Politiker und Ökonomen fordern von EZB Anhebung der Mindestreserve
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Eine Gruppe von Politikern und Ökonomen hat die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert, die Mindestreserveanforderung an Banken anzuheben, um deren risikolose Profite aus Überschusseinlagen bei der EZB zu beschränken. In einem Brief weisen die Experten darauf hin, dass die Banken auf diese Weise einerseits jährlich Zinseinnahmen von 140 Milliarden Euro erzielen, andererseits aber ihren Kunden keinen angemessenen Zins auf deren Einlagen zahlten.
"Diese Diskrepanz untergräbt nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Geldpolitik der EZB, sondern verschärft auch die Kluft zwischen dem Finanzsektor und der breiten Öffentlichkeit", heißt es in dem Schreiben, zu dessen Unterzeichner neben den Ökonomen Paul de Grauwe und Philipp Heimberger Politikerinnen und Politiker wie Rene Repasi, Philippe Lamberts, Bas Eickhout und Henrike Hahn gehören.
Die Banken erhalten für ihre über das Reservesoll hinausgehenden Einlagen von der EZB 4 Prozent Zinsen pro Jahr, während sie ihrerseits Einlagen ihrer Kunden auf Girokonten so gut wie gar nicht verzinsen. Die Einlagen bei der EZB bis zur Höhe der Mindestreserve werden jedoch nicht verzinst. Eine Anhebung dieser Mindestreserveanforderung würde die Zinseinnahmen der Institute also mindern.
Befürworter eines solchen Schrittes, zu denen zum Beispiel das deutsche EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel gehört, verweisen darauf, dass sich auf diese Weise die Überliquidität im Bankensystem vermindern ließe, was durchaus im Sinne der Inflationsbekämpfung wäre. Auch würden höhere Einlagenzinsen tendenziell die Konsumneigung mindern, was ebenfalls den Intentionen der EZB entgegen käme.
Gegner einer höheren Mindestreserve argumentieren dagegen, dass es der Bundesbank (und der Oesterreichischen Nationalbank) vor allem darum gehe, die eigene Bilanz zu schonen. Die Bundesbank hat unter anderem wegen hoher Zinszahlungen auf Überschussreserven möglicherweise schon 2023 einen Verlust gemacht. Argumentiert wird außerdem, dass die Banken in den Jahren des Nullzinses nur wenige Zinserträge gehabt hätten, weil sie ihrerseits der EZB für Überschussreserven einen Zins zahlen mussten, anstatt einen zu erhalten.
Am Mittwoch hat die Sitzung des EZB-Rats begonnen, der am Donnerstag seine geldpolitischen Entscheidungen bekannt machen wird. Analysten rechnen bisher nicht damit, dass die EZB die Mindestreserve anheben wird. Nach Veröffentlichung des Briefes muss sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde aber zumindest auf Anfragen von Journalisten einstellen.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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