Osteuropa - Russland erneut Outperformer
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Russische Börse erneut als Outperformer: Die Entwicklung an den osteuropäischenAktienmärkten war im Juni uneinheitlich. Während die Börsen in Ungarn und Tschechien zur Schwäche neigten, konnten in Polen und Russland erfreuliche Kurssteigerungen verbucht werden. Insbesondere der russische Aktienmarkt präsentierte sich mit einem Wertzuwachs von knapp acht Prozent gemessen am RTS-Index erneut in fester Verfassung. Erfreuliche Makrodaten stimulierten hier das Geschehen. So betrug der BIP-Anstieg von Januar bis Mai 7,1 Prozent, während die Industrieproduktion im gleichen Zeitraum um 6,7 Prozent anzog. Allein im Mai hatte der Produktionszuwachs im Jahresvergleich 8,5 Prozent betragen. Darüber hinaus konnte Russland im zweiten Quartal 2003 Nettokapitalzuflüsse von zwei Mrd. USD verbuchen. Dies vergleicht sich mit Nettoabflüssen von 17,6 Mrd. USD in 2001 und 14,1 Mrd. USD in 2002. Die nunmehr erzielte deutliche Verbesserung ist ein Zeichen dafür, dass das Land zunehmend an Glaubwürdigkeit gewinnt. Darauf deuten auch die kräftig gestiegenen Direktinvestitionen ausländischer Investoren hin, welche im ersten Quartal 2003 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 326 Prozent oder 1,6 Mrd. USD angewachsen sind. Dies ist der höchste Quartalszufluss seit dem dritten Quartal 1997. Der stabile Ölpreis und die hohe Liquidität in Händen von Privaten und Unternehmen, die eine Anlage sucht, erwies sich ebenfalls als Stütze des Marktes. Auch an der polnischen Börse kam es mit Kurssteigerungen von gut vier Prozent zu erfreulichen Aufwärtstendenzen. Hier profitierten Aktien unter anderem von den Vorhaben der Regierung, die Unternehmenssteuern ab 2004 von 27 auf 19 Prozent zu senken und die Investitionen zur Belebung der Konjunktur zu stärken, auch wenn hierdurch die staatliche Verschuldung in die Höhe getrieben wird. Die Pläne wurden angekündigt, nachdem das Wirtschaftsministerium nahezu alle Verantwortungen des Finanzministeriums übernommen hatte. Positiv auf die Börsenentwicklung wirkten sich zudem die BIP-Zahlen für das erste Quartal 2003 aus. Mit einem Anstieg im Jahresvergleich von 2,2 Prozent lagen sie im Rahmen der Erwartungen. Eine vor dem Hintergrund anhaltend niedriger Inflationsraten erneute Leitzinssenkung der polnischen Zentralbank um 25 Basispunkte auf 5,25 Prozent stützte ebenfalls das Geschehen. In diesem insgesamt freundlichen Umfeld wurde die Nachricht kaum beachtet, dass Standard & Poor's die Aussichten sowohl für die in Zloty als auch Euro denominierten polnischen Staatsanleihen von stabil auf negativ herabstufen wird.
Weniger erfreulich hingegen verlief die Entwicklung in Ungarn und Tschechien. Insbesondere die ungarische Börse musste mit einem Rückgang im Bux-Index von nahezu sieben Prozent kräftige Einbußen hinnehmen. Hauptgrund für die Schwäche war die Talfahrt des Forint. Hier hatte die Regierung die Wechselkursbandbreite zum Euro verschoben, was einer Abwertung des Forint um 2,3 Prozent gleichkam. Eigentlich eine eher symbolische Maßnahme, die jedoch so unzureichend dem Markt kommuniziert wurde, dass sie Befürchtungen hinsichtlich weiterer, kräftiger Abwertungsschritte auslöste. Dementsprechend fielen die Reaktionen wesentlich heftiger aus als erwartet. Um die schwache Währung zu stabilisieren, erhöhte die ungarische Notenbank in zwei Schritten die Leitzinsen um insgesamt 300 Basispunkte, wodurch zuletzt auch eine gewisse Beruhigung an den Märkten eintrat. Mit Blick auf die Konjunktur wurde der zuvor für das erste Quartal vorläufig angegebene BIP-Zuwachs von 2,7 Prozent bestätigt. Während die ungarische Notenbank im Berichtsmonat restriktive Maßnahmen ergriff, senkte die tschechische Notenbank vor dem Hintergrund niedriger Inflationsraten und der Rücknahme des Hauptrefinanzierungssatzes in Euroland erneut die Leitzinsen um 25 Basispunkte auf nunmehr 2,25 Prozent. Der Aktienmarkt konnte hieraus jedoch keinen Nutzen ziehen.
Im Berichtsmonat fanden in Polen und Tschechien die Referenden zum EU-Beitritt statt. Die Wahlbeteiligung lag jeweils über 50 Prozent und in beiden Ländern stimmten rund 77 Prozent der Wähler pro Europäische Union.
Russland und Ungarn bleiben Anlagefavoriten: Die osteuropäischen Aktienmärkte dürften sich ähnlich wie im Vorjahr auch in 2003 erfreulich entwickeln. Neben Ungarn favorisieren wir weiterhin den russischen Aktienmarkt. Gegenüber anderen Emerging-Market-Regionen und vor dem Hintergrund der weltweit schwierigen Konjunkturlage stellt sich die Makrosituation in Russland überdurchschnittlich stabil dar. Nachdem in 2002 ein BIP-Wachstum von 4,3 Prozent erzielt wurde, wird für das laufende Jahr ein ähnlicher Zuwachs von 4,2 Prozent bei einer geschätzten Inflationsrate von 11,5 Prozent prognostiziert. Damit kann sich das Land durchaus sehen lassen, zumal auch die politischen Rahmenbedingungen günstig sind. So dürfte Putin bei der nächsten Präsidentenwahl in seinem Amt bestätigt werden und die Duma wird das begonnene Reformprogramm fortsetzen. Alles in allem kann Russland im nächsten Jahr eine Höherstufung auf ,,Investment Grade" erwarten, wobei die Börse jetzt schon den kommenden Investmentstatus honoriert. Hinsichtlich des Ölpreises gehen wir davon aus, dass das Umfeld volatil bleiben wird, doch rechnen wir nicht damit, dass sich Notierungen unterhalb von 18 - 20 USD pro Barrel in absehbarer Zeit einstellen werden (selbst mit 18 Dollar kann die russische Wirtschaft noch gut leben). Insofern dürften vom Ölpreis per saldo positive Impulse ausgehen. Mit Blick auf den russischen Aktienmarkt finden sich hier im internationalen Vergleich noch recht günstige Bewertungen. Westliche Akquisitionen in russische Ölfirmen sowie steigende Ölförderkapazitäten dürften das Bewertungsniveau jedoch im weiteren Verlauf den anderen Emerging-Markets angleichen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass der russische Aktienmarkt auch in Zukunft noch über attraktives Kurspotenzial verfügen wird. Dies allerdings schließt nicht aus, dass es kurzfristig - gerade nach den gesehenen kräftigen Kurssteigerungen - zu Korrekturbewegungen kommen kann. Diese dürften jedoch in ihrem Ausmaß begrenzt sein, wofür unter anderem die reichlich vorhandene Liquidität spricht, die den Markt auch in Zukunft stützen sollte. Darüber hinaus herrscht weiterhin ein reger ,,News-Flow", der etwa mit Reformprogrammen auf Wirtschafts- und Unternehmensseite auch weiterhin einen positiven Einfluss auf das Marktgeschehen ausüben sollte.
Trotz der jüngsten Währungsturbulenzen stehen wir dem ungarischen Aktienmarkt weiterhin konstruktiv gegenüber, den wir - wie auch die russische Börse - mit ,,übergewichten" einstufen. Sobald sich der Forint eindeutig stabilisiert hat, sind kräftige Leitzinssenkungen seitens der ungarischen Notenbank zu erwarten, die sich günstig auf die allgemeine Wirtschaftssituation des Landes auswirken dürften. Insgesamt ist die Konjunkturentwicklung in Ungarn relativ zu den Nachbarländern mit einem erwarteten BIP-Anstieg von etwas über drei Prozent ansprechend. Weitere Verbesserungen sind angesichts eines geringer werdenden Haushaltsdefizits und niedriger Inflationsraten zu erwarten. Die am Aktienmarkt im osteuropäischen Durchschnitt günstigen Bewertungen sowie erfreuliche Ertragsperspektiven auf Unternehmensseite eröffnen nach wie vor viel versprechende Anlagechancen. In Polen hingegen bleiben wir derzeit noch untergewichtet. Zwar dürfte sich das Wirtschaftswachstum durch eine Erhöhung des privaten Konsums beleben - was allerdings größtenteils in den Kursen eingepreist sein sollte -, doch ist die Situation mit einem für 2003 prognostizierten BIP-Zuwachs von 2,7 Prozent weiterhin verhalten. Auch sind die Bewertungen am Markt sehr hoch, was gegen nennenswertes Aufwärtspotenzial spricht. Mit Blick auf die politische Situation wird die SLD-Minderheitsregierung unpopuläre Reformen nur schwer durchsetzen können. Auch sind Unsicherheiten im Vorfeld der für das zweite Halbjahr zu erwartenden Wahlen nicht auszuschließen.
Quelle: Union Investment
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