Kommentar
16:26 Uhr, 19.10.2004

Ölpreis hält Märkte in Bann

Die dritte Woche in Folge schlossen die US-Aktienmärkte im Minus und alle drei großen Indizes gaben nach. Ungeachtet der zu Wochenbeginn vorherrschenden Zuversicht in besser als erwartete Quartalszahlen nahmen die Bedenken in puncto Konjunkturabschwächung zu. Ausschlaggebend war der anhaltend hohe Ölpreis, der Einbruch bei den Rohstoffpreisen und die insgesamt schwachen Konjunkturdaten. Der Rückgang bei den Hypothekenkreditanträgen und dem Verbrauchervertrauen sowie die steigende Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung und die Ausweitung des Handelsdefizits sorgten dafür, dass sich die schlechte Stimmung, ausgelöst durch die enttäuschenden Beschäftigungszahlen, weiter eintrübte. Abgefedert wurden die Verluste etwas durch die starken Einzelhandelsumsätze vom Freitag in Verbindung mit Äußerungen Greenspans, der Ölpreis würde das Wirtschaftswachstum nicht verlangsamen.

In der durch einen Feiertag verkürzten Woche fielen die japanischen Aktienmärkte zurück. Neue Rekorde beim Ölpreis und die ins Taumeln geratenen Rohstoffpreise schickten die Märkte auf Talfahrt. Obwohl japanische Firmen etwas durch die Stärke des Yen gegenüber dem Dollar geschützt sind, dürften die höheren Kraftstoffpreise den Exporteuren zusetzen, denn sie bremsen die Verbraucherausgaben und die Unternehmensgewinne in den USA. Zu den veröffentlichten Konjunkturdaten gehörte auch die nach unten korrigierte Industrieproduktion im August.

Kursabschläge gab es auch an den europäischen Aktienmärkten, angeführt von Chemiefirmen, Autobauern und Versicherern. In 16 der 18 westeuropäischen Märkte gaben die Leitindizes nach, der deutsche DAX schloss mit einem Minus von 2,3% und der französische CAC 40 notierte um 1,8% leichter. Die ZEW-Umfrage unter Anlegern schwächte sich ebenso wie die französische Industrieproduktion stärker ab als erwartet. Der FTSE 100 aus Großbritannien musste Einbußen von 1,6% hinnehmen, denn die Untersuchungen des Generalstaatsanwalts Eliot Spitzer bei US-Versicherern hatten auch der britischen Branche Verluste beschert. Schwach fielen die Zahlen zum Verbraucherpreisindex aus, das durchschnittliche Gewinnwachstum überstieg jedoch die Erwartungen des Konsens' und stützt damit die Einschätzung, dass der Markt die Zinsentwicklung zu negativ einschätzt, denn inzwischen stagnieren die Lohnstückkosten.

Die Angst vor einer Wachstumsabschwächung in China ließ die Metallpreise sinken, die wiederum einen Rückgang an den Märkten in der Region Asien-Pazifik auslösten. Unternehmen wie Aluminium Corp und der Kupferproduzent Jiangxi erlitten Kursverluste von 11%. In Südkorea gab der Kospi-Index um 4,5% nach als Reaktion auf Samsungs Ankündigung, man werde beim Betriebsergebnis nicht mit den Schätzungen der Analysten Schritt halten können.

In Lateinamerika sah Brasilien eine Abkühlung, da Sorgen bezüglich brasilianischer Exporte bei einer sich abschwächenden weltweiten Wirtschaft aufkamen. An den Märkten des Emerging Europe brachen russische Aktien angeführt von Yukos ein, da man befürchtet, dass die Regierung Vermögenswerte des Unternehmens verkaufen könnte, um die Steuernachforderungen einzutreiben.

An den Staatsanleihemärkten sanken die Renditen auf US-Treasuries, denn der Rekordölpreis heizte die Spekulation über eine Verlangsamung der Zinserhöhungen durch die US-Notenbank an. Weiter eingetrübt wurden die schwachen Wirtschaftsdaten durch die Ausweitung des Handelsdefizits und den Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung. Abgebremst wurde der Rückgang durch die Äußerungen Greenspans vom Freitag.

An den Devisenmärkten verbilligte sich der US-Dollar gegenüber dem Euro, denn die hohen Energiekosten und die Ausweitung des Handelsdefizits verringerten die Nachfrage. Am Freitag schließlich brach der US-Dollar aus seiner jüngsten Handelsbandbreite gegenüber dem Euro aus.

Derweil setzte der Ölpreis seinen Anstieg an den Rohstoffmärkten fort und die Rohölsorte Brent verteuerte sich bis zum Wochenschluss um 2,6% trotz des Rückgangs zur Wochenmitte. Angeführt von den Kupfer- und Aluminiumpreisen gaben die Metallpreise insgesamt wegen der befürchteten Abkühlung in China nach. Aus einem zuvor veröffentlichten Bericht ging hervor, dass der Kupferverbrauch in China im Juli um 21% gegenüber dem Vorjahr abgesackt ist.

Ölpreis hält Märkte in Bann

Letzte Woche drehten die Gewinnkorrekturen weltweit in den negativen Bereich, denn Europa und Japan schlossen sich dem Trend in den USA an, wo weitere Gewinnkorrekturen nach unten (Downgrades) gemeldet wurden. Mit neuerlichen Downgrades von mehr als 30% in den USA wird der Durchschnitt des dritten Quartals so langsam aber sicher überschritten. Am härtesten trifft es die Finanz- und Technologiebranche, in der die meisten Gewinnkorrekturen nach unten erfolgten, gefolgt von den Branchen Verbrauchsgüter und konjunkturabhängige Konsumgüter. Selbst dem Positivtrend in der Werkstoffbranche sowie den dortigen Gewinnkorrekturen nach oben scheint die Luft auszugehen. Diese Entwicklung ist vermutlich auf den Abwärtsdruck der letzten Woche auf die Metallpreise zurückzuführen, die damit wohl auf die Abschwächung der Nachfrage in China und das Schließen umfangreicher spekulativer Long-Positionen reagierten.

Auch in der letzten Woche hielt die Ölpreisentwicklung die Märkte in Atem. Zwar sind steigende Energiekosten, angeführt von einer über dem Trend liegenden Nachfrage, eine völlig normale Begleiterscheinung eines Konjunkturaufschwungs. Inzwischen aber ist klar, dass auch Versorgungsengpässe den Ölpreis stärker als erwartet angeheizt haben. Zurzeit ist die Reservekapazität der OPEC-Länder mit 650.000 Barrel pro Tag verschwindend gering. Sie liegt damit unter dem Stand in den Zeiten der Ölkrise in den 70er Jahren. Zusätzlich haben die Wirbelstürme im Golf von Mexiko Förderanlagen beschädigt und die Tagesproduktion um 500.000 Barrel sinken lassen. Es wird wohl 3-6 Monate dauern, bis die Schäden beseitigt sind. Nur wenn sich die globale Wirtschaft spürbar abschwächt und die Nachfrage entsprechend sinkt, ist mit einer Stabilisierung des Ölpreises bei unter 40 US-Dollar in den kommenden sechs Monaten zu rechnen. Mittelfristig halten wir allerdings nach wie vor einen Ölpreis von 30 - 40 US-Dollar je Barrel für realistisch.

Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)

Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt rund 500 Mrd. US-Dollar (per 31. Dezember 2003). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.

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