Nach der Internet-Blase nun die Kreditblase
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All diejenigen, die Bankaktien in ihrem Portfolio halten, hatten im August und September wenig Grund zur Freude. Will man die Ursachen für diese Entwicklung nachvollziehen, muss man die Situation im größeren Zusammenhang betrachten.
Das Entstehen der "Kreditblase"
Nach der Internet-Blase nun die Kreditblase. Als die "Seifenblase" bei Technologie- und Internet-Werten im Jahre 2000 platzte, senkte die amerikanische Notenbank die Geldmarktzinsen auf 1 Prozent und verhinderte damit eine anhaltende, schwere Rezession in den USA. Sozusagen als Nebeneffekt der niedrigen Zinsen blähte sich eine neue Seifenblase auf: die Kreditblase. Niedrige Zinsen und demzufolge niedrige Finanzierungskosten trieben die Hauspreise in die Höhe. Dass dieser Boom ewig währen würde, war ein verbreiteter Irrglaube. Der amerikanische Immobilienkreditmarkt ist insofern einzigartig, als dass die meisten Hypothekenanbieter die Immobilienkredite bereits nach drei Monaten weiterverkaufen. Zusammen mit anderen Hypotheken zu so genannten Mortgage Backed Securities (also hypothekarisch besicherten Anleihen) geschnürt, werden die Immobilienkredite dann an Investoren, z. B. Pensions- oder Hedgefonds, weitergereicht. Damit entledigt sich der Hypothekengläubiger effektiv des mit der ausgereichten Hypothek verbundenen Ausfallrisikos. In erster Linie an Provisionen interessiert, konnten die Hypotheken-Kreditgeber daher in den USA relativ risikolos Darlehen mit niedriger Verzinsung an einkommensschwache Kunden vergeben. Zahlreiche Menschen ließen sich locken und kauften Häuser, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Die Hypotheken, die an diese Kreditnehmer mit schlechter Bonität ausgegeben wurden, nennt man "Subprime-Hypotheken". Im Vertrauen auf ewig weitersteigende Immobilienpreise ging man selbstverständlich davon aus, dass die Schuldner in zwei, drei Jahren ihre Darlehen aufgrund des nunmehr höheren Wertes der als Sicherheit dienenden Immobilie mühelos refinanzieren könnten. Die steigenden Hauspreise weckten naturgemäß auch das Interesse zahlreicher Spekulanten.
Vor allem aber zog das billige Geld zwei weitere Kategorien von Investoren an: Private-Equity-Gesellschaften und Hedgefonds. Durch den Leverageeffekt (Erhöhung des Fremdkapitaleinsatzes dank billigen Geldes) konnten Private-Equity-Investoren hochpreisige Firmen übernehmen, während Hedgefonds ihre Renditen steigerten. Vor dem Hintergrund niedriger Langfristzinsen beteiligten sich auch Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften - normalerweise eher vorsichtige Exponenten - an der Renditejagd. Gleichzeitig tauchten ständig neue und exotischere Produkte am Markt auf, die immer höhere Renditen versprachen. All das führte zum Entstehen der "Kreditblase".
Solange die Langfristzinsen auf niedrigem Niveau verharrten, störte sich niemand an den steigenden Immobilienpreisen und die Anlegerschaft nahm ein höheres Risiko gerne in Kauf. Schließlich brummte die Konjunktur in den USA, die Inflationsrate war unter Kontrolle, die Haushaltseinkommen stiegen und die Arbeitslosenrate war gering.
Die Blase platzt
Anfang 2007 blieben einige Spezialbanken in den USA, die Subprime-Hypotheken ausreichten, auf einmal auf ihren Hypothekenbündeln sitzen. Grund waren die plötzlichen Zweifel, die sich bei den Endinvestoren im Hinblick auf die Schuldendienstfähigkeit von Subprime-Kreditnehmern mehrten. Viele dieser Nischenanbieter auf dem Kreditmarkt mussten in der Folge Insolvenz anmelden. Nach kurzer Panik an den Finanzmärkten im Februar und März beruhigte sich die Anlegerschaft allerdings schnell wieder. Noch glaubte man, die Probleme seien auf dieses Marktsegment beschränkt.
Im Laufe des Sommers kam dann das wahre Ausmaß der Krise ans Licht. Zwei von Bear Stearns verwaltete Hedgefonds mussten schließen: Sie hatten massiv in Wertpapiere investiert, die durch Hypotheken an Hausbesitzer mit geringer Bonität besichert waren. Auch zwei kleinere deutsche Banken gerieten in den Sog der Krise, da sie sich zu weit auf den amerikanischen Subprime-Markt vorgewagt hatten. Viele dieser Subprime-Hypotheken erwiesen sich als weitaus weniger wert, als Investoren zunächst angenommen hatten, Folge sinkender Hauspreise und abnehmender Schuldendienstfähigkeit der Kreditnehmer.
Die Krise zog weitere Kreise und bald zeichnete sich auch am Commercial-Paper-Markt eine Schieflage ab. Commercial Papers sind kurzlaufende Schuldverschreibungen, die im Rahmen eines zeitlich nicht begrenzten Programms revolvierend mit einer Laufzeit von einem Tag bis zu 270 Tagen zur Deckung des kurzfristigen Kreditbedarfs begeben werden. Im August gelang es der kanadischen Investmentbank Coventree nur unter Schwierigkeiten, einen Großteil fälliger Papiere am Asset-Backed-Commercial-Paper-Markt zu refinanzieren.
Bei Coventree bestand das Problem darin, dass die Bank ihre Investitionen in ein so genanntes Strukturiertes Investment-Vehikel (SIV) mit Geldmarktpapieren finanziert hatte, eine durchaus nicht unübliche Praxis. Unvermutet verloren Anleger jedoch das Vertrauen in diese Papiere, da nicht klar war, inwieweit auch sie von der Subprime-Krise betroffen waren. Das entpuppte sich als Auslöser für den Zusammenbruch des 1,2 Billionen schweren CP-Marktes. Und plötzlich brach auch das Vertrauen der Banken untereinander weg. Damit wurde die Kreditkrise zur Liquiditätskrise und der Preis des Geldes schnellte rundum in die Höhe.
Private-Equity-Firmen mussten realisieren, dass der ein oder andere Deal nun angesichts höherer Finanzierungskosten erheblich an Attraktivität eingebüßt hatte. Die Anleiheemissionen konnten die Investoren mangels attraktiver Renditen allerdings nicht zum Kauf bewegen. Also blieben die Investmentbanken auf den Emissionen sitzen. Die Liquiditätsklemme lässt sich auch an der Zinsdifferenz zwischen dem LIBOR (London Interbank Offered Rate) und dem Basiszinssatz ablesen, die jetzt 80 bis 110 Basispunkte beträgt, also ungewöhnlich hoch ist. Die britische Hypothekenbank Northern Rock war das prominenteste Opfer dieses Engpasses.
Zentralbanken in Europa und den USA sprangen den bedrängten Banken mit Liquiditätsspritzen in das Finanzsystem bei. Ferner senkte die Fed ihre Leitzinsen um 50 und den Diskontsatz (der Zinssatz, zu dem Banken einander im Notfall Geld leihen) um 75 Basispunkte. Dank dieser Maßnahmen ist es gelungen, die Stabilität des globalen Finanzsystems wieder herzustellen.
Ausblick
Nach diesen turbulenten Monaten scheinen die Märkte sich nun wieder zu beruhigen. Die Perspektiven für den Finanzsektor haben sich jedoch in vielerlei Hinsicht gewandelt. So wird es sicherlich eine Weile dauern, bis wir die Folgen der Kreditblase überwunden haben. Vor allem in den USA, wo die Häuserpreise durch Spekulation und laxe Kreditvergabekriterien künstlich aufgebläht waren, belastet die Aussicht auf anhaltend fallende Immobilienpreise die wirtschaftliche Entwicklung. Auch in einigen europäischen Ländern, wie Spanien, Großbritannien und Irland, sind die Hauspreise rückläufig. Die Folgen für die Wirtschaft sind noch nicht abzusehen. Die Kosten für Fremdkapital steigen. Dies wird sich zwangsläufig negativ auf das Wachstumsvolumen im Finanzsektor auswirken, da sowohl Kredite an Unternehmen als auch an Verbraucher teurer werden, auch wenn die Folgen im Einzelnen noch nicht quantifizierbar sind. Eins jedoch ist klar: Der Rausch ist erst einmal vorbei. Das bedeutet zwar nicht, dass die Märkte gegen null tendieren werden. Es wird nur vorerst an der Dynamik fehlen. Die Private-Equity-Gesellschaften werden eine geringere Rolle spielen. Die Hedgefonds haben ihren Verschuldungsgrad bereits reduziert und dieser Prozess wird - zum Nachteil der Kommissionen - vorerst anhalten. Die Käufer exotischer Finanzprodukte sind sich der damit verbundenen Risiken jetzt stärker bewusst; die Nachfrage wird daher merklich sinken. Nachteilig beeinflusst wird auch der Verbriefungsprozess der Banken, d. h. der Abzug von Vermögenswerten aus ihren Bilanzen und deren Verkauf an Investoren in Form von handelbaren Wertpapieren. Banken werden in Zukunft wahrscheinlich mehr Vermögenswerte auf die Bilanzen nehmen, in der Folge sinkt die Eigenkapitalrendite. Und mit der rückläufigen Konjunktur geht auch eine Zunahme der Kreditausfälle einher. Die Banken werden daher die entsprechenden Rückstellungen bilden müssen. In den USA macht sich dieses Phänomen bereits bemerkbar: höhere Abschreibungen auf notleidende Subprime-Hypothekendarlehen, wackelige hypothekarisch gesicherte Dispositionskredite und gewerbliche Baufinanzierungskredite von nachlassender Qualität. Bei europäischen Banken ist der Verfall der Kreditqualität noch nicht so deutlich wie in den USA. Aber auch europäische Banken haben sich - direkt oder indirekt - an den US-Kapitalmärkten engagiert. Es gibt aber auch Positives zu berichten.
So versteilert sich jetzt die Zinsstrukturkurve, eine Entwicklung, die zur Stützung der Netto-Zinsmargen in der Bankenwelt beitragen mag. In der Regel hängen Lohn- und Betriebskosten zu einem gut Teil von der Höhe der Einnahmen ab; insofern ergäben sich jetzt bei vielen Banken gute Gelegenheiten zu weiteren Kostensenkungsmaßnahmen. Banken waren schon immer stark vom Konjunkturzyklus abhängig und das ist auch diesmal nicht anders. In welchen Segmenten könnten Investoren also die gegenwärtigen Turbulenzen in Ruhe aussitzen? Generell scheinen europäische Retail-Banken mit begrenztem Engagement an den Kapitalmärkten und dem US-Kreditmarkt relativ sichere Anlagenischen zu sein. Zu nennen sind vor allem skandinavische und italienische Banken. Auch Versicherungsgesellschaften scheinen abseits der Marktturbulenzen gut im Geschäft zu liegen. Ihr Engagement am US-Kreditmarkt scheint ebenso überschaubar wie beherrschbar zu sein.
Quelle: ING Investment Management
ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit Euro annähernd 400 Milliarden Assets under Management (Q2 2007), vertreten in 30 Ländern mit 2.500 Experten (Europa: 713, Americas: 866, APAC: 921), ist ING Investment Management (ING IM) weltweit unter den Top 25 im Asset Management. ING IM Europe hat Niederlassungen in 14 europäischen Ländern mit annähernd Euro 160 Milliarden Assets (Q2 2007) under Management.
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