Kommentar
10:09 Uhr, 03.04.2009

Nach dem Gipfel: Vorsicht, ihr Bären!

'Industriestaaten pumpen 1 Billion Dollar in die Märkte' – die Nachricht vom Nachmittag. War der G-20-Gipfel aber wirklich ein Erfolg, den die Weltwirtschaft auch spüren wird? Es ist Tradition, dass alle, die sich dazu berufen fühlen, jetzt mehr oder weniger laut das Kommuniqué aufdröseln, zerpflücken und mindestens in Frage stellen. Tatsächlich werden wir erst nach einiger Zeit beurteilen können, ob die Londoner Beschlüsse historische Qualität besitzen. Dementsprechend ist das spontane Kursfeuerwerk auch mit Vorsicht zu genießen. Beispiel: Die Verständigung auf eine neue, bessere, weil besser überwachte Finanzmarktarchitektur bedeutet noch lange nicht, dass dieses ehrgeizige Projekt in absehbarer Zukunft auch gelingen wird (Bitte an Politiker: Hört endlich auf, den bösen Hedge-Fonds so großes Gewicht beizumessen!).

Was immer den Gipfelkritikern jetzt auch auf- und einfallen wird – der 2. April 2009 könnte durchaus in die Geschichte eingehen. Allein die Tatsache, dass sich die großen Industrie- und Schwellenländer trotz gravierender Meinungsverschiedenheiten in kürzester Zeit verständigen konnten, hat historische Qualität. Denn das macht doch Mut – zumindest den Optimisten –, dass die Welt künftig auch im ökonomischen Krisenmanagement enger zusammen arbeiten wird. Der Krisengipfel setzt also ein Signal, dass den Märkten zunächst psychologisch, langfristig aber auch ganz konkret gut tun sollte.

„Politik probt globalen Anti-Krisen-Kurs“, hatte ich vor gut zwei Wochen nach dem vorbereitenden Finanzministertreffen formuliert. (Und an diesem Tag hatte ich auch erklärt, in meinen TV-Kommentaren nur noch die guten Wirtschaftsnachrichten unter die Lupe zu nehmen). Die Bären werden unruhig, denn sie müssen ihre Haltung jetzt überprüfen. Die Good News von heute bedeuten aber nicht automatisch das Ende der Börsen-Baisse. Gegen die Flut fundamentalwirtschaftlicher Hiobsbotschaften haben die Staatenlenker ein Bollwerk von Beschlüssen aufgebaut, dass gewiss nicht lückenlos ist und erst noch einer raschen Fertigstellung bedarf. Wer vorsichtig abwägt und urteilt, wird vielleicht zu folgendem Zwischenergebnis kommen: Die Risiken weiterer schwerer Kursrückschläge sind geblieben, die Chancen für eine allmähliche Stabilisierung sind aber gestiegen.

Hermann Kutzer

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