Kommentar
06:55 Uhr, 13.01.2016

Ölpreisverfall: Krise durch massenhafte Kreditaufälle?

In den USA stehen gerade 450 bis 650 Mrd. Dollar im Feuer. Das ist erschreckend viel Geld.

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Von den 450 bis 650 Mrd. handelt es sich zu 50 % um Kredite, die Ölfirmen bei Banken aufgenommen haben. Die andere Hälfte wurde in Form von Anleihen begeben. Das ist ziemlich viel Geld, wenn man bedenkt, dass die Ölindustrie gerade in einer der schwersten Krisen seit Jahrzehnten steckt.

Die genaue Höhe der Kredite ist nicht bekannt. Viele kleinere Ölfirmen sind nicht an der Börse gelistet. Aus diesem Grund ist es schwierig, genaue Zahlen zu bekommen. Bekannt ist allerdings, dass gelistete Unternehmen derzeit 230 Mrd. an Krediten laufen haben. Bekannt ist auch das Volumen an ausstehenden Anleihen mit Ratings im Non-Investment Grade Bereich. Es liegt bei gut 200 Mrd.

Viele kleine Firmen sind hoch verschuldet, doch der Absolutbetrag, der dabei im Feuer steht, ist gering. Das täuscht nicht darüber hinweg, dass die genauen Summen einfach nicht bekannt sind. Einem etwas älteren Bloomberg Bericht zufolge soll der Gesamtbetrag der Schulden bei 550 Mrd. liegen. Andere Quellen gehen von 900 bis 1.000 Mrd. aus.

Welcher Betrag nun auch stimmen mag - die Summen sind gigantisch und es ist erschreckend, wie viel Geld beim derzeitigen, weltweiten Preiskampf auf dem Spiel steht. Vermutlich sind es solche Zahlen, die viele in Panik versetzen. Noch viel erschreckender ist, dass diesen Schulden, die in den USA liegen, nur 100 Mrd. Dollar Umsatz gegenüberstehen.

Die USA fördern derzeit 9,2 Mio. Barrel Öl am Tag. Bei einem Preis von 30 USD macht das pro Jahr einen Umsatz von 100 Mrd. Wie sollen diese Schulden jemals wieder zurückgezahlt werden?
Die Rückzahlung der Schulden erscheint unwahrscheinlich. Da ist es umso bemerkenswerter, dass bisher nur 13 Mrd. an Schulden tatsächlich ausgefallen sind.

Zum einen erklärt sich die Resistenz des Sektors damit, dass viele Unternehmen nicht nur Öl fördern, sondern es auch weiterverarbeiten und vermarkten. In diesem Prozess wird viel Marge hinzugefügt und bläht den Umsatz von 100 Mrd. auf über 300 Mrd. auf.

Ein Teil der Schulden wird trotzdem nicht zurückgezahlt werden können. Kleinere Unternehmen, die überhaupt nicht über die Wertschöpfungskette diversifiziert sind, haben im derzeitigen Umfeld nur eine geringe Überlebenschance. Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge könnten bis zu einem Drittel aller Ölförderer in den USA bis Mitte 2017 in die Insolvenz gehen.

Kommt es wirklich dazu, dann müssen sich Banken und Investoren auf den Verlust von 120 bis 300 Mrd. einstellen. Das ist eine ungeheuerliche Summe über die sich viele Sorgen machen. Persönlich kann ich diese Sorgen nachempfinden, man muss die Zahlen allerdings in die richtige Perspektive setzen. Zum Vergleich: als in den USA die Immobilienpreise 2007 zu sinken begannen, waren ca. 10 Billionen an Immobilienkrediten ausständig. Selbst den höchsten Schätzungen zufolge sind es heute 10 % davon.

Einige Investoren und Manager sind weiterhin optimistisch. Vermutlich handelt es sich um Zweckoptimismus. Vielleicht ist es auch einfach nur Ignoranz. Es werden hohe Summen ausfallen, es wird nach den 30 bereits erfolgten Insolvenzen in dem Sektor viele weitere geben. Diese Zahlen sind nicht schön, aber auch nicht erschreckend genug, dass man sich um das Wohl der USA Sorgen machen muss.

Ein Großteil der finanziellen Verluste sollte an den Märkten inzwischen eingepreist sein. Die Aktienkurse von Ölfirmen selbst sind dabei nur ein Aspekt. Investoren preisen gerade die höheren Kreditausfälle in Bankaktien ein. Der Chart anbei zeigt den Kurs der Cullen Frost Bank. Sie ist mit über 10 % ihres Kreditportfolios im Ölsektor engagiert. Die Aktie hat seit Beginn des Ölpreisverfalls 36 % verloren. Etwas tiefer wird es noch gehen.

CullenFrost Bankers Inc
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Kleinere, regionale Banken dürften der Insolvenz nicht entkommen. Auch hier darf man sich nichts vormachen. Eine ausgewachsene Krise für den Finanzmarkt lässt sich nicht erkennen. Dafür sind die Beträge einfach nicht groß genug - so absurd das erscheinen mag.

An der Seitenlinie des ganzen Spektakels stehen übrigens bereits über 100 Mrd. Dollar und warten auf Insolvenzen. Private Equity Unternehmen, große Einzel- und institutionelle Investoren warten darauf Assets zu hohen Abschlägen aus der Insolvenzmasse kaufen zu können. Sobald die Goldgräberstimmung vorbei ist, beginnt der neue Goldrausch.

Das dürfte vor allem anderen Ländern und der OPEC gar nicht gefallen. Ihre Hoffnung ist, dass Insolvenzen die US Ölproduktion nachhaltig drücken. Diese Hoffnung wird sich nicht bewahrheiten. Es wird eine Delle in der Produktion geben, wenn es zu Insolvenzen kommt. Die Unternehmen, die restrukturiert werden müssen, können sich durch eine Insolvenz von ihren Schulden befreien und entweder eigenständig oder unter komplett anderen Eigentümern unbelastet von Schulden wieder von vorne beginnen.

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Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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