Kommentar
15:00 Uhr, 23.10.2024

Paranoide Krypto-Anarchisten: Wieso Michael Saylor recht hat

Michael Saylor äußert sich kritisch gegenüber "paranoiden Krypto-Anarchisten". Dabei trifft er einen Nerv – und eröffnet eine wichtige Debatte.

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An manchen Tagen hat man das Gefühl, dass Twitter explodiert. Ein solcher Tag war gestern. Im Interview teilte die Bitcoin-Galionsfigur schlechthin, Michael Saylor, gegen Hardcore-Bitcoiner aus. Die Selbstverwahrung von Bitcoin? Nur etwas für “paranoide Krypto-Anarchisten”, so der MicroStrategy-Gründer. Hat er recht?

Im Interview mit “Markets with Madison” bespielt Michael Saylor abermals die Klaviatur des Bitcoin-Maximalismus. Man kennt es bereits: Bitcoin als phänomenales Investitionsobjekt, als Erfindung digitaler Knappheit in einer inflationären Fiat-Welt und als Basis für den nächsten zivilisatorischen Schritt. So weit, so erwartbar.

Doch ab Minute 20:30 wird es interessant. Moderatorin Madison Reidy stellt die berechtigte Frage nach Zentralisierungstendenzen bei Bitcoin im Zuge voranschreitender Institutionalisierung des Sektors – und ob damit Übergriffe des Staates nicht Tür und Tor geöffnet würden. Reidy wollte wissen:

Erhöht die steigende Quote an zentral verwahrten BTC das Risiko von Konfiszierung durch Regierungen?

Worauf Saylor entgegnete:

Im Gegenteil: Wenn Bitcoin nur von einem Haufen Krypto-Anarchisten gehalten wird, die Staatlichkeit und Steuern ablehnen, dann erhöht dies das Risiko von Konfiszierung.

Saylor argumentiert also, dass auch Bitcoin in geordnete Bahnen gelenkt werden muss, die staatlicher Regulierung folgen. Dass BlackRock und Fidelity BTC halten, sei eine Art Versicherung gegen repressive staatliche Schritte gegen das Netzwerk. Schließlich seien die Entscheidungsträger:innen selber investiert – und würden sich bei einer Beschlagnahmung so ins eigene Bein schießen. Außerdem drohe ein Szenario wie in den 30er Jahren alleine deshalb nicht, weil wir nicht im Bitcoin-Standard leben. 1933 hatte die US-Regierung mittels Executive Order 6102 den Privatbesitz von Gold kriminalisiert.

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Michael Saylor hat recht

Obwohl die Bitcoin Community in den sozialen Medien pikiert reagiert, hat Saylor einen Punkt getroffen. Dass es Bitcoin zu irgendeiner Art von Massenadoption bringen kann, bei der das Gros der Investorinnen und Investoren ihre Coins selbst verwahrt, ist schlicht illusorisch. Menschen wollen Benutzerfreundlichkeit.

Ein Vermögen durch das Merken von einem Dutzend Wörter abzusichern, beim Abhandenkommen sogar den Totalverlust zu riskieren – das ist einer Mehrheit schlicht nicht vermittelbar. Es gibt gute Gründe, das Ersparte auf die Bank zu bringen und nicht unter dem Kopfkissen zu bunkern. BTC-Verwahrlösungen sind eine notwendige Realität, die ihre Berechtigung hat. Und ihre Bedeutung wird wachsen.

Schon heute halten ETF-Sponsoren wie BlackRock 976.000 BTC. Das entspricht 4,6 Prozent der gesamten Umlaufmenge. Offenbar interessiert sich ein nennenswerter Teil der Bitcoin-Investor:innen in erster Linie für den Wertgewinn des Assets BTC und weniger für dessen Eigenschaften als absolut souveränes Geld. Das ist okay, denn das eine schließt das andere ja nicht aus.

Obacht, Bitcoin-Totalverlust

Mittlerweile empfehle ich niemanden mehr, die ersten 100 Euro in BTC auf die Hardware Wallet zu schieben. Ganz ehrlich: Bis man nicht ein profundes Verständnis von Bitcoins Funktionsweise hat und damit die Risiken von Selbstverwahrung einschätzen kann, ist das Auslagern der Coins an regulierte (!) inländische Broker und Börsen immer die erste Wahl.

Es ist schon richtig, dass man damit ein elementares Wertversprechen von Bitcoin umgeht (Zulassungsfreiheit, Souveränität, nicht-Konfiszierbarkeit – um nur einige zu nennen). Wer aber glaubt, dass der Staat dir morgen die Bitcoin klaut, sollte den Aluhut vielleicht mal wieder entstauben. Und genau diese Riege an Maximalisten spricht Saylor mit “paranoid crypto anarchists” an. Das schöne ist ja: Bitcoin funktioniert auch als Mittelweg. Das Geldsystem muss nicht erst zusammenbrechen, damit sich das Wertversprechen des Digitalen Goldes voll entfaltet. Es kann beides geben: Institutionelle Massenadoption und Bitcoin-Purismus.

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Man möge mich hier nicht missverstehen: Das ist kein Plädoyer gegen Selbstverwahrung. Wer weiß, was er tut, sollte seine Coins selbst verwahren. Wie erwähnt, holt man sich bei der Auslagerung auch immer ein Gegenparteirisiko ins Haus, das Bitcoin ja eigentlich eliminieren soll. Physische Coins verspielen so einen nennenswerten Teil des Wertversprechens.

Aber: Der Eintritt traditioneller Finanzen in den Markt hat BTC aus seiner Schmuddelecke geholt. Je mehr Gesellschaftsbereiche Bitcoin durchzieht, desto schwieriger ist es angreifbar. Das hat Saylor im Interview richtig benannt.

Und wer als Anfänger Fehler macht und Coins im Nirvana versenkt, wird so schnell sicher auch nicht mehr zum Bitcoiner.

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