Kommentar
00:00 Uhr, 16.03.2010

Nachhaltigkeit kann verwirrend sein

Gerhard Schröder hat „nachhaltig“ zwar zur Standardfloskel in der Politik gemacht. Der wirkliche Erfinder dieses Wortes heißt allerdings Hans Carl von Carlowitz und lebte lange vor dem Basta-Kanzler, nämlich im 18. Jahrhundert. Er benutzte den Nachhaltigkeitsbegriff in „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“, das erste Werk, welches sich ausschließlich mit Forstwirtschaft beschäftigte. „Im Grunde genommen ist der Nachhaltigkeitsbegriffe ein kategorischer Imperativ“, erläutert Volker Weber, Vorstandsvorsitzender vom Forum Nachhaltige Geldanlagen, das mittlerweile 111 Mitglieder hat. Schlage nur so viele Bäume, wie der Wald es verträgt, so wollte von Carlowitz ihn verstanden haben. Was bedeutet nachhaltig dann eigentlich bei Investments? „Nachhaltigkeit basiert sehr stark auf dem Substanzerhalt und ist grundsätzlich langfristig angelegt“, erläutert Weber. Deswegen umfasse er Umweltschutz genauso wie Corporate Governance oder gesellschaftliche Verantwortung.

Was die Bewertung von Unternehmen angeht, gibt es in punkto Nachhaltigkeit verschiedene Ansätze. Das eine ist der Best-in-Class-Ansatz. Dabei wird aus einem Sektor oder einer Branche der Klassenbeste ermittelt, also das Unternehmen, das das nachhaltigste seiner Gruppe ist. „Das hat den Vorteil, dass innerhalb einer Branche ein Wettbewerb gefördert wird“, erläutert Weber. Denn viele Fonds und institutionelle Anleger würden ihre Aktien nach dem Best-in-Class-Ansatz bei der Nachhaltigkeit auswählen. Wer Klassenbester ist, findet mehr Abnehmer für seine Aktien und das bedeutet mehr. Der Nachteil ist, dass die besten Unternehmen innerhalb einer Branche nicht unbedingt besonders umweltschonend oder sozialverträglich sein müssen, sie sind nur besser als der Rest. „Der andere Ansatz ist der Best-of-Class-Ansatz, das ist das beste Unternehmen aller Klassen“, sagt Weber.

Die Ausschlusskriterien sind entscheidend

Ob Klassenbester oder Bester aller Klassen – wer nachhaltig investieren will, sollte bei den verschiedenen Anlageprodukten auch auf die Ausschlusskriterien achten. Denn beim Best-in-Class-Ansatz wäre nämlich zum Beispiel – im schlimmsten Fall – auch Tellerminenhersteller möglich, wenn diese nicht von vornherein ausgeklammert werden. „Klassische Ausschlusskriterien sind zum Beispiel Kinderarbeit, Pornographie, und Waffenherstellung oder -handel“, erläutert Weber. Bei Investmentprodukten für Kirchen liegt zudem ein noch stärkerer Fokus auf moralischen Bewertungsmerkmalen. Ein Fonds für die katholische Kirche dürfe zum Beispiel in der Regel nicht in die Herstellung von Verhütungsmittel investieren. Um herauszufinden, was rein darf und was nicht, empfiehlt sich deswegen ein genauer Blick in die Termsheets und Verkaufsprospekte. Zudem wird oftmals die Nachhaltigkeit von Produkten und Firmen gleichgesetzt. Gewisse Produkte, wie zum Beispiel Solarmodule oder Windanlagen, können ein nachhaltiges Thema sein, das Unternehmen, das sie herstellt, muss das aber nicht unbedingt sein. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn – um mal ein ganz drastisches Beispiel zu geben – Kinderarbeit bei der Produktion von Solarzellen mit im Spiel wäre. Weil nicht alle Fondsgesellschaften und Emittenten diese Informationen für jedermann ersichtlich veröffentlichen und Nachhaltigkeit außerdem mittlerweile ein ziemlich dehnbarer und auch missverständlicher Begriff ist, der gerne zu Marketingzwecken verwendet wird, hat der europäische Dachverband für nachhaltige Geldanlagen, Eurosif, ein Transparenzlogo entwickelt. Dieses gibt es nun seit 2008. Wer dieses Logo erwirbt, hat sich verpflichtet „offen, aktuell und angemessene Informationen“ über seine Anlageprodukte bereitzustellen. Dabei sollen diese Auskünfte klar, verständlich und informativ sein. Ein Punkt der Transparenzleitlinie sieht vor, dass der Fonds darlegt, wie das Management die Nachhaltigkeitskriterien definiert und wie häufig und von wem diese überprüft werden. Ein weiterer Punkt sieht vor, dass die Research-Methodik offen gelegt wird. Den Angaben zufolge haben in Europa derzeit 230 Fonds das Transparenzlogo, das entspricht 26 Prozent der nachhaltigen Fonds. Im deutschsprachigen Raum – in Deutschland, Schweiz und Österreich – sind es 78 Fonds.

Staatlich geförderte Investments sollten auch nachhaltig sein

Was in der Fondsbranche bereits etabliert ist, soll nun auch für Beteiligungsprodukte und Zertifikate kommen. Auch diese sollen langfristig mit Blick auf ihre Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit beleuchtet werden. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen beschäftigt sich aber nicht nur mit der Zertifizierung von Finanzprodukten, sondern engagiert sich auf vielen Ebenen für das Thema. Zur Aktionswoche Klima und Finanzen, die Anfang Februar bundesweit stattfand, veröffentlichte das Forum Nachhaltige Geldanlagen gemeinsam mit dem Corporate Responsibility Interface Centre (CRIC) eine Stellungnahme. Darin wird gefordert, dass auch die öffentliche Hand bei Investitionen und Unternehmensbeteiligungen auf Nachhaltigkeit achten soll. So sollen Sozialversicherungsträger, öffentliche Pensionseinrichtungen und öffentlich-rechtliche Finanzinstitute nachhaltig anlegen. Zudem müssten staatlichen Förderungen von Finanzprodukten wie der Riester-Rente an Nachhaltigkeits- und Klimastandards gebunden sein. In anderen Ländern werden staatliche Investments bereits deutlich strenger gehandhabt als in Deutschland. Der norwegische Staatsfonds investiert zum Beispiel nachhaltig und hat strenge Ausschlusskriterien. Darüber hinaus fordert das FNG eine Sensibilisierung der Finanzberater für das Thema, damit Kunden, welche sich für nachhaltige Anlagen interessieren auch kompetent beraten werden. „Verschiedene Marktstudien haben gezeigt, dass sich immer mehr Anleger grundsätzlich für nachhaltige Anlagen interessieren, das Thema jedoch bei einem Finanz-Beratungsgesprächen kaum behandelt wird“, erklärt Weber.

Die Trends heißen Wasser und Emerging Markets

Was die Zukunftsthemen in punkto Nachhaltigkeit angeht, sind das für Weber die Schwellenländer und Wasser. „Bei den Schwellenländern setzt man darauf, dass sie nicht die gleichen Fehler machen wie wir, sondern ihre Industrie von vorn herein nachhaltig aufbauen“, erklärt er. Die Tendenz sei bereits gegeben. China subventioniere erneuerbare Energien mit 220 Millionen Euro, Deutschland im Vergleich dazu nur mit 14 Millionen Euro. Auch Wasser werde mit Blick auf die weltweite Verknappung ein langfristiges, wenn nicht sogar das zentrale Thema sein. Auf lange Sicht werde dieses Thema den Anlegern gute Renditen bringen.

Das Thema Nachhaltigkeit habe seit 2005 an Popularität gewonnen. Die Gründe dafür seien der Hurrikan Katrina, der damals eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA verursacht hatte. Der finanzielle Aspekt des Klimawandels wurde durch den Stern-Report von 2006 deutlich, welcher die Kosten des Klimawandels und die Kosten für die Eindämmung des Klimawandels gegenüberstellte. Ein anderer Grund sei der Film von Al Gore gewesen, der den Klimawandel wieder in das Bewusstsein der Menschen geholt habe. Dass das IPCC eine Studie revidieren musste, wonach die Gletscher des Himalayas in wenigen Jahrzehnten abschmelzen, und es tatsächlich erst in ein paar Jahrhunderten tun könnten, ist nach Ansicht von Weber „ein kleiner Gau“, der die Hoffnung auf eine schnelle Zusammenkunft nachhaltig enttäuscht habe.

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