Kommentar
12:00 Uhr, 28.02.2007

Optionsscheine: Die Dinosaurier des Hebel-Tradings…

…sind noch nicht ausgestorben, haben aber erheblich an Bedeutung verloren – die Zertifikate und CFDs sind sicherlich „schuld“. In letzter Zeit melden sich die Optionsscheine allerdings langsam wieder zurück. Und das nicht ohne Grund, denn sie haben einen besonderen Charme.
Die alte Garde von Tradern, die in den 80ern und 90ern angefangen hat, blickt vielleicht etwas wehmütig zurück. Damals gab es fast keine andere Möglichkeit, mit Hebel zu spekulieren. Doch der Reihe nach.

Was sind überhaupt Optionsscheine?
Eine Option verbrieft das Recht (aber nicht die Pflicht, im Gegensatz zum Future), einen Basiswert zu einem vorab festgelegten Preis bis zu einem vorab festgelegten Termin zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Standardisierte Optionen mit mehreren abgestuften Basispreisen und Laufzeiten werden an den Terminbörsen gehandelt, z.B. an der Eurex. Als Optionsscheine dagegen bezeichnet man verbriefte Optionen, die von Emittenten begeben und betreut werden. Diese sind dann börsennotiert und/oder werden außerbörslich vom Emittenten gehandelt, der ständig Geld und Briefkurse stellt.
Für den Trader ist einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Option und Optionsschein, dass er eine Option an der Eurex auch leerverkaufen kann, was die Anzahl möglicher Trading-Strategien vergrößert. Bei Optionsscheinen ist das nicht möglich.
Andererseits hat eben nicht jeder Trader einen Zugang zu Terminbörsen oder möchte nicht mit Margin arbeiten, so dass auch Optionsscheine ihre Existenzberechtigung haben. Nicht zuletzt gibt es bei Optionsscheinen eine deutlich höhere Auswahl bzgl. Basiswerten, Basispreisen und Laufzeiten.

Kurzexkurs: Die Black-Scholes-Formel
Lange Zeit gab es Optionen, und man wusste gar nicht so recht, wie man sie bewerten sollte. Denn das ist gar nicht so trivial: Was ist z.B. das Recht wert, eine Aktie, die heute bei 100 EUR notiert, in einem Jahr zu 120 EUR zu erwerben. Manch einer mag vielleicht sogar spontan sagen, das ist doch gar nichts wert, wenn man mehr zahlen muss als die Aktie heute kostet?
Und dennoch muss eine solche Option ja einen – positiven – Wert haben. Denn eine Option ist ein Recht, keine Pflicht. Und besagte Aktie könnte ja in einem Jahr bei 150 EUR stehen, dann ist 120 EUR doch wieder billig.
1973 veröffentlichten Myron Scholes und Fischer Black ihre später (in den 90er Jahren) nobelpreisgekrönte Formel zur Bestimmung des theoretischen Wertes einer Option, die Black/Scholes-Formel. Einflussgrößen sind dabei der Kurs des Basiswertes, der Basispreis, die Restlaufzeit, der am Markt erzielbare risikolose Zinssatz und die erwartete (implizite) Volatilität des Basiswertes (sowie Dividenden).
Gibt man diese Größen in die Formel ein, erhält man einen errechneten theoretischen Wert (fair value) für die Option. Das war damals ein Riesenschritt für die Finanzwissenschaft.
Die Annahmen des Modells sind zum Teil etwas praxisuntauglich, dennoch hat sich Black/Scholes durchgesetzt. Die Formel hier zu erläutern sprengt den Rahmen des Beitrags. Aufgrund diverser Untauglichkeiten wurden weitere Modelle entwickelt, u.a. Cox-Rubinstein, Merton und Galman-Kohlhagen. Wie ein Emittent den fair value ermittelt, bleibt letztlich ihm überlassen. Aufgrund dieser Tatsache und des entscheidenden Einflussfaktors implizite Volatilität kann es sein, dass ausstattungstechnisch völlig identische Optionsscheine je nach Emittent unterschiedliche Preise aufweisen. Hier hilft nur vergleichen, z.B. unter http://www.godmode-trader.de/warrants/overview/

Die implizite Volatilität…
Während alle anderen Einflussparameter in der Black/Scholes-Formel leicht zu ermitteln sind und quasi objektiv gegeben sind, muss der Emittent die implizite Volatilität schätzen. Denn sie ist ja die erwartete Schwankungsintensität, nicht die historische. Und hier scheiden sich die Geister: Wenn Sie Argumentationen zu den Vorzügen von Hebelzertifikaten lesen werden Sie u.a. darauf stoßen, dass dort die erwartete Volatilität in der Preissetzung keine Rolle spielt. Das macht die Kurse sehr viel transparenter. Bei Optionsscheinen kann es z.B. passieren, dass sich von einem auf den anderen Tag die Kurse drastisch ändern, ohne dass sich der Basiswert bewegt hat. Der Emittent hat dann an der Vola geschraubt…
Andererseits ergeben sich durch den Einfluss der Volatilität interessante Trading-Strategien.

Trading-Strategien
Natürlich kann man auch einfach nur einen Optionsschein kaufen und damit auf eine erwartete Auf-oder Abwärtsbewegung spekulieren (Call oder Put) und mit einem schönen Hebel daran partizipieren. Was aber Optionen besonders interessant macht, ist ihre Kombinationsmöglichkeit. Und die mögliche Partizipation an der umstrittenen impliziten Volatilität.
Denn diese kann sich auch zu Ihren Gunsten entwickeln. Eine beliebte Spielart ist es daher, Scheine zu suchen bei denen die implizite Vola besonders niedrig erscheint, bzw. es bei dem Basiswert zu einem Anstieg der Vola kommen könnte. Oftmals laufen ja Charts in Situationen hinein, in denen die Schwankungsintensität um einen bestimmte Marke herum erheblich abnimmt (z.B. bei Dreiecken) und daher in naher Zukunft ein Ausbruch erwartet wird. Doch wohin? Keiner weiß es, und dennoch kann man mit Optionen daran verdienen ohne zu wissen wohin die Reise geht.
Ein Klassiker in dieser Hinsicht ist der Straddle. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Aktie schwankt um die 100 EUR, und die Ausschläge werden immer kleiner. Typisch für ein Dreieck z.B. – die Auflösung steht bevor. Da man nicht weiß wohin die Reise geht, kauft man nun je einen Call und einen Put mit rel. kurzer Laufzeit und identischem Basispreis – 100 EUR. Der Ausbruch erfolgt nun entweder nach oben oder nach unten. Der Charme des Straddle ist: Der eine Schein gewinnt bei entsprechender Intensität des Ausbruchs weit mehr als der andere verliert. Schon alleine deswegen, weil die implizite Volatilität ansteigt. Diese Strategie nennt man long straddle. Mit Eurex-Optionen kann man auch einen short-straddle fahren: Dabei geht man in den zwei Optionen short und spekuliert damit auf einen Rückgang der Volatilität („Volatilität verkaufen“).
Der Straddle ist die wohl bekannteste Options-Strategie. Es sind aber zahllose Variationen denkbar, wobei man jeweils versucht, von verschiedenen erwarteten Szenarien zu profitieren. Beim strangle z.B. werden Optionen auf den gleichen Basiswert, aber mit verschiedenen Basispreisen gehandelt. Der spread kombiniert verschiedene Laufzeiten, etc.
Für eine ausführliche Darstellung der umfangreichen Möglichkeiten greifen Sie bitte auf weiterführende Literatur zurück.

TJ-Fazit:

Optionsscheine haben in der Derivatewelt an Bedeutung verloren, verfügen aber über bestimmte Eigenschaften die Zertifikate nicht haben.
Mit Optionsscheinen kann man neben Variationen des Basispreis-Niveaus auch auf Veränderungen der Volatilitäten spekulieren.
Ein Optionsschein kann innerhalb der Laufzeit nicht wertlos verfallen (im Gegensatz zu Hebel-Zertifikaten).
Der Einfluss der impliziten Volatilität ist – besonders bei Optionen aus dem Geld – überragend und das entscheidende Unterscheidungskriterium zu anderen Derivaten.
Mit Optionen und Optionsscheinen können komplexe Trading- und Anlagestrategien realisiert werden.

Wichtige Begriffe aus dem Optionsschein-Universum

Underlying/Basiswert: Aktie/Rohstoff/Index/Währung etc., auf die sich der Optionsschein bezieht.
Bezugspreis (Strike): Preis, zu dem das Underlying mittels Option erworben/verkauft werden kann.
Volatilität: Schwankungsintensität. Implizite Vola ist die Volatilität, die sich aus dem Preis der Option ergibt, wenn man das Berechnungsmodell (Black/Scholes o.ä.) nach der Komponente Vola auflöst.
Option im Geld/am Geld/aus dem Geld: Am Beispiel eines Calls: Liegt der Bezugspreis unter dem Kurs des Basiswertes, dann ist die Option im Geld. Sind Bezugspreis und Preis des Basiswerts in etwa identisch, ist die Option am Geld. Aus dem Geld ist sie, wenn der Bezugspreis höher liegt als der aktuelle Kurs des Basiswertes.
Amerikanische/europäische Option: Die amerikanische Version kann jederzeit während der Laufzeit ausgeübt werden, die europäische nur am Verfallstag.
Bezugsverhältnis: Gibt an, wie viele Aktien (oder andere Basiswerte) man mittels einer Option beziehen kann bzw. wie viele Optionen man für den Bezug einer Aktie benötigt.
Hebel: Gibt an, um wie viel % der (Call)-OS steigt, wenn der Basiswert um 1% zulegt. Ist entscheidend abhängig vom Delta (s.u.). Beispiel: Ein OS auf einen Basiswert der aktuell 10 EUR kostet ist zu 1 EUR zu haben. Das Delta sei 0,5. Steigt der Basiswert nun um 1% auf 10,10 EUR, dann kostet der OS anschließend 1,05 EUR (0,5*0,10 EUR). Der Hebel ist in diesem Beispiel 5.
Innerer Wert: Aktueller Kurs minus Bezugspreis. Bei Optionen aus dem Geld gibt es keinen inneren Wert.
Zeitwert: Der Teil des Optionspreises, der auf die noch laufende Restlaufzeit zurückgeht. Bei Optionen aus dem Geld ist der Zeitwert daher gleich dem Optionspreis.
Aufgeld: Gibt an, um wie viel der Bezug des Basiswerts teurer ist als beim sofortigen Direktkauf. In sehr seltenen Fällen, bei Optionen weit im Geld, kann es auch ein leichtes Abgeld geben.
Cash settlement: Bei praktisch allen Optionsscheinen ist in den Bedingungen festgelegt, dass der Optionsscheininhaber bei Ausübung nur das Recht auf den Unterschiedsbetrag zwischen Basispreis und Kurs des Underlyings hat, nicht jedoch das Recht die Lieferung zu verlangen (Call) oder selbst zu liefern (Put). Übrigens ein weiterer Unterschied zwischen Optionsscheinen und Optionen an den Terminbörsen.

Die wichtigsten „Griechen“
Delta: Einfluss der Änderung des Basispreises auf den OS-Preis. Liegt zwischen 0 und 1 (calls) oder 0 und -1 (Puts). Beispielsweise steigt der Preis eines Call-OS mit Delta 0,7 um 70 Cent, wenn der Basiswert um 1 EUR steigt.
Gamma: Einfluss der Änderung des Basispreises auf das Delta. Bei einem Gamma von 0,01 steigt das Delta z.B. von 0,7 auf 0,71, wenn der Basiswert um 1 EUR steigt.
Theta: Einfluss des Zeitablaufs auf den OS-Preis. Das Theta ist negativ und wird immer höher, je kürzer die Restlaufzeit des OS ist. Ein Theta von -0,01 würde z.B. einen Wertverlust des OS – unter sonst gleichen Bedingungen – von 1 Cent/Tag bedeuten.
Vega: Einfluss der (impliziten) Volatitilität auf den OS-Preis. Ein Vega von 0,05 z.B. bedeutet einen Anstieg des OS-Preises um 5 Cent, wenn der implizite Volatilität um 1% steigt.

Quelle des Artikels: www.traders-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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