschaft sowie hoher Arbeitslosigkeit.

Für die kommenden 12 – 18 Monate befindet sich die Welt quasi in permanentem Wahlkampf und die Tendenz geht immer deutlicher in Richtung „St. Florian“. Dies bedeutet, dass die nationalen Interessen über die gemeinschaftlichen Interessen gestellt werden. Dadurch werden notwendige Lösungen für die globalen Probleme verschoben oder aber massiv verwässert. Das Spardiktat aus Brüssel dürfte vermehrt in Frage gestellt und durch andere Lösungen ersetzt werden, umso mehr als weltweit die hohe Arbeitslosigkeit, verbunden mit dem Kriechgang der Weltwirtschaft, den Politikern Angst einflössen wird. Politiker jedoch wollen wiedergewählt werden, koste es was es wolle.

In Amerika hat Präsident Obama den Wahlkampf für seine Wiederwahl im November begonnen und auch der wahrscheinliche Herausforderer der Republikaner Romney schießt sich bereits auf Präsident Obama ein. Die kürzlich veröffentlichten Wirtschaftsdaten weisen eher auf eine sich abschwächende Wirtschaft hin, dies bei weiterhin hohen Arbeitslosenzahlen. Der Präsident wird deshalb alles versuchen im Wirtschaftssektor für die nötige Remedur zu sorgen, wählt Amerika doch stets nach dem bekannten Ausspruch „it’s the economy“. Die US-Notenbank hat bereits angekündigt, dass sie die Zinsen bis ins Jahr 2014 hinein tief lassen will – meines Erachtens ein deutlicher Wink, dass auch in diesem Gremium mit wirtschaftlichen Problemen und einer möglichen Deflation gerechnet wird. Spannende Monate stehen uns bis zum Wahltag bevor. Dieser Wahlkampf dürfte eher schmutzig und hart werden, stehen sich doch grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen gegenüber.

Wie eingangs erwähnt, haben wichtige Länder in Europa ihre Stimme für eine Änderung der politischen Führungsgremien abgegeben. Dadurch erhalten die Gegner der strikten Sparpolitik – wenigstens vorübergehend – Oberwasser. Ich gehe davon aus, dass die Europäische Gemeinschaft großen Spannungen ausgesetzt sein wird, nicht nur im finanziellen Bereich sondern auch im politischen Sektor. Dazu kommen noch Länder-Probleme, wie z.B. Spanien, Griechenland etc., wo das Überleben möglicherweise nur noch von Kreditzusagen aus Brüssel möglich ist. Alles in allem eine unheilvolle und sorgenreiche Entwicklung – Ausgang ungewiss.

Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen werden für die deutsche Innenpolitik wegweisend sein. Folgt man den Voraussagen der Meinungsforscher dürfte es für die Regierung Merkel deutlich schwieriger werden zu regieren, da sich die innenpolitischen Kräfte verschieben. Vorgezogene Neuwahlen könnten dann durchaus denkbar sein.

Auch in Europa kommen auf die Europäische Notenbank zusätzliche Aufgaben zu, die eigentlich gar nicht vorgesehen sind. Die bisherigen Maßnahmen, wie die Zinssenkungen oder der massive Geldtender könnten sich als zu wenig herausstellen. Weitere Zinssenkungen und zusätzliche Gelder werden folgen, denn auch in Europa schwächeln die einzelnen Wirtschaften und die Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Ländern (z.B. Spanien) ist alarmierend hoch. Um soziale Unruhen zu verhindern wird der Notenbank am Schluss gar nichts anderes übrig bleiben als im Stil der Amerikaner mit neuem Geld Schlimmeres zu verhindern.

Schliesslich noch ein Wort zu China. Auch dort stehen die Zeichen auf Veränderung, sinken doch einerseits die Wachstumsraten und andererseits zeigen die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Aktivisten Chen auf, dass auch im politischen Bereich neue Tendenzen am Entstehen sind. China als Wachstumslokomotive für die übrige Welt weist Risse auf. Ich rechne damit, dass in Zukunft auf diese selbstverständliche Wachstumskomponente nicht mehr generell gesetzt werden kann.

Die Weltbörsen haben unter Führung des Dow Jones in den ersten drei Monaten eine gute Entwicklung gezeigt. Erst im Verlauf des Aprils kam alles ins Stocken, im Dow Jones im Bereich der Marke 13.000 – 13.300. Der große Optimismus (buy the dips!) weist darauf hin, dass nun mit einer Rückkehr in den langfristigen Abwärtstrend zu rechnen ist. Die Märkte sind übergekauft und im Dow Jones hat sich eine Art „Head and Shoulder-Formation“ gebildet, die darauf hinweist, dass der kommende Trend abwärts gerichtet sein wird. Ich gehe davon aus, dass die Börsen unter Führung des Dow Jones das bisher gewonnene Terrain abgeben werden und sich anschließend im Verlauf des Sommers deutlich zurückbilden. Vom derzeitigen Stand des Dow Jones von knapp über 13.000 sollte in einer ersten Phase der Markt in den Bereich 11.700 – 12.200 zurückgehen, um anschließend nach einer Erholung in Etappen im Verlauf des Sommers in den Bereich von Dow Jones 10.000 – 10.500 zu fallen. Im Vorfeld der November-Wahlen könnte dann eine vorübergehende Erholung um rund 1.000 Punkte einsetzen, die aber nur technischen Charakter aufweist.

Die übrigen Weltbörsen werden sich diesem Trend nicht entziehen können und dürften ebenfalls schwächer werden. Angesichts der sich abzeichnenden deflationären Tendenzen werden sich auch die Edelmetalle weiter zurückbilden. Im Verlauf der nächsten 12 Monate erwarte ich, dass sich die Kurse des Goldes (z.Z. ca. US$ 1,630) in Etappen über die Marke von 1.500 in Richtung US$ 1.100 – 1.300 hin bewegen werden. Bargeld wird in den kommenden Monaten an Bedeutung zunehmen.

In einer solchen Phase empfehle ich weiterhin meine Strategie „Cash & Trading“, d.h. vorübergehende Schwünge an den Börsen auszunützen und nach Beendigung einer solchen Transaktion wieder Bargeld zu halten.

Noch einige Sätze zum Facebook-Börsengang: Ich möchte darauf hinweisen, dass Ende 1999 anfangs 2000 eine ähnliche Situation mit den Internetwerten bestanden hat. Der damalige Höhenflug, der keiner fundamentalen Analyse standhielt und nur noch dem Motto „Gier“ folgte, wurde dann jäh unterbrochen. Diese Werte erlitten allesamt in der nachfolgenden Zeit gewaltigen Schiffbruch und mussten anschließend einen langen Leidensweg durchlaufen. Die heutige Situation ähnelt allzu sehr der damaligen Zeit und mahnt deshalb zu großer Vorsicht.

2012 wird als ein Jahr der Veränderungen in die Geschichte eingehen. Große Herausforderungen kommen auf die Verantwortlichen zu. Wenn sich diese Personen weiterhin nach dem „alten Schema“ verhalten und „wie immer“ entscheiden, dürften die längerfristigen Auswirkungen gravierend sein. Aus diesem Grund ist es für die Anleger von großer Wichtigkeit, dass sie persönliche Börsenentscheide laufend hinterfragen und deshalb lieber zu früh als zu spät Gewinne oder mögliche kleine Verluste realisieren.

Ein spannendes und herausforderndes Jahr wartet auf die Anleger – seien Sie bereit für große Überraschungen im Wirtschaftsbereich (Rezession / Deflation) und markanten Veränderungen im politischen Bereich!

Felix Lais

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