Kommentar
11:27 Uhr, 29.08.2018

Warum explodiert TELE COLUMBUS?

Rund 33 Prozent notieren die Aktien von Tele Columbus aktuell im Plus, dabei hat das Unternehmen seine Prognose gesenkt. Dreht der Markt jetzt völlig durch? Oder ist die Kursreaktion vielleicht doch verständlich?

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Manch Anleger mit einem Faible für Nebenwerte traut heute seinen Augen nicht: Da teilt der kleine Kabelnetzbetreiber Tele Columbus am späten Dienstagabend in einer Ad-hoc-Meldung mit, dass die Prognose für das laufende Gesamtjahr gesenkt wird. Und was machen die Aktien des Unternehmens am Mittwoch? Sie legen um mehr als 25 Prozent zu und sind damit der mit Abstand stärkste Wert im Nebenwerteindex SDAX.

Klar, mag manch Anleger sagen: Der Markt ist eben irrational, das ist keine Überraschung. Es kommt schließlich gar nicht so selten vor, dass die Kursreaktion einer Aktie nicht unbedingt zur fundamentalen Entwicklung passt. Wer sich lange und intensiv genug mit dem Aktienmarkt beschäftigt, wird viele Beispiele dafür finden, bei denen es zumindest scheinbar so ist.

Doch die Kursreaktion der Aktien von Tele Columbus auf die gestrige Nachricht ist durchaus verständlich und sogar sehr logisch. Um das verstehen zu können, muss man aber die Vorgeschichte betrachten.

Tele Columbus hat schon länger geschäftliche Probleme und kämpft vor allem mit einer sinkenden Kundenzahl. Dabei ist das Unternehmen außerdem schon seit dem Börsengang vor drei Jahren hoch verschuldet. Probleme gab es auch bei der Integration der beiden Wettbewerber Primacom und Pepcom, die Tele Columbus im Jahr 2015 übernommen hatte.

Erst im Mai senkte Tele Columbus die Umsatz- und Gewinnprognose für das laufende Jahr. Investoren machten sich zunehmend Sorgen um die finanzielle Stabilität des Unternehmens. Denn in der Bilanz sind immaterielle Vermögenswerte von mehr als 1,4 Milliarden Euro enthalten, unter anderem Goodwill aus den Übernahmen von Pepcom und Primacom. Ausgerechnet mit der Integration dieser Unternehmen begründete Tele Columbus auch die Prognosesenkung. Einige Analysten und Investoren befürchteten, dass das Unternehmen auf den Goodwill der beiden übernommenen Unternehmen deutliche Abschreibungen würde vornehmen müssen. Bei der ohnehin dünnen Eigenkapitalbasis könnten die Verluste schnell so groß sein, dass das Überleben des Unternehmens in Gefahr wäre.

Sorgen gab es auch um Auflagen (Covenants) in den Kreditverträgen von Tele Columbus, die dem Unternehmen eine bestimmte maximale Verschuldung vorschreiben. Sollten die Covenants verletzt werden, könnte auch dies das Ende von Tele Columbus bedeuten. Denn ohne Zugang zu Krediten ist ein hochverschuldetes Unternehmen wie Tele Columbus letztlich nicht überlebensfähig.

In dieser ohnehin bereits sehr angespannten Lage kündigte das Unternehmen dann Mitte August an, dass die Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr auf Anfang September verschoben wird. Nicht wenige Analysten und Anleger befürchteten daraufhin sehr schlechte Nachrichten, auch weil nach einem Wechsel bei den Posten des Vorstandschefs und des Finanzvorstands ein Durchkämmen der Bilanz nach Altlasten anstehen könnte.

Aber auch die Möglichkeit ernsthafter Liquiditätsprobleme stand im Raum. Denn sollte es zu großen Abschreibungen auf den Goodwill aus den Übernahmen von Pepcom und Primacom kommen oder sollten Covenants aus Kreditverträgen verletzt werden, könnte dies recht schnell existenzbedrohend für das Unternehmen werden. So richtig gerieten die Kurse aber erst ins Rutschen, als zahlreiche größere Vermögensverwalter und Investoren aus den USA ihren Anteil an Tele Columbis nach der Verschiebung der Quartalszahlen deutlich reduzierten.

Vor diesem Hintergrund ist die Tatsache, dass das Unternehmen nun "nur" eine leichte Prognosesenkung ankündigt hat, fast schon beruhigend. Denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Liquiditätssituation des Unternehmens angespannt ist oder dass große Abschreibungen drohen, auch wenn beides nach der gestrigen Ad-hoc-Meldung auch nicht ausgeschlossen ist.

So lässt sich auch die heutige Kursreaktion durchaus logisch erklären: Anleger und Analysten hatten nach der Verkettung der zuletzt desaströsen Entwicklungen mit schlechten Nachrichten gerechnet, die womöglich sogar exitenzbedrohend für das Unternehmen sein könnten. Dies ist aber zumindest bisher ausgeblieben.

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Letztlich müssen Mitteilungen eines Unternehmen immer mit dem verglichen werden, was bisher erwartet wurde, was also im Kurs bereits "eingepreist" ist. Bei Tele Columbus waren die Erwartungen desaströs. Eine leichte Prognosesenkung kann da eine sehr gute Nachricht sein.


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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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