Kommentar
13:00 Uhr, 23.01.2008

Revision der Leitzinsprognosen - Was bedeutet das für den Markt ?

EZB:

1. Die EZB kommt durch die Entwicklung an den Finanzmärkten und die kräftigen Zinssenkungen der Fed immer stärker unter Druck. Tatsächlich verschlechtern die Entwicklungen an den Finanzmärkten auch die Konjunkturperspektiven, sodass die EZB eine Neupositionierung vornehmen muss. Hält die gegenwärtige Panik an den Finanzmärkten an, so wird auch sie zu einer raschen Zinssenkung von voraussichtlich 50 Bp getrieben werden. Die EZB würde dann als Feuerwehrmann agieren und hätte auch keine Probleme dies zu rechtfertigen. Sollte sich die Panik allerdings etwas legen, dann hätte die EZB noch Zeit eine Zinssenkung aus ihrer wirtschaftlichen Analyse abzuleiten. Schließlich sind die aktuten Konjunkturgefahren in der Eurozone geringer als in den USA. Sie würde dann im Februar voraussichtlich 1) geringere Inflationsgefahren konstatieren, da bislang Zweitrundeneffekte tatsächlich nicht sichtbar sind, 2) die Gefahren thematisieren, die aus den Finanzmarktentwicklungen für die Realwirtschaft resultieren und 3) eine Zinssenkung diskutieren. Bereits im Februar eine Zinssenkung aus der wirtschaftlichen Analyse abzuleiten, würde die Urteilsfähigkeit und Kommunikation von Trichet nach der letzten Zinsentscheidung in einem sehr schlechten Licht erscheinen lassen. Im Rahmen schlechterer Staffprojektionen im März wäre eine Zinssenkung auch um 50 Bp auf 3,5 % dagegen gut ableitbar und kommunizierbar.

Fed:

2. Gut eine Woche vor seinem nächsten turnusmäßigen Meeting hat sich das Federal Open Market Committee (FOMC) entschieden, die Leitzinsen um 75 Basispunkte auf 3,5 % zu senken. Die Fed begründet diesen Schritt mit einer weiteren Verschlechterung des wirtschaftlichen Ausblicks und einer Zunahme der Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum. Diese Einschätzung beruht vor allem auf den jüngsten Entwicklungen an den Finanzmärkten. Zwar stellt das FOMC eine leichte Entspannung an den Geldmärkten fest, spricht insgesamt jedoch von einer erneuten Verschärfung der Bedingungen auf den Finanzmärkten. Neben den starken Verlusten an den Aktienmärkten in den vergangenen Tagen dürfte es damit vor allem die erneute deutliche Ausweitung der Renditespreads von Unternehmensanleihen und anderen Kreditinstrumenten meinen, die seit dem Jahreswechsel zu beobachten gewesen war.

3. Darüber hinaus erwähnen die Notenbanker explizit eine weitere Verschlechterung der Kreditbedingungen für einige Haushalte und Unternehmen. Eine mögliche Interpretation dessen ist, dass neben den beobachtbaren Entwicklungen auf den Finanzmärkten auch anekdotische und andere Evidenzen auf eine abrupte Verschlechterung des finanziellen Umfelds hindeuten. So führt die Fed viermal im Jahr eine Befragung unter den Geschäftsbanken durch, um unter anderem die Entwicklung der Kreditnachfrage und der Kreditvergabekonditionen abzuschätzen. Die Ergebnisse dieses Senior Loan Officer Opinion Survey (SLOOS) werden den Notenbankern stets im Vorfeld eines FOMC-Meetings mitgeteilt, der Öffentlichkeit aber erst im Anschluss. Bereits seit Mitte letzten Jahres signalisierte der SLOOS eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen, dies aber nur in relativ kleinen Schritten. Der Hinweis der Fed auf strengere Kreditkonditionen für einige Haushalte und Unternehmen ließe sich also dadurch erklären, dass die Ergebnisse des aktuellen SLOOS bereits vorliegen und nun eine deutliche Eintrübung des finanziellen Umfelds anzeigen. Aufgrund des hohen Erklärungsgehalts des SLOOS insbesondere für die Investitionstätigkeit der Unternehmen wäre dies auch konsistent mit der im FOMC-Statement erwähnten Verschlechterung des wirtschaftlichen Ausblicks und der Zunahme der konjunkturellen Abwärtsrisiken. Die Ergebnisse des SLOOS wird die Fed voraussichtlich am 4. Februar veröffentlichen.

4. Auch in Bezug auf das Thema Inflation hat die Fed einen deutlichen Stimmungswandel vollzogen. Sprach das FOMC in den Statements zu seinen jüngsten Zinsentscheiden regelmäßig von verbleibenden Inflationsrisiken, äußert es nun die Einschätzung, dass sich die Inflation in den kommenden Quartalen moderieren werde. Diese relativ langfristig orientierte Aussage deutet darauf hin, dass die Fed den nächsten Datenpunkten zur Inflationsentwicklung nur eine sehr geringe Bedeutung für die Ausrichtung ihrer Geldpolitik beimessen wird und trotz des aktuell immer noch relativ kräftigen Preisauftriebs nun einen deutlich größeren Spielraum zur Senkung der Leitzinsen sieht als noch bei ihrem vorangegangenen Zinsentscheid am 11. Dezember.

5. Im letzten Absatz des Statements, der sich mit dem Ausblick auf die zukünftige Geldpolitik beschäftigt, weist die Fed darauf hin, dass sie auch nach diesem Zinsschritt erhebliche konjunkturelle Abwärtsrisiken sieht. Darüber hinaus ergänzt sie die seit dem 17. August regelmäßig verwendete Formulierung „act as needed“ zu „act in a timely manner as needed“. Genau wie der spontane Charakter der heutigen Leitzinssenkung bringt dies zum Ausdruck, dass die Fed ein schnelles, entschlossenes Handeln als notwendig erachtet, um den zunehmenden Risiken für die US-Konjunktur entgegenzuwirken.

6. Insgesamt werten wir das Statement dahingehend, dass dieser Zinsschritt nicht ein bloßes Vorziehen der für den kommenden Mittwoch erwarteten Leitzinssenkung darstellt. Vielmehr scheint sich im FOMC die Meinung durchgesetzt zu haben, dass die von der Entwicklung an den Finanzmärkten ausgehenden Risiken eine stärkere und vor allem schnellere Lockerung der Geldpolitik erforderlich machen als bislang angenommen. Wir rechnen für den kommenden Mittwoch daher mit einer weiteren Senkung der Federal Funds Rate um 50 Basispunkte. Das Risiko sehen wir dabei eher auf der oberen Seite, d.h. es erscheint uns durchaus denkbar, dass die Fed genau wie heute um 75 Basispunkte senkt. Bei ihrem anschließenden Meeting am 18. März dürfte die Fed die Leitzinsen nochmals um 50 Basispunkte auf dann 2,5 % senken. Da zwischen den zwei nächsten turnusmäßigen Zinsentscheiden (30. Januar und 18. März) relativ viel Zeit vergeht, ist auch keinesfalls auszuschließen, dass eine erneute Zuspitzung der Bedingungen an den Finanzmärkten die Fed veranlasst, die Leitzinsen zwischen diesen beiden Terminen zu senken. Unabhängig von dieser Frage des Timings halten wir eine Herabsetzung der Federal Funds Rate auf 2,5 % bis zum 18. März für realistisch.

Quelle: DekaBank

Angst vor Rezession

Die amerikanische Notenbank hat außerplanmäßig die Fed Funds Target Rate um 75 Basispunkte von 4,25% auf nunmehr 3,50% abgesenkt. Aufgrund der anhaltenden Rezessionsängste für die US-Konjunktur sah sich die Federal Reserve offensichtlich zu diesem Schritt gezwungen. So deutlich hatte die Federal Reserve den Leitzins zuletzt im Jahr 1984 gesenkt. Nachdem die europäischen und asiatischen Aktienmärkte zu Beginn dieser Woche mit zum Teil massiven Kursverlusten auf die sich verfestigenden Rezessionsängste reagiert hatten, machten Bernanke und seine Kollegen die Andeutungen der letzen Wochen wahr – zeitnah und spürbar auf entsprechende Entwicklungen antworten zu wollen. Die Aktienmärkte reagierten zunächst positiv auf den unerwartetet und überraschend deutlich ausgefallenen Zinsschritt. Gleichzeitig geriet der Rentenmarkt unter Druck. Auch der Euro konnte infolge der Zinsentscheidung zulegen.

In einer Erklärung der Fed war zu erfahren, dass die heutige Einschätzung fast einstimmig gefallen ist. Die überwiegende Mehrheit des FOMC hat sich für die Senkung der Target Rate um 75 Basispunkte ausgesprochen. Einzig William Poole, Chef der Fed in St. Louis, hat sich gegen die Entscheidung ausgesprochen. Seiner Ansicht nach hätte die Notenbank mit einem entsprechenden Zinsschritt bis zu nächsten regulären Sitzung am 30. Januar warten sollen.

Von einer Zinssenkung im Rahmen der Sitzung am 30. Januar waren die Märkte ohnehin ausgegangen. Dass die Fed diesen Zinsschritt nun überraschend vorzieht macht deutlich, für wie massiv sie die konjunkturellen Risiken für die US-Wirtschaft einschätzt. Zuletzt negativ ausgefallene Konjunkturindikatoren (Arbeitsmarktdaten, Einzelhandelsumsätze, Baudaten) haben dazu geführt, dass sie nun sämtliche Inflationsrisiken dieser konjunkturstützenden Maßnahme unterordnet.

Fraglich ist, ob mit dieser Maßnahme der für Ende Januar erwartete Zinsschritt hinfällig geworden ist, oder ob die Fed angesichts der Rezessionsgefahren auch auf dieser regulären Sitzung noch einmal an der Zinsschraube dreht. Unserer Ansicht nach wird es entscheidend darauf ankommen, wie sich die Aktien- und Kreditmärkte bis zur nächsten Sitzung entwickeln werden. Sollte es zu einer Erholung in den Kursen kommen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed nicht weiter am Zins dreht. Bei einem weiteren Einbruch muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Target Rate erneut gesenkt wird.

Fazit: Auch wenn eine außerplanmäßige Zinssenkung nicht auszuschließen war – Gerüchte kursierten bereits im Markt – fällt die Höhe des Zinsschrittes doch überraschend aus. Die unerwartet deutliche Senkung der Fed signalisiert, wie groß die Sorgen um die US-Konjunktur derzeit offenbar sind. Der Versuch mit einer spürbaren Zinssenkung konjunkturstützend zu wirken ist grundsätzlich zu begrüßen. Andererseits trägt die Fed hiermit aber auch weitere Unsicherheit hinsichtlich dem tatsächlichen Zustand der immer noch wichtigsten Volkswirtschaft in die Märkte.

Quelle: Nord/LB

Aus strategischer Sicht weiterhin Fokus auf die Risiken

Der amerikanische Notenbankpräsident hat in seiner Anhörung vor dem Kongress erneut „weitere wesentliche Maßnahmen“ zur Stabilisierung der Konjunktur in Aussicht gestellt und sich u.a. auch zu fiskalpolitischen Maßnahmen geäußert. Wie lassen sich seine Äußerungen in die gegenwärtig die Aktienmärkte prägenden Entwicklungen einordnen?

Die Phase in der Wachstumsverschlechterung und Probleme der Kreditkrise die Impulse durch die Zinssenkungen dominieren hält an. In der Vergangenheit hat der Aktienmarkt wesentlich schneller positiv auf eine Lockerung der Geldpolitik reagiert (Ausnahme: 2001). Grundsätzlich ist die Wirkung der Zinssenkungen positiv, sie entfaltet ihre realwirtschaftliche Wirkung jedoch nur mit Zeitverzögerung. Im aktuellen Zyklus besteht zudem die Besonderheit, dass sie die strukturellen Probleme der Kreditkrise zwar mildern aber nicht beheben können. Die Äußerungen von Bernanke zum Mix aus Geld- und Fiskalpolitik bieten Interpretationsspielräume die in einer negativen Sichtweise Zweifel hinsichtlich einer schnellen stabilisierenden Wirksamkeit der Zinssenkungen schüren. In diesem Kontext sind zwei Entwicklungen derzeit wesentlich die das Umfeld für die Aktienmärkte negativ prägen: die Entwicklung der Finanzwerte und die Dynamik der Verschlechterung der Konjunkturerwartungen.

Der anhaltende Druck auf die Finanzwerte spricht für weitere Risiken seitens der Kreditkrise für den Gesamtmarkt. Aus dem Blickwinkel eines Aktieninvestors bleibt das Ausmaß der negativen Rückwirkungen der Kreditkrise auf die Kreditvergabe das zentrale Thema. Trotz der im Gange befindlichen Phase der Rekapitalisierung des Finanzsektors (zuletzt u.a. Citigroup und Merrill Lynch) zeichnet sich noch keine Stabilisierung ab. Mit Blick auf die kommenden Monate bestehen weitere Risiken auch darin, dass die Banken nach den direkten Verlusten aus der Subprime-Krise nun zunehmend gezwungen sind für die Kreditrisiken aus einer allgemeinen konjunkturell bedingten Verschlechterung des Kreditportfolios vorzusorgen. Risiken gehen auch von den Eigenkapital- Schwierigkeiten der Kreditversicherer („Monoline Insurer“) in den USA aus. Für den Gesamtmarkt gilt unverändert unsere Einschätzung, dass solange sich im Finanzsektor (insbesondere dem Bankensektor) keine Stabilisierung vollzieht, eine nachhaltige Erholung nicht zu erwarten ist.

Das konjunkturelle Umfeld für die Aktienmärkte verschlechtert sich weiter und übt Druck auf die Gewinnschätzungen aus. Seitens des konjunkturellen Umfelds zeigen sich derzeit noch keine Anzeichen für eine Stabilisierung ab. Vielmehr ist die Dynamik in Richtung einer sukzessiven Verschlechterung des Umfelds intakt. USA: Das „Zentrum der Wachstumsschwäche“ – der amerikanische Immobilienmarkt – bleibt weiterhin unter Druck. Der hohe Bestand an unverkauften Häusern spricht für weiteren Druck auf die Immobilienpreise in 2008. In der Summe erhöht sich damit weiterhin der Druck auf den amerikanischen Konsumenten. Europa: Die Verschlechterung des internationalen Konjunkturumfelds spiegelt sich im Rückgang der Frühindikatoren wieder. Gleichzeitig mehren sich die Annzeichen, dass in Spanien und UK die Abschwächung im Immobilienmarkt mit seinen Folgewirkungen negativer auf das BIP-Wachstum ausstrahlen könnte. Für die Aktienmärkte bedeutet dies, dass mit deutlich negativen Gewinnrevisionen in den kommenden Monaten zu rechnen ist.

Der negative zyklische Impuls schwächt die Unterstützung von der Bewertungsseite. Mehrere europäische Aktienindizes bewegen sich am unteren Ende der Bewertungsbandbreite der vergangenen Jahre. Der negative zyklische Impuls (und seine intakte Dynamik) schwächen die unterstützende Wirkung von der Bewertungsseite (Erwartung negativer Gewinnrevisionen, vereinzelte Kürzungen von Dividenden). Allerdings: „2008 ist nicht 2001“ – damals stand ein überbewerteter Aktienmarkt einer Rezession gegenüber. Heute ist der Aktienmarkt moderat/günstig bewertet und muss „nur“ eine verschlechterte Wachstumsperspektive verdauen aber keine Überbewertung korrigieren. Wir erwarten für den Euro STOXX 50 und den DAX die Fortsetzung der breiten Seitwärtsbewegung der vergangenen Monate. Unsere Indexziele von 4400 Punkten für den Euro STOXX 50 und 7900 Punkten für den DAX sind als Anlaufmarken innerhalb dieser Seitwärtsbewegung zu verstehen. In unserem Jahresausblick haben wir den unteren Bereich der Seitwärtsbewegung mit rund 10% unter dem Niveau der Anlaufmarken veranschlagt. Eine Rezession in den USA würde zwar darüber hinausgehenden zusätzlichen Kursdruck erzeugen, aber die Indizes würden sich auf dem niedrigeren Niveau sukzessive widerstandsfähiger gegenüber schlechten Nachrichten zeigen.

Fazit: Aus strategischer Sicht empfiehlt sich weiter ein defensives Agieren.

Quelle: UniCredit

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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