Kommentar
11:49 Uhr, 23.12.2015

Ölpreis: Kommt kein Rebound mehr?

Der Klimagipfel in Paris (COP21) bringt die Ölindustrie gehörig unter Druck. Halten sich die Staaten an die Beschlüsse aus Paris, dann ist der Öltrade vorbei, oder nicht?

  • Die Decarbonisierung der Weltwirtschaft ist langfristig nicht aufzuhalten. Der Klimaschutz dominiert dabei argumentativ.
  • Die meisten fossilen Rohstoffe werden wahrscheinlich gar nicht mehr gefördert.
  • Die gesamte Branche ist in Verruf geraten und Investoren ziehen sich zurück.
  • So ergeben sich aber auch antizyklische Einstiegschancen.
  • Vorbild könnte die Tabakbranche sein .

Das Ende der fossilen Brennstoffe

Der Klimagipfel von Paris hat geschafft, was viele für unmöglich hielten. Der Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter soll auf 1,5° bis 2° begrenzt werden. Das bedeutet vor allem für Kohle- und Ölunternehmen große Einschnitte. Der Verbrauch von Kohle und Öl darf nun eigentlich nicht mehr steigen, sondern muss in den kommenden Jahren sogar sinken. Gemessen an der bestehenden Überproduktion ist ein Rückgang der Nachfrage das Letzte, was Ölunternehmen verkraften können.

Der Energieverbrauch der Welt wird auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Grafik 1 zeigt die Prognosen bis 2035. Ohne die Beschlüsse aus Paris wäre der Verbrauch einfach linear weiter gestiegen. Ein mögliches Szenario im Gegensatz dazu ist das NPS (New Policy Scenario). In diesem Fall steigt der Energieverbrauch langsamer an als derzeit. Beschlossen wurde nun das 450 Szenario. Hierbei soll die Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre auf 450 Teilchen pro Millionen begrenzt werden. Gelingt dies, dann sollte der Temperaturanstieg auf 2° begrenzt werden können.

Der wachsende Energieverbrauch wird ausschließlich durch nicht-fossile Brennstoffe gedeckt. Es handelt sich dabei allerdings nicht ausschließlich um erneuerbare Energie aus Wasser- oder Windkraft sowie Solarenergie, sondern auch um Nuklearenergie. Ob das wirklich nachhaltiger ist, sei dahingestellt. Das Wachstum der Nuklearenergie scheint jedenfalls ausgemachte Sache zu sein. China hatte im Oktober angekündigt bis 2030 gut 100 neue Atomkraftwerke zu bauen und dafür viel Geld in die Hand zu nehmen.

Fossiler Brennstoff ist de facto am Ende. Der Verbrauch muss sinken. Gleichzeitig hat die Welt so viele bekannte Reserven wie noch nie zuvor. Ein Großteil dieser Reserven darf gar nicht verwendet werden, wenn die COP21 Beschlüsse umgesetzt werden.

Der Weg hin zu mehr erneuerbarer Energie und weg von fossilen Brennstoffen ist beschlossen. Das allein schon wird Unternehmen unter Druck setzen und das Überangebot auf dem Öl-, Gas- und Kohlemarkt zum Dauerzustand werden lassen. Aktivisten rufen Investoren dazu auf, gar nicht mehr in diesen Bereich zu investieren. Viele prominente Beispiele gibt es inzwischen dafür.

Die Allianz hat Ende November angekündigt, laufende Beteiligungen an Kohleunternehmen abzubauen. Aktien werden verkauft, Anleihen werden auslaufen und die frei werdenden Gelder nicht in den Sektor reinvestiert. Insgesamt soll Allianz 4 Mrd. Euro im Kohlesektor investiert haben.

Bereits im Sommer haben sich 2.000 Einzelinvestoren und 400 Unternehmen mit einem Gesamtvermögen von 2,6 Billionen Dollar dazu bekannt, ihr Geld nicht mehr im Bereich fossiler Brennstoffe zu investieren. Dazu gehören viele Pension- sowie Staatsfonds. Etwas ironisch ist die Beteiligung des norwegischen Staatsfonds an dieser Aktion, da genau dieser Fonds erst durch die Gewinne des norwegischen Ölsektors ermöglicht wurde.

Wo auch immer man derzeit hinsieht, der Sektor hat Probleme. Immer mehr Investoren kehren der Branche den Rücken zu. Investitionen lassen sich zukünftig schwieriger finanzieren. Gleichzeitig sollte die Nachfrage nach Kohle und Öl sinken. Bis 2035 müsste der Verbrauch um gut 10% zurückgehen. Das Überangebot an Öl könnte sich dadurch noch verschärfen und Ölpreise auf viele Jahre niedrig halten.

Die Zeichen, dass sich mit fossilen Brennstoffen keine großen Gewinne mehr erzielen lassen werden verdichten sich. Die ganze Branche ist zum „Ausgestoßenen“ erklärt worden. Keiner will mehr mit fossilen Brennstoffen zu tun haben. Kann man als Anleger unter diesen Umständen überhaupt noch in entsprechende Unternehmen investieren? Lässt sich mit Öl und Kohle in Zukunft überhaupt noch Rendite erzielen?

Geht es nach dem aktuellen Trend, der medialen Aufmerksamkeit und dem Urteil der Medien, dann ist das eine rhetorische Frage. Die Zeit der fossilen Brennstoffe ist vorbei. Umsatz und Gewinn werden sinken. Wenn es ganz schlimm kommt, dann werden Unternehmen zu Strafzahlungen verdonnert. Derzeit laufen in den USA Gerichtsverfahren, die von Ölunternehmen Entschädigung für den Klimawandel fordern.


Big Oil: Parallelen zu Big Tobacco?

Das ganze erinnert ein wenig an die 90er Jahre, als jegliches Investment in "Big Tobacco" verpönt war. Tabakunternehmen wurden aus vielen Fonds verbannt und als Investment nicht mehr in Erwägung gezogen. Die Argumentation dahinter war nachvollziehbar. Einerseits galten Tabakfirmen als unmoralisches Investment, anderseits begann der weltweite Kampf gegen das Rauchen. Für Anleger war klar: ein Investment kann sich gar nicht mehr lohnen. Umsätze und Gewinne würden sinken, weil weltweit weniger geraucht wird. Gleichzeitig sollten immer weniger Anleger in den Bereich investieren, was die Kurse niedrig halten sollte. Soweit die Theorie.

In der Praxis geht es Tabakunternehmen blendend. Grafik 2 zeigt Altria Group, Reynolds American und Imperial Tobacco. Die Kurse wurden normiert und per 1.6.1999 auf 100 festgelegt. Seitdem haben diese Unternehmen pro Jahr im Durchschnitt knapp 20% Kursgewinn verzeichnet. Zum Vergleich: ein Investment in den S&P 500 hätte 3% pro Jahr gebracht.

Dieses Phänomen muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der Branche wurde vorausgesagt, dass Umsatz und Gewinn nur noch schrumpfen können und die Branche von Investoren gemieden werden wird. Weder das eine noch das andere ist eingetroffen. Die Aktien von Tabakunternehmen gehörten zu den besten Investments der letzten 2 Jahrzehnte.

An der guten Performance konnte nicht einmal die Tatsache etwas ändern, dass die großen Tabakfirmen über einen Zeitraum von 25 Jahren insgesamt 256 Mrd. USD Strafe in den USA zahlen müssen. Dieser Rekordvergleich wurde vor gut 10 Jahren erzielt. Seitdem zahlen die Unternehmen Jahr um Jahr 10 Mrd. aus ihren Kassen an den Staat.

Auch die extremen Preissteigerungen der Produkte durch immer höhere Steuern haben den Gewinnen der Unternehmen nicht geschadet. Ihnen ist das vollkommen Unmögliche gelungen: sie wuchsen unter den schwierigsten Bedingungen deutlich schneller als der Gesamtmarkt.

Das muss nun nicht zwangsweise bedeuten, dass Big Oil nun auch eine großartige Performance generieren wird. Generell lassen sich die Parallelen jedoch kaum leugnen. Die Welt ist von Öl trotz aller Bemühungen so abhängig wie nie. Trotz aller COP21 Ziele wird sich das auf Sicht mehrerer Jahrzehnte nicht ändern. Die derzeit niedrigen Preise werden früher oder später zu einer Konsolidierungswelle führen. Die Marktmacht großer Unternehmen wird noch größer. Ölpreise werden vermutlich langfristig wieder deutlich anziehen und die Margen der Produzenten drastisch steigen lassen. Ebenso wird der momentane Druck auf die Branche (hoffentlich) dazu führen, dass sie sich diversifiziert. Firmen wie Exxon schreiben noch immer 15 Mrd. USD Gewinn pro Jahr. Das ist viel Geld, welches investiert werden kann. Beginnen diese Unternehmen sich nicht mehr allein als Ölunternehmen, sondern als Energieunternehmen zu verstehen und beginnen auch andere Energiequellen zu erschließen, dann ist die Zukunft gar nicht so düster wie sie derzeit erscheint.

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2 Kommentare

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  • Lumpazi
    Lumpazi

    Die Politik der ,,Decarbonisierung der Weltwirtschaft" beruht ja auf der Annahme, dass der Klimawandel menschengemacht sei.

    Diese Annahme stellt die Mehrheits m e i n u n g der Wissenschaftler dar, die sich im Weltklimarat durchgesetzt haben. Dagegen gab es von Anfang an Widerspruch, unter anderem von über 80 Nobelpreisträgern. Und es gibt ihn immer noch. Nur nicht medienwirksam.

    Die Gegenthese besagt, dass die kosmische Strahlung, beeinflusst vom Magnetfeld der Sonne, für die Wolkenbildung auf der Erde die Hauptverantwortung trägt und Wasserdampf das entscheidende Klimagas sei. Wenn also die Gegenthese zutreffen sollte, dann könnte der zurzeit zu beobachtende starke Rückgang der Sonnenfleckenaktivität zu einer Periode der Abkühlung auf der Erde führen.

    Was dann Decarbonisierung? Was dann Öl- und Gaspreis?

    12:50 Uhr, 06.01. 2016
  • Schuby
    Schuby

    Die Welt kann nicht ohne Öl und Gas, daran wird "irgendein" Beschluss nichts ändern. Und wie Sie schrieben, auch die großen Player können Ihre Geschäftsfelder "erweitern"...die Kohle dafür ist da.

    Totgesagt leben länger....

    In 3 Jahren lesen wir hier vom super teuren Öl, da dieser "Crash" gerade das Fundament für die nächste Höchstkurse beim Öl legt...investitionen werden gestoppt, Firmen werden pleite gehen - diese fehlenden Kapazitäten kann man nicht einfach von heute auf Morgen wieder anzapfen. Vll. knallt es geopolitsch noch irgendwo (medienwirksam) und ruck zuck geht der Preis durch die Decke, verstärkt durch Spekulanten.

    15:04 Uhr, 23.12. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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