Kommentar
10:51 Uhr, 30.01.2002

Porsche - ein Rennwagen auch an der Börse?!

Die Porsche AG ist der kleinste selbständige Automobilhersteller der Welt. Während sich die Konkurrenz den Zwängen der Globalisierung unterwirft und ihr Heil in immer größeren, weltumspannenden unternehmerischen Einheiten sucht, verfolgt Porsche eine andere Strategie. Nach 50 Jahren gelebter Sportwagenkompetenz ist Porsche im Bewusstsein vieler Menschen heute der Inbegriff faszinierenden Fahrens.

Es gibt Autos, die werden gekauft, es gibt Autos, die werden bewundert und es gibt Autos, die werden zudem auch noch gestreichelt. Wenn alles zugleich zutrifft, dann handelt es sich zumindest in deutschen Landen meistens um einen Porsche. Während die Automobilbranche fast geschlossen über sinkende Absatzzahlen und schrumpfende Gewinne klagt, manche Hersteller wie z.B. Opel sogar horrende Verluste machen, legt Porsche Jahr für Jahr neue Rekordergebnisse vor, so auch dieses Jahr.

Porsche-Chef erhebt Vorwürfe gegen Deutsche Börse wegen MDAX-Rauswurf

Der Vorstandsvorsitzende des Sportwagenbauers Porsche hat schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Börse AG erhoben, der er mangelnde Transparenz vorwarf. "Es könne doch nicht sein, dass zwischen den Verantwortlichen der Wertpapierbörse in Frankfurt und den Machern der gewöhnlichen Profitinteressen unterworfenen Deutschen Börse weitgehend Personenidentität bestehe", sagte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking am Freitag auf der Hauptversammlung des Unternehmens in Stuttgart und damit hat er nicht unrecht. "Wie sollen in einer solchen Personalkonstellation unabhängig Regelwerke entstehen und wie soll die Kontrolle über einen solchen Interessendschungel funktionieren?", fragte der Automanager. Porsche war im Vorjahr aus dem MDAX ausgeschlossen worden, weil sich das Unternehmen geweigert hatte, Quartalszahlen zu veröffentlichen. Wiedeking verteidigte diese Entscheidung erneut mit der Bemerkung, der Kurs von Porsche habe darunter nicht gelitten. Die vermeintlich gute Absicht, Anleger durch Quartalsberichte ausreichend zu informieren, werde in der Praxis von den Beteiligten selbst ad absurdum geführt", sagte der Porsche-Chef.

Porsche-Chef Wiedeking: New Yorker Börse hat Interesse an Notierung der Aktie

Die New Yorker Börse hat Interesse an einer Notierung der Porsche-Aktie an der Wall Street gezeigt. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sagte am Freitag auf der Hauptversammlung in Stuttgart, Finanzvorstand Holger P. Härter sei im Gespräch mit der New York Stock Exchange. "Die wollen uns", sagte Wiedeking und fügte hinzu "aber ohne Quartalsberichte". Porsche weigert sich, Quartalsberichte zu veröffentlichen und ist deshalb im vergangenen Jahr in Frankfurt aus dem M-Dax geflogen.

Zahlen

Gute Zahlen, Rekorddividende und zufriedene Aktionäre. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking nimmt auch im Jahr 2002 den Fuß nicht vom Gas. Warum sollte er auch? Porsche hat die Konkurrenz "wieder einmal" weit hinter sich gelassen. Mit einem Halbjahresumsatz von 1,83 Mrd. Euro, einem Vorsteuergewinn von 154 Mio. Euro und einem Netto-Gewinn von 87,8 Mio. Euro glänzt der Autobauer wieder einmal. Die erste Hälfte des laufenden Geschäftsjahres (zum 31. Juli) war damit deutlich besser als die des Vorjahres. Der Umsatz stieg um 6,3 Prozent, der Vorsteuergewinn sogar um satte 10,2 Prozent. Nach Steuern bleibt dem Sportwagenhersteller auf Grund einer durch die Unternehmens-Steuerreform geringeren Steuerquote 27 Prozent mehr übrig als im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2000/01. Die Vorzugsaktionäre wird es freuen. Sie können mit einer Rekorddividende von 2,60 Euro rechnen. Stammaktionäre dürfen mit 2,54 Euro je Aktie rechnen.

Auch die vorläufigen Absatzzahlen können sich sehen lassen. Mit 23.370 Fahrzeugen wurden 0,7 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dabei schnitt der in die Jahre gekommene "Porsche Boxster" allerdings alles andere als zufriedenstellend ab. Das Modell wird nun schon im sechsten Jahr seit seiner Auflegung in der gleichen Art und Weise produziert. Der Absatz nahm im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres um 13,4 Prozent auf 10.280 Stück ab. Der "911er" dagegen verkauft sich weiter glänzend. Der Absatz-Zuwachs von 15,5 Prozent fängt die schwache Nachfrage des Boxsters wieder auf.

Allerdings ist davon auszugehen, dass Porsche in der im Februar beginnenden zweiten Hälfte des Geschäftsjahres ebenfalls mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben wird. Schließlich ist der nordamerikanische Automarkt - dem ein deutlicher Rückgang vorausgesagt wird - Porsches wichtigster Absatzmarkt. Im vergangenen Geschäftsjahr wurden dort 49 Prozent des gesamten Fahrzeugabsatzes realisiert. Für Wiedeking ist das allerdings nicht wirklich ein Problem. "Nach unserer gegenwärtigen Einschätzung wird die positive Entwicklung anhalten", erklärte er den Aktionären auf der Hauptversammlung. Selbst wenn Porsche die Absatzzahlen des Vorjahres nicht erreichen wird, werde das Vorsteuerergebnis auf Grund eines besseren Modell-Mix zumindest auf Vorjahreshöhe (592 Mio. Euro) liegen, erklärt Wiedeking.

Auf dem Geländewagen "Cayenne" und dem Supersportwagen Carrera GT ruhen die Hoffnungen

Für das weitere Jahr belasten die Entwicklungskosten für neue Sportwagen, insbesondere für den geheimnisvollen Geländewagen "Cayenne". Dennoch: Die Investitionen in den "Cayenne" werden sich langfristig bezahlt machen. Da ist sich nicht nur Wiedeking sondern auch die breite Masse der Branchen-Experten sicher. Die Markteinführung des ersten Geländewagens aus dem Hause Porsche ist für die zweite Jahreshälfte - also die erste Hälfte des nächsten Porsche-Geschäftsjahres - geplant. 25.000 Stück sollen davon jährlich gebaut werden. Der Cayenne soll im neuen Werk in Leipzig gebaut werden. Hinzu kommt der Supersportwagen "Carrera GT", der mit einem Stückpreis zwischen 350.000 und 400.000 Dollar nach seiner voraussichtlichen Markteinführung im Jahr 2003 erheblich zur weiteren Ertragssteigerung beitragen soll. Die 560 PS starke und 330 Kilometer pro Stunde schnelle Rennmaschine kann ein neues Zugpferd werden.

Analysten

Die Analysten der Bayerischen Landesbank gehen für das Geschäftsjahr 2002/03 von einem Gewinn je Aktie von 22,61 Euro aus. Das würde auf dem derzeitigen Kursniveau von 443 Euro ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19 bedeuten. Von den nackten Zahlen her ist Porsche damit mit die teuerste Auto-Aktie in Europa. Allerdings muss dem Sportwagenhersteller eine höhere Bewertung zugestanden werden, als Herstellern für die breite Masse wie beispielsweise Volkswagen. Porsche bietet ausschließlich Luxusfahrzeuge an, bei denen die Margen bedeutend höher sind als in anderen Segmenten. So kann das Unternehmen auch künftig allen Konkurrenten davon fahren, die sich mit dem steigenden Preisdruck im Massenmarkt auseinandersetzen müssen, gewiss ist dies allerdings nicht. Porsche ist und bleibt nun einmal etwas ganz Besonderes, mit der einzige mehr oder weniger unabhängige Sportwagenhersteller weltweit.

Auch am Tage der Hauptversammlung sorgten die Porsche-Aktien für Furore an der Börse wie es sich für einen echten Rennwagen auch gehört. Mit einem Plus von 3,15 Prozent auf 457,00 Euro, nachdem sie zeitweise mit 460 Euro ein neues Allzeithoch erzielt hatten. Seit September hat sich der Kurs damit verdoppelt, da hätte man einsteigen sollen, den zu jener Zeit waren die Porsche-Vorzüge mit einem KGV von unter 10 bewertet - wahrlich ein Schnäppchen. Die Analysten von Lehman Brothers haben letzen Donnerstag ihre "Strong Buy"-Empfehlung für die Porsche-Aktie bekräftigt. Im laufenden Jahr sei von dem Stuttgarter Autobauer ein "anhaltender Strom positiver Nachrichten"zu erwarten, schreibt das Analysehaus in einer Studie. Auch auf dem gegenwärtigen Niveau von rund 450 Euro sei die Aktie noch immer stark unterbewertet. Lehman Brothers hat Porsche daher auf seine Empfehlungsliste der "10 Uncommon EuroValues" gesetzt. Als Kursziel nennen die Experten 600 Euro. Dem können wir uns so nicht anschliessen, denn eine Performance von 100% in einem guten Vierteljahr schreit geradezu nach einer Konsolidierung. Da heisst es seine bisher erzielten Kursgewinne mit einem knallharten Stoppkurs nach unten absichern.

Zukunftsaussichten

Trotz der guten Zahlen appellierte Porsche-Chef Wiedeking an die Gewerkschaften, bei den kommenden Tarifverhandlungen Augenmaß zu bewahren - und hier liegt die Crux begraben. Er wisse, dass sich das aus dem Munde eines erfolgreichen Unternehmens nicht gerade sehr originell anhöre. "Aber wir reden ja auch nicht von Nullrunden oder ähnlichem volkswirtschaftlichen Unsinn", sagte Wiedeking am Freitag auf der Hauptversammlung der Sportwagenherstellers in Stuttgart.

Selbst Porsche-Lenker Wiedeking muss einräumen, dass sich in den USA - dorthin geht mittlerweile die Hälfte der Porsche-Produktion - aus bekannten Gründen wohl nicht mehr so viele Autos wie im Vorjahr werden verkaufen lassen. Sinkende Stückzahlen will Porsche zukünftig durch einen höheren Anteil teurer Modelle ausgleichen. Noch legt der Umsatz ungebrochen zu. Nach vier Monaten betrug das Plus 6,3 Prozent, nach sechs Monaten ebensoviel. Es hat also auch im Dezember und Januar noch keinen Einbruch gegeben. Im laufenden Geschäftsjahr soll der Porsche-Absatz erstmals eine besondere Würze erhalten. Wie schon weiter oben angeführt, wird ab Herbst 2002 der in Leipzig produzierte Geländewagen Cayenne verkauft. Und von 2003 an soll der mit einem beabsichtigten Preis von 400.000 Euro sündhaft teure neue Carrera GT Geld in die Kassen von Porsche spülen.

Ein Porsche ist niemals zu teuer, so scheint es. Wer genug auf der hohen Kante hat, um sich solch ein Auto zu leisten, kann auch mehr und mehr dafür ausgeben. Die Reichen werden eben immer reicher. Gut für Porsche, gut für die Aktionäre. Die Aktie ist mit dem etwa 20fachen des erwarteten Gewinns zwar ebenfalls ein teures Investment, aber billig im Vergleich zum fahrbaren Untersatz. Und sie wird zumindest langfristig bei ähnlicher Entwicklung im Wert steigen. Der Rauswurf aus dem MDAX, den der widerspenstige Wiedeking provoziert hat, bleibt bedeutungslos. Mit Sicherheit gibt es genug Investoren, die nicht an Index-Zusammensetzungen gebunden sind und auf die Porsche-Aktie im Depot nicht werden verzichten wollen, was auch sinnvoll ist.

Die Börse liebt es, wenn ein Unternehmen seine eigenen Vorhersagen toppt. Porsche beherrscht diese Kunst meisterhaft. Im Rahmen unserer Modestudie im November letzten Jahres haben wir mit Hugo Boss ein vergleichbares Unternehmen analysiert, der Edelmodehersteller übertrifft regelmäßig gemachte Vorhersagen. Mit einem exzellenten Management und einer Produktmarke die seinesgleichen sucht, kann man die beiden Unternehmen durchaus miteinander vergleichen. Doch Vorsicht: die Börse ist keine Einbahnstrasse und Gewinnmitnahmen haben noch keinem Anleger geschadet. Der konservative Anleger nimmt fürs erste seine Gewinne mit, während der spekulativ orientierte Investor der Party noch ein bisschen beiwohnt. Solange die Designer und Ingenieure bei Porsche jedoch weiter den Nerv der anspruchsvollen und vermögenden Kundschaft treffen, ist langfristig über mehrere Jahre hinweg ein weiter steigender Aktienkurs aber sehr wahrscheinlich. Nach Abwägung allem Für und Wieder sehen wir die Porsche-Aktie zur Zeit als gut bezahlt an und stufen sie mit einem neutralen Rating ein.

Herr Moser

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