Kommentar
09:00 Uhr, 19.11.2024

Rettet oder killt NVIDIA den NASDAQ 100?

Die Rally bzw. Kursausschläge an den US-Börsen hat Sven Weisenhaus hier schon mehrfach als "Wahnsinn" bezeichnet. Und er hat erst kürzlich darauf hingewiesen, wie stark einzelne Wert – konkret: Nvidia – die Kurse der US-Indizes beeinflussen. Und es geht nun um alles – zumindest im Nasdaq 100.

So bärisch ist die Lage im Nasdaq 100 jetzt

Dort gab es am Freitag einen sehr bärischen Rückfall, der potenziell Ausgangspunkt für eine kräftige Korrektur werden könnte:

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Der Kurs tauchte gleich zur Eröffnung unter das alte Allzeithoch vom Juli ab (dicke rote Linie) und fiel dann dynamisch weiter. Damit wurde der Ausbruch der Vorwoche (infolge der "Trump-Euphorie") über das Juli-Hoch zum Fehlausbruch, und das aus übergeordneter Sicht. Charttechnisch wären danach weitere Verluste zu erwarten.

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Mit diesem Rückfall hat der Nasdaq 100 zudem eine bärische Inselumkehr produziert (roter Kreis), also eine Reihe von Kerzen, die abgetrennt vom restlichen Kursverlauf "in der Luft hängen". Eine Inselumkehr ist zwar nur ein kurzfristiges Umkehrsignal – das Kursziel liegt in diesem beim Tief von Ende Oktober (dünne grüne Linie) – aber auf diesem Niveau hätte der Index nicht nur schon mehr als 6 % verloren, sondern auch die runde 20.000-Punkte-Marke unterschritten und damit das nächste größere Bärensignal gesendet.

Zudem hat er durch den Rückfall vom Freitag eine (sehr) große Kurslücke gerissen (rotes Rechteck), die als sogenannte Ausbruchskurslücke (breakaway gap) Startpunkt für ein größere Abwärtsbewegung werden könnte. Zuletzt war dies im Juli der Fall, als der Nasdaq 100 von seinem damaligen Hoch abstürzte und bis Anfang August fast 16 % verlor.

Hinzu kommt, dass der Kurs vor dem Absturz vom Freitag eine keilförmige Formation gebildet hat (gestrichelte schwarze Linien), die ein mögliches Trendende markieren könnte.

Die Bullen könnten aber – wieder einmal – sofort zurückschlagen

Aber wir wissen ja inzwischen, dass der Nasdaq 100 bzw. vor allem die Tech-Werte dieses Index die Trader zu „Buy the dip“ animiert. Kleinere oder größere Rückschläge werden schnell wieder gekauft, sodass die Kurse wieder/weiter steigen und oft bald neue Hochs erreichen. Auch nach dem Absturz vom Juli/August war das so.

Zudem haben die Bullen ebenfalls noch einige Pfeile im Köcher: So endete der Rückfall vom Freitag direkt an der Unterkante des übergeordneten Aufwärtstrends (blaue Linien). Das ist eine starke Unterstützung, die immer wieder gehalten hat, wenn es dort zum Teil auch zu kleineren oder größeren Fehlausbrüchen kam (zuletzt vor den Wahlen in den USA; siehe grüner Bogen). Auch die Kurslücke von Ende Oktober (rechtes graues Rechteck) wirkt noch als Unterstützung, zumal sie aktuell im Bereich der unteren blauen Trendlinie verläuft und diese verstärkt. Und tatsächlich dreht heute der Kurs schon wieder nach oben …

Darüber hinaus stehen die 20.000er-Marke und das Zwischentief von Ende Oktober knapp darunter als Unterstützungen für die Bullen bereit.

Sind Chartanalysen jetzt sinnlos?

Aber sind diese und andere Chartanalysen des Nasdaq 100 derzeit nicht womöglich sinnlos? Schließlich wird Nvidia am Mittwoch nach Börsenschluss Quartalszahlen vorlegen. Und da diese Aktie derzeit die größte Marktkapitalisierung im Nasdaq 100 (aber auch im S&P 500) hat, könnte sie doch vielleicht den Index bzw. den gesamten US-Markt entscheidend in die eine oder andere Richtung bewegen.

Aber kann sie das wirklich? Werfen wir dazu einen Blick auf die Ergebnisse der vergangenen sieben Quartale:

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Quellen: VWD, ZIR, eigene Berechnungen

Nvidia hat die Gewinnschätzungen der Analysten stets deutlich übertroffen, prozentual zweistellig höhere Gewinne als erwartet waren üblich; mehrfach fielen die Gewinne sogar mehr als 30 % höher aus (blaue Säulen). Entsprechend stark stieg in der Regel der Aktienkurs am Tag nach der Gewinnbekanntgabe (rote Säulen).

Nur nach dem jüngsten Bericht zum zweiten Quartal Ende August gab der Kurs nach. Allerdings war der Markt damals bereits in einer kurzfristigen Abwärtsbewegung (siehe gelbes Rechteck im Chart oben). Und während der Nasdaq 100 danach bis zum Korrekturtief von Anfang September nur 6 % verlor, büßte Nvidia mehr als 21 % ein!

Ein typisches Muster

Dieses Muster zeigt sich auch in den Quartalen zuvor: Die Ausschläge des Nasdaq 100 am Tag der Nvidia-Ergebnisse erscheinen moderat – auch wenn (zwischenzeitliche) Kursgewinne von mehr als 1 % zum Teil zum oberen Drittel aller positiven täglichen Kursauschläge in diesem Zeitraum gehören. Nur nach den Berichten zum ersten und vierten Quartal 2023 gab es auch im Nasdaq 100 Kursgewinne, die zu den stärksten 5 % gehörten (siehe grüne Ellipsen).

Doch selbst diese fallen mit rund 3 % unspektakulär aus. Dadurch dreht kein Markt! Allerdings sind das nur Momentaufnahmen. In der Regel steigen Nvidia und der Gesamtmarkt nach solchen positiven Überraschungen nicht nur am Tag nach den Zahlen, sondern auch an den darauffolgenden Tagen. Zudem profitieren andere KI- bzw. Halbleiterwerte von guten Nvidia-Zahlen. Das alles hebt zudem die Stimmung der Anleger insgesamt, sodass eine Art positive Feedback-Schleife die Indizes anschiebt.

Eine Sache ist ganz klar

Ob es auch diesmal dazu kommt, muss abgewartet werden. Wie Du siehst, sinkt die Größe der Gewinnüberraschung seit einigen Quartalen. Grund dafür ist zum einen, dass auch Nvidia sein Wachstumspotenzial bald ausgeschöpft haben dürfte, zum anderen, dass die Analysten diesen Überraschungseffekt zunehmend einkalkulieren.

Ich wage keine Prognose, wie stark Nvidia diesmal die Erwartungen übertrifft. Aber eine Sache ist für mich ganz klar: Was passiert, wenn der Konzern die Erwartungen verfehlen sollte. Sollte es bereits diesmal dazu kommen, dürfte der Nasdaq 100 endgültig "gekillt" werden. Anderenfalls bestehen gute Chancen, dass die Bullen nach einen "Buy the dip" erneut Oberwasser bekommen und den Nasdaq 100 mit Nvidias Hilfe ein weiteres Mal retten.

Machen wir uns also auf eine spannende Börsenwoche gefasst!

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Über den Experten

Torsten Ewert
Torsten Ewert
Experte für langfristige Geldanlage

Torsten Ewert hat nach dem legendären Crash von 1987 die Welt der Börse für sich entdeckt – und nach und nach alle Möglichkeiten ausprobiert, die sich engagierten Privatanlegern im Lauf der Jahre anboten: Zunächst neben Aktien also vor allem Hebelprodukte, wie Optionsscheine und Zertifikate, später dann auch Futures, Optionen und CFDs. Seit inzwischen mehr als 15 Jahren arbeitet er erfolgreich als hauptberuflicher Trader, hauptsächlich mit Aktien und Aktienoptionen. Torsten Ewert macht seinen reichen Erfahrungsschatz auch anderen Anlegern zugänglich. So betreut er seit mehr als 10 Jahren erfolgreich zwei Börsenbriefe für langfristige, strategische Geldanlagen, die sich nach wie vor hoher Wertschätzung durch seine Leserinnen und Leser erfreuen. Darüber hinaus gibt Torsten Ewert auch Seminare und hält Vorträge zu verschiedenen Börsenthemen. Bei stock3 wird Torsten Ewert sein geballtes Wissen als Trademate mitbringen und im Service das Depot Supertrend-Aktien führen.

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