Kommentar
15:00 Uhr, 03.08.2010

Offshore-Windkraft als Chance für den Schiffsbau

800 Teilnehmer zählte die Sechste Deutsche Offshore-Konferenz im Juni dieses Jahres. Im Mittelpunkt stand der erste deutsche Offshore-Windpark Alpha Ventus und die nächsten Offshore-Windenergie-Parks in deutschen Gewässern – Bard Offshore 1 und Baltic 1. Praxisnah wurden die logistischen Herausforderungen bei Installation und Betrieb von Offshore-Windparks diskutiert.

Deutlich wurde: Aufgrund des unbestreitbar enormen Potenzials von Offshore-Windenergie sind mittelfristig tausende Windenergieanlagen in den europäischen Meeren vorgesehen. Dabei treten vor allem die Märkte der Nordseeanrainerstaaten, insbesondere
Deutschland und Großbritannien, in den Vordergrund. Weil Offshore-Windkraft zu boomen beginnt, müssen Kapazitäten in den Bereichen Produktion, Transport, Logistik
und Häfen rasch angepasst werden.

Ende Juli drückte Bundesumweltminister Norbert Röttgen bei Hochsee-Windparks zusätzlich aufs Tempo: Um sicher zu gehen, dass bis Ende 2011 die Investoren für zehn Großprojekte in Nord- und Ostsee feststehen, sollen der Offshore-Branche Staatsbürgschaften gewährt werden. Zudem soll die Frage der Netzanbindung rasch geklärt werden. Röttgen bekräftigte sein Ziel, in zehn Jahren über 10.000 Megawatt und in 20 Jahren mehr als 25.000 Megawatt aus Offshore-Wind zu erzeugen.

Für Reedereien wird Windkraft zum Rettungsanker

Das zunehmende Marktvolumen für Bau, Transport, Installation und Vernetzung von Offshore-Windenergieanlagen kommt den von der Weltwirtschaftskrise gebeutelten Reedereien gerade recht. Wegen des dramatischen Einbruchs bei der Containerschifffahrt mussten allein sechs deutsche Werften bereits Konkurs anmelden. Für die Betriebe, die durchhalten wollen, werden Aufträge aus dem Bereich Offshore-Windenergie zum zweiten Standbein neben dem klassischen Schiffsbau. „Alle deutschen Werften“ – heißt es in einer Meldung des Deutschen Bundestags von Anfang Mai 2010 – „setzen inzwischen auf den Spezialschiffbau und nicht mehr auf den Bau von Containerschiffen.“ Der Run um die schnellsten Stapelläufe hat bereits begonnen, denn die ersten Reeder, die mit den dringend benötigten Spezialschiffen am Markt sind, können happige Anfangsraten einstreichen.

So hat der Logistikdienstleister Beluga Hochtief Offshore vor wenigen Wochen ein erstes Spezialschiff zum Bau von Offshore-Windkraftanlagen vorgestellt. „Die Branche braucht dringend solches Großgerät, um die ehrgeizigen Wachstumsziele erreichen zu können“, weiß Carsten Heymann, Beluga-Geschäftsführer. Insgesamt vier Schiffe sind geplant; sie ermöglichen die Montage von Offshore-Anlagen von über 100 Meter Höhe. Rund 200 Mio Euro kostet jeder einzelne dieser Ozeanriesen. In Planung sind auch zwei Kabelleger sowie weitere Offshore-Versorgerschiffe.

Um die Finanzierung dieser neuen Schiffe zu stemmen, hat sich Beluga Shipping den US-Finanzinvestor Oaktree Capital Managment an Bord geholt. Das US-Unternehmen hat zugesagt, einen dreistelligen Millionenbetrag bei dem Weltmarktführer im Schwergut- und Projektgeschäft zu investieren. Im Gegenzug erhält Oaktree einen Minderheitsanteil an der Beluga-Flotte mit derzeit 69 Schiffen.

Auf den US-Finanzinvestor hat Beluga zurückgegriffen, weil Banken für neue Schiffsprojekte kaum noch zu gewinnen sind. Auch das lange erfolgreiche Modell von Beteiligungsfonds für Privatanleger, mit dem das Eigenkapital für Schiffe finanziert wurde, ist nach Auskunft des Beluga-Chefs nicht nur zum Erliegen gekommen, sondern „praktisch tot“.

Baukosten von 200 Mio Euro: Errichterschiff des Logistikdienstleisters Beluga.
Dabei lässt die anziehende Nachfrage nach spezialisierten Großschiffen schon heute gute Geschäfte erwarten. Neben vielen Projekten in europäischen Gewässern haben die Bauarbeiten am ersten deutschen kommerziellen Windpark Ende März 2010 begonnen: Im Rahmen von Bard Offshore 1 sollen in diesem Jahr 50 von 80 Anlagen rund 90 Kilometer nördlich der Insel Borkum errichtet werden. Die Bard-Gruppe als Offshore-Windanlagenbauer will in den kommenden Jahren drei lose zusammenhängende Windparks in der Nordsee mit 205 Anlagen errichten. Das kürzlich fertiggestellte Spezialschiff „Wind Lift 1“ kommt in diesem Zusammenhang zum Einsatz: Das im litauischen Klaipeda gebaute und in den Emder Nordseewerken ausgerüstete Schiff, eigentlich eine Arbeitsplattform, ist 104 Meter lang und kann vier 70 Meter lange Stelzen absenken und sich damit am Meeresgrund aufbocken. Der auf dem Hauptdeck installierte Kran mit einer Hakenhöhe von 121 Metern hebt Lasten bis zu 500 Tonnen.

Nach Besitzerwechsel sehen sich Nordseewerke in ruhigerem Fahrwasser

Für die Nordseewerke im ostfriesischen Emden ist der Offshore-Boom im wahrsten Sinne des Worte die Rettung: ThyssenKrupp hat angesichts des dramatischen Nachfragerückgangs bei Containerschiffen die Werft nicht zugemacht, sondern verkaufen können. Seit Oktober 2009 lässt der rheinland-pfälzische Windanlagenhersteller Siag Schaaf Industrie AG Stahlrohrtürme für Offshore-Anlagen bauen. 40 Mio Euro sollen in den Standort investiert werden, damit zusätzlich auch Offshore-Gründungsstrukturen für Windräder und Plattformen für Umspannstationen auf See hergestellt werden können. „Ab 2012 werden wir einen richtigen Boom bei der Offshore-Windkraftnutzung erleben“, verheißt Siag-Chef Rüdiger Schaaf.

Verladestation im Blexer Bogen: In Bremerhaven soll bis 2014 von privaten Investoren ein Drehkreuz für Offshore-Windanlagen in der Nordsee gebaut werden.
Mit Siag Schaaf Industrie hat der Emder Hafen sein Image als Offshore-Schmiede weiter ausgebaut. Die Bard-Gruppe montiert hier Gondeln und Flügel für Offshore-Windanlagen. Windkraftanlagenbauer Enercon lässt in einem eigenen Werk, das vor der Erweiterung steht, Betontürme fertigen.

Auch die angeschlagene Wismarer Werft Nordic Yards kann aufatmen: Anfang Juli hat sie einen ersten Auftrag aus der aufstrebenden Offshore-Windenergie-Branche an Land gezogen. Siemens Energy hat eine Offshore-Plattform für das Projekt „BorWin2“ des deutschen Übertragungsnetzbetreibers transpower bestellt. Am Standort Warnemünde soll die komplette Umrichterstation „BorWin beta“ gebaut und elektrisch ausgerüstet werden, bevor sie dann in der Nordsee installiert wird. Im Frühjahr 2011 sollen die Fertigungsarbeiten in Warnemünde beginnen. „Offshore ist ein Kernelement unserer Unternehmensstrategie“, betont Werfteigner Vitaly Yusufov. „Wir stärken damit nachhaltig den Standort Warnemünde.“

Schlepperbetriebe werden vom Offshore-Boom mitgezogen

Vom Offshore-Boom profitieren jedoch nicht nur Schiffsbauer, sondern auch Schlepperbetriebe wie die traditionsreiche Otto Wulf GmbH & Co. KG. Im Juni hat die Bard-Gruppe mit dem Schlepperbetrieb einen Vertrag über die Bereederung ihrer Errichterplattform „Wind Lift 1“ geschlossen. Wulf stellt die Besatzung des Schiffes und betreut außerdem die komplette Logistik und Versorgung vom Ersatzteil bis zum Proviant. „Wir werden mindestens 16 Leute einstellen und verdoppeln unsere Bürofläche“, kündigte Firmenchef Andreas Wulf an.

Doch auch die Spezialausrüster für die Offshore-Branche sind nicht vor Konkurrenz gefeit. RWE hat kürzlich einen ersten 100-Mio-Auftrag für Spezialschiffe zur Errichtung von Offshore-Windparks an die südkoreanische Werft Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering Co, Ltd vergeben. Die Fertigstellung des ersten Schiffes ist für 2011 vorgesehen. Die Hoffnungen der deutschen Werftarbeiter werden auf die Probe gestellt.

Mehr über die Investitionsmöglichkeiten in Offshore-Windkraftprojekte lesen Sie in der kommenden Ausgabe unserer Newsletter-Publikation "Nachhaltigkeit & Investment", die am 15. August erscheint. Den Newsletter können Sie unter www.godmode-trader.de/service/newsletter/b2c kostenlos abonnieren.

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