Kommentar
08:30 Uhr, 07.05.2015

Öl-Service-Unternehmen: Der Markt übertreibt

Die ersten Zahlen der Ölunternehmen für das erste Quartal 2015 sind veröffentlicht. Dabei zeigt sich eine klare Tendenz: Öl Serviceunternehmen wurden zu stark abgestraft.

Erwähnte Instrumente

  • National Oilwell Varco Inc. - WKN: 903541 - ISIN: US62955J1034 - Kurs: 54,52 $ (NYSE)

Die Aktien von Ölproduzenten wie Exxon, BP und Shell wurden vergleichsweise wenig abgestraft. Die Aktie von Exxon verlor in der Spitze 20% vom Hoch 2014 bis zum Tief 2015. Einige Kurse erreichten bereits wieder neue Hochs, wobei es dabei zugegebenermaßen auf die Währung ankommt. Die Aktie von BP steht in Originalwährung (britisches Pfund) noch 10% unter dem Hoch aus 2014. Hätte man die Aktie nicht in London, sondern in Frankfurt in Euro gekauft, dann wäre der Kurs wieder dort, wo er vor dem Ölpreissturz stand. Kurzzeitig erreichte die Aktie sogar ein Plus gegenüber dem Hoch aus 2014. Das liegt allerdings rein am Effekt des Eurowechselkurses.

Lässt man die Währungsspielereien einmal außen vor, dann zeichnet sich eine klare Tendenz ab. Die Aktien von Ölproduzenten haben sich gut gehalten. Grafik 1 zeigt wie viel die Aktien beim letzten und beim aktuellen Ölpreiscrash verloren haben. Im Durchschnitt verloren die Aktien 2008/09 doppelt so viel an Wert wie in der aktuellen Phase.

Bei Ölserviceunternehmen sieht die Sache etwas anders aus. Hier verloren sie dieses Mal ebenfalls weniger als 2008/09. Der Faktor beträgt jedoch nicht 2 wie bei den Produzenten, sondern 1,4. Die Aktie von Shell verlor 2008/09 48%. Im aktuellen Umfeld hat sie lediglich 20% verloren. Sie verlor 2008 im Verhältnis also 2,4 Mal so viel wie jetzt.

Bei den Ölserviceunternehmen gibt es zwei Kategorien. Auf der einen Seite gibt es die großen diversifizierten Unternehmen wie Schlumberger und National Oilwell Varco. Auf der anderen Seite gibt es die spezialisierten Unternehmen wie Transocean. Die erste Gruppe von Unternehmen bietet Services über den ganzen Upstream (Förderung) Bereich. Die zweite Gruppe hat sich auf bestimmte Bereiche der Upstream Aktivitäten spezialisiert. Die spezialisierten Unternehmen wurden stärker abgestraft als die breiter aufgestellten Unternehmen. Im Durchschnitt wurden jedoch alle Unternehmen stärker abgestraft als die Produzenten.

Mit den ersten Ergebnissen für das erste Quartal zeigt sich, dass der Markt hier versagt hat. Die Ölproduzenten wurden zu wenig, die Serviceunternehmen zu viel abgestraft. Ölproduzenten verlieren sehr viel mehr an Umsatz und Gewinn als die Serviceunternehmen. Das lässt sich relativ einfach erklären. Der Ölpreis wirkt bei Produzenten auf Umsatz und Gewinn sofort. Serviceunternehmen haben dagegen mit ihren Kunden langfristige Verträge, sodass sich niedrigere Ölpreise nicht so schnell in den Bilanzen zeigen.

Als Anleger muss man befürchten, dass sich der niedrigere Ölpreis vielleicht noch nicht jetzt in seiner vollen Tragweite in den Zahlen widerspiegelt, sondern erst Mitte oder Ende 2015. Das kann sein, muss aber nicht. Die Serviceverträge laufen oft mehrere Jahre. Bis es soweit ist, dass die Verträge nicht erneuert werden, steht der Ölpreis für gewöhnlich wieder auf einem normalen Niveau. Die Folge: es geht für die Serviceunternehmen weiter wie gehabt.

Natürlich sinken Umsatz und Gewinn in einer Phase niedriger Ölpreise trotzdem. Es laufen Verträge aus, es wird nachverhandelt, es kommt weniger neues Geschäft rein. Unterm Strich trifft das die Firmen jedoch vergleichsweise weniger hart als die Produzenten. Ölproduzenten müssen Gewinneinbußen von 40, 50 oder gar 70% hinnehmen. Bei den Serviceunternehmen sind es häufig nur 20 bis 40%. Trotzdem werden sie an der Börse mehr abgestraft als die Produzenten. Das macht wenig Sinn.

Beispielhaft sei hier National Oilwell Varco (NOV) genannt. NOV hat bereits Zahlen vorgelegt. Der Gewinn sank im ersten Quartal auf 466 Mio. Das ist ein Drittel weniger als Ende 2014 und 12% weniger als vor einem Jahr. Im gesamten vergangenen Jahr verdiente NOV 2,5 Mrd. USD. Auf Basis des ersten Quartals 2015 lässt sich erahnen, dass der Gewinn in diesem Jahr bei 1,5 bis 1,7 Mrd. stehen wird. Der Gewinnrückgang wird zwischen 30 und 40% betragen. So ähnlich war es auch 2008/09.

Geht man davon aus, dass die derzeitige Entwicklung ähnlich verläuft wie 2008/09, dann ist 2015 der Boden erreicht. Danach sollte die Ertragskraft wiederhergestellt sein. Auf Basis des ersten Quartals 2015 handelt die Aktie von NOV deutlich unter ihrem langjährigen Durchschnitt, wenn es um das Kurs-Umsatz und Kurs-Buchwert Verhältnis geht. Beides liegt bei etwas über 1. Der Durchschnitt der letzten Jahre lag bei ca. 1,5. Das ist ein erheblicher Discount. Würde die Aktie 2016 wieder zu diesem Durchschnitt zurückkehren, dann müsste die Aktie zumindest wieder auf 70 USD steigen. Der momentane Kurs liegt bei ca. 55.

Für mich sieht es so aus als hätte der Markt die Serviceunternehmen zu stark abgestraft. Im Gegensatz zu den großen Ölproduzenten gibt es hier echte Discounts auf den inneren Wert der Unternehmen. Mit dem wieder steigenden Ölpreisen in den letzten Wochen beginnen Anleger nun aber so langsam wieder auf den Zug aufzuspringen. Für Langfristinvestments sind die Kurse noch immer attraktiv. Kurzfristig sind einige Aktien überkauft.

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1 Kommentar

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  • 0815
    0815

    Was ist denn ein Ölpreis auf normalen Niveau? Und warum gehen alle davon aus dass es einen Verlauf wie 2008/09 gibt. Das gibt mir Sentiment technisch sehr zu denken.

    2009ff hat sich die Konjunktur gedreht und Spekulation nach Lehman wurde wieder möglich. Was sind denn derzeit die Gründe für steigende Ölpreise? Dass die Lager langsamer vollaufen?

    09:11 Uhr, 07.05.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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