Kommentar
12:46 Uhr, 01.03.2013

Nichts aus der Vergangenheit gelernt?

Erwähnte Instrumente

  • Multi Stufenexpress Airbag Zertifikat auf E.ON / ...
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Die Risikofreude ist an die Märkte zurückgekehrt. Nicht nur, dass fast jeder Experte in diesem Jahr mit mehr oder weniger steigenden Kursen rechnet und dabei immer wieder vorrechnet, wie billig und alternativlos Aktien selbst jetzt noch sind. Nein das Rendite-Fieber scheint nun auch die Emissionshäuser gepackt zu haben. Das beste Beispiel dafür: Der von wenigen Ausnahmen abgesehen glücklicherweise schon etwas angestaubte „Worst-of“-Mechanismus wird wieder mehr und mehr aus den Schränken hervorgeholt und in neue Strukturen gepackt. Man denke da nur an die erst kürzlich von HSBC Trinkaus aufgelegten und in diesem Rahmen bereits vorgestellten Duo-Outperformer, die mit für Anlageprodukte fast unverschämt hohen Hebeln von bis zu 9,30 den eher spekulativ ausgerichteten Investor locken sollen. Fast erinnert das Ganze an die Zeit vor der Finanzkrise 2008, als einfache Renditen nicht mehr gut genug waren und eine ganze Flut an Multi-Asset-Papieren über die Anleger hereinbrachen, damals vor der Steuerreform auch noch mit dem Ziel, es der Fiskus nochmal so richtig zu zeigen und die letzten steuerfreien Renditen besonders üppig zu gestalten. Der Schuss ging leider gründlich nach hinten los und ließ selbst vom Chance-Risiko-Profil her anfänglich besonders attraktiv wirkende Produkte am Ende ziemlich alt aussehen, da zumindest ein Underlying im Zuge des Crashs fast immer aus der Reihe tanzte und viele Papiere dadurch fast wertlos zurückgezahlt werden mussten.

Es ist zu befürchten, dass jetzt, wo die letzten Wunden gerade langsam verheilt sind, das Ganze wieder von vorne beginnen könnte. Denn sollten viele Experten, was nicht unbedingt selten vorkommt, wieder einmal irren und der nächste Absturz bevorstehen, würden Anleger mit „Multis“ wohl wieder ins offene Messer laufen. Um dies zu verhindern hat die Société Générale bei ihrem neuen Worst-of-Produkt auf die nicht gerade als Witwen- und Waisen-Papiere bekannten Aktien der Commerzbank, sowie von RWE und E.ON besonders tief in die Trickkiste gegriffen und dem Papier neben einer Stufen-Express- auch noch eine Airbag-Struktur verpasst. Dafür fällt die Laufzeit mit bis zu sechs Jahren und vier Monaten sogar für ein Express-Produkt relativ lange aus. Das gleiche gilt allerdings auch für die ungewohnt hohe jährliche Sonderzahlung von 14,05 Prozent, die auf dem aktuellen Niveau zu einer Maximalrendite von über 86 Prozent bei Endfälligkeit führen würde.

Um die 14,05 Prozent im Rahmen einer vorzeitigen Kündigung bereits nach 16 Monaten einzuheimsen, müssten alle drei Aktien am ersten Stichtag mindestens auf ihren Ausgangsniveaus notieren. Gelingt das nicht, sinkt die Tilgungsschwelle in den weiteren Jahren jeweils um zehn Prozent und würde am finalen Bewertungstag im Juni 2019 nur noch bei 50 Prozent liegen. Die schlechteste Aktie könnte also dann sogar die Hälfte ihres Anfangswertes verloren haben, ohne dass die Maximalauszahlung von 184,30 Euro ausfallen würde. Wäre der Verlust des größten Underperformers noch höher, würde normalerweise dessen Wertentwicklung seit Emission eins zu eins im Zertifikat umgesetzt. Nicht so jedoch bei dem neuen Produkt der Franzosen, denn in diesem Fall würde nach dem erfolglosen Absenken der Tilgungsschwelle bis auf 50 Prozent mit dem zusätzlichen Airbag genau ab dieser Marke eine weitere Sicherungsmaßnahme greifen, die zwar nicht mehr den gesamten Nennbetrag schützt, allerdings die Rückzahlung immerhin noch 2-fach hebelt. Hätte der für die Tilgung einzig relevante „Worst-Performer“ also beispielsweise 60 Prozent an Wert eingebüßt, ergäbe sich immer noch eine Rückerstattung von 80 Prozent des Nennbetrages (40% x 2). Bei 70 Prozent Verlust wären es noch 60 Prozent usw. Sollte es nicht gerade zu einer am Ende fast wertlosen Aktie kommen, hat der Anleger hier also immer noch die Möglichkeit, einen Großteil des tatsächlich angefallenen Verlustes wieder wettzumachen.

Der BörseGo Tipp:

Wer komplexe Produkte grundsätzlich ablehnt, wird auch an dem neuen Multi-Stufenexpress-Airbag-Zertifikat wenig Gefallen finden. Auf der anderen Seite versucht der Emittent der gefürchteten Multi-Struktur bezogen auf gleich drei volatile Aktien durch die nicht uncharmanten mehrfachen Absicherungsmechanismen beizukommen, wobei allerdings auch die Airbag-Lösung mit zunehmenden Verlust des schlechtesten Basiswertes ihre Wirkung nach und nach verliert. Der Anleger kommt also auch hier nicht umhin, alle drei Aktien genau auf ihr Verlustpotential hin zu überprüfen, bevor er sich mit der attraktiven 2-stelligen p.a.-Rendite beschäftigt.

COBA/RWE/E.ON Multi-Stufenexpress-Airbag-Zertifikat

Emittent/WKN:

Société Générale / SG3W8P

Laufzeit:

21.06.2019

Preis: (27.02.2013)

Geld / Brief: 97,42 € / 98,42 €

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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