Kommentar
09:00 Uhr, 16.06.2007

pSivida-Kurs ungerechtfertigt unter Druck

Zugegeben: Der Kurs des australischen Bio- und Nanotech-Wertes pSivida Ltd (AU000000PSD7; 0,107 EUR) sieht aus wie der einer kurz vor der Insolvenz stehenden Zockerbude. Noch vor zwei Jahren – als das Unternehmen rein von der Fantasie der zu entwickelnden Produkte lebte – war man mehr als das siebenfache von heute wert. Doch mittlerweile liefert man, und wird dafür an der Börse abgestraft wie ein Schulbub.
Mit »Retisert« und »Vitrasert« hat pSivida zwei Produkte auf dem Markt, die jetzt langsam für Umsätze sorgen. Bedenken Sie: Retisert wird immerhin in den USA von keinem Geringeren als dem Pharmariesen Bausch & Lomb vermarktet, es ist das einzige zugelassene Produkt seiner Art. pSivida hat sich auf Drug-Delivery-Technologien vor allem für Augenkrankheiten spezialisiert. Hierbei wird ein extrem kleiner Hohlkörper mittels Spritze injiziert, der seine Medikamentation über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren abgeben kann. Die Technologien sind so weit fortgeschritten und so einzigartig, dass sich kürzlich mit Pfizer sogar ein weiterer Pharmariese an dem Unternehmen beteiligte. Ingesamt sieht das Engagement von Pfizer rund 165 Mio. USD vor: 5 Mio. USD wurden sofort in die Firma investiert, für weitere 5 Mio. USD gibt es eine Option, und der Rest sind Lizenz- und Meilensteinzahlungen verteilt über die nächsten Jahre.
Was die Börse etwas verstörte: Pfizer kann innerhalb von 60 Tagen von dem Abkommen zurücktreten. Das ist aber eine ganz normale Klausel, wie sie praktische alle jungen Forschungsunternehmen eingehen müssen, wenn sich ein Großer mit ihnen ins Bett legt. Insofern keine Besonderheit.
Unglücklich war für pSivida, dass sich im April 2007 mit der Ankündigung des Pfizer-Deals ein Institutioneller entschloss, sich von einem Großteil seiner Aktien zu trennen. Er löste Wandelschuldverschreibungen ein, und verkaufte anschließend die Aktien. Das brachte den Kurs noch mal unter Druck. Aber seither steuert das Management dagegen, und kauft noch ausstehende Schuldscheine größtenteils zurück. Paul Ashton, Managing Director von pSivida, versicherte gegenüber BetaFaktor.de, dass man mit dem Rückkaufprogramm wohl »demnächst fertig« sei.
Geld hat pSivida u.a. von dem erfolgreichen Verkauf der Diagnostik-Sparte Aion Diagnostics (BetaFaktor.de 15/07b). Eine weitere Unternehmenseinheit, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft gehört, könnte ebenfalls noch verkauft werden, verriet uns Ashton.
Neben diesen Börsenaspekten gibt es auch weitere Produktfantasie bei dem Unternehmen. »Medidur«, sozusagen die Nachfolgetechnologie von Retisert bzw. Vitrasert, wird eigentlich erst der richtige Umsatzbringer. Man befindet sich in der klinischen Testphase III, die laut Ashton Ende des Jahres abgeschlossen sein dürfte. Eine weitere Entwicklung in der Pipeline ist »Brachysil«; hier enthalten die Hohlkörper eine bestimmte Phosphor-Art. Dieser strahlt schwach radioaktiv im Umfeld von 1 cm. Direkt injiziert in einen Krebstumor tötet es diesen ab, ohne die bekannten Strahlungsnebenwirkungen. Hier avisiert uns Ashton, dass man bis Ende Juli weitere Ergebnisse aus der derzeit laufenden Forschungsreihe Phase IIa bekannt geben werde.
Generell denken wir, dass pSivida derzeit ungerechtfertigterweise am Allzeittief steht. Mit einer Marktkapitalisierung von nur etwas mehr als 60 Mio. EUR ist man gerade mal die Hälfte von dem wert, was Pfizer in das Unternehmen pumpen will. Kurziel 0,17 EUR. (Wenn Sie mehr über die spannende Welt der Nanotechnologie allgemein wissen wollen, empfehlen wir Ihnen das Buch »Nanotechnologie« von unserem Chefredakteur Engelbert Hörmannsdorfer, das im Finanzbuch Verlag mit der ISBN 3898791599 erschienen ist.)

Herzlichst Ihr Engelbert Hörrmansdorfer

Chefredakteur Betafaktor.de, [Link "www.betafaktor.de" auf www.betafaktor.de/... nicht mehr verfügbar]

Betafaktor ist eine Online-Publikation der BörseGo GmbH und kann unter obiger Web-Adresse abonniert werden.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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