Analyse
15:12 Uhr, 19.03.2008

Noch keine Entspannung der Kreditkrise in Sicht

Externe Quelle: UniCredit

Eine nachhaltige Entspannung der Kreditkrise ist weiterhin nicht in Sicht. Die abrupt notwendig gewordene Rettungsaktion für Bear Stearns illustriert einmal mehr, dass die Belastungen von Seiten der Kreditkrise unvermindert anhalten. Die Stützungsmassnahmen der letzten Tage (Fed: zusätzliche Liquiditätsspritzen, Zinssenkung um weiter 75 Bp) sind jedoch weiterhin in erster Linie als schadensbegrenzend zu werten und nicht als Lösung der zugrundeliegenden Probleme. Folgende Aspekte sind im Fall von Bear Stearns erwähnenswert:

- Die Geschwindigkeit mit der die Rettungsaktion notwendig wurde: Bear Stearns handelte noch letzten Donnerstag bei 57 USD, verglichen mit 88 USD Ende letzten Jahres. Innerhalb weniger Tage führte das Streichen von 17 Mrd. USD an Kreditlinien zu einer Self-fulfilling Prophecy, mit der Folge eines deutlichen Aktienkursverfalls.

- Die Höhe des Abschlags, den die Altaktionäre zu tragen haben: Der Übernahmepreis je Aktie von nur 2 USD zeigt deutlich wie stark eine Verschlechterung der Assetseite auf die Vermögensposition der bisherigen Eigenkapitalgeber durchschlagen kann. Dies wurde bereits in Form der massiven Verwässerungseffekte vorhergehender Rekapitalisierungen im Finanzsektor deutlich (Kapitalerhöhungen von SocGen und Ambac).

- Es gibt immer noch keine Anzeichen für einen breit angelegten „Bailout“: Die Rettungsaktion soll das weitere Funktionieren des Finanzsystems gewährleisten, aber nicht die Aktienkurse der betroffenen Finanzinstitute stützen. Die Maßnahmen bleiben somit in erster Linie reaktiv und sind nicht als vorbeugend für weitere Krisenfälle anzusehen.

- Vor diesem Hintergrund können – trotz der gestern zu verzeichnenden, deutlichen Erleichterung über die besser als erwartet ausgefallenen Ergebnisse von Lehman und Goldman Sachs – Spekulationen über weitere notleidende Banken jederzeit wieder aufflackern

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die jüngsten Maßnahmen der Fed zwar positiv zu werten sind. Allerdings zeichnet sich ein umfassender Rettungsplan für den Finanzsektor, der möglicherweise notwendig ist, weiterhin nicht ab. Solange die Signale für eine weitere Verschlechterung der Kreditqualitäten überwiegen (Schwäche des US-Häusermarktes, globale Konjunkturverlangsamung, Enttäuschungen bei den Unternehmensgewinnen) dürfte die Stimmung daher anfällig bleiben. Die Rendite 2-jähriger Staatsanleihen stellt in diesem Zusammenhang einen guten Indikator für das Vertrauen der Investoren in den Erfolg der bisherigen Aktionen dar. Da wir weitere Stützungsmaßnahmen für notwendig erachten halten wir daher trotz der günstigen Bewertung eine vorsichtige Strategie an den Aktienmärkten weiter für angebracht.

Wir stellen unsere Annahmen für die weitere Kurs- und Gewinnentwicklung auf ein Rezessionsszenario um. Ein Schrumpfen der US-Konjunktur erscheint inzwischen nicht mehr vermeidbar: Die Veränderungsrate des sehr verlässlichen OECD Frühindikators befindet sich inzwischen auf einem Niveau, das in der Vergangenheit nur in einer Rezession erreicht wurde. Die letzten beiden Schrumpfungsphasen waren in den USA mit deutlich rückläufigen 12M FWD Gewinnschätzungen verbunden. Unterstellt man auf Basis der letzten beiden US-Rezessionen einen „idealtypischen“ Verlauf der Abwärtsrevisionen so dürften die 12M FWD Gewinnschätzungen für den S&P 500 in 2008 einen Rückgang um rund 10% verzeichnen und bis Mitte nächsten Jahres insgesamt um rund 18% von dem in Q4/07 erreichten Peak zurückgehen. Unser neues Szenario beinhaltet, dass die USRezession nur von kurzer Dauer sein wird und die Spill-Over- Effekte auf die globale Konjunktur daher moderat bleiben werden. Allerdings gehen wir auch unter diesen Annahmen davon aus, dass die Gewinnschätzungen in der Triade (zumindest in 2008) weitgehend ähnlich zurückgenommen werden müssen. Dies zeichnet sich aufgrund der in den letzten Monaten synchron verlaufenden Abwärtsentwicklung der Gewinnschätzungen bereits ab. Da wir bisher eine Seitwärtsentwicklung in den Gewinnschätzungen prognostiziert haben bedeutet die neue Einschätzung hinsichtlich des weiteren Gewinnrevisionstrends auch eine Anpassung unserer Kursziele für das Jahresende 2008, die wir um 5-10% nach unten anpassen, was wir für den Fall einer USRezession bereits in Aussicht gestellt hatten. Zum Jahresende sehen wir den Euro STOXX 50 daher nun bei 3950 Punkten (DAX: 7200 Punkte, S&P 500: 1450 Punkte).

Die hohe Dividendenrendite dürfte das Ausmaß weiterhin drohender Kursrückschläge begrenzen. Unter Bewertungsgesichtspunkten ist positiv zu vermerken, dass die Dividendenrendite des Euro STOXX 50 mit rund 4,5% inzwischen bereits gleichauf liegt mit der Rendite 30-jährigen Staatsanleihen. In diesem Zyklus stellte die am langen Ende des Rentenmarktes bestehende Rendite bislang eine Obergrenze für diese Bewertungskennzahl dar. Als Hintergrund ist dabei anzusehen, dass Aktien ebenfalls als „Long Duration Assets“ betrachtet werden können. Je näher die Dividendenrendite bei der Rendite 30-jähriger Anleihen liegt, umso interessanter wird es für Langfristinvestoren, eine Anpassung ihrer Asset Allocation vorzunehmen. Auch wenn im aktuellen Umfeld die geschätzten Dividenden nicht mehr so stabil anzusehen sind wie in den letzten 5 Jahren, denken wir doch, dass die hohe Dividendenrendite das Ausmaß weiterer Kursrückschläge bei europäischen Blue Chips begrenzen dürfte.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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