Kommentar
15:24 Uhr, 18.09.2014

Mögliche Auswirkungen eines „Ja“ Schottlands

Die globalen Aktienmärkte entwickelten sich im August sehr erfreulich, unterstützt durch den S&P-500-Index, der erstmals über die Marke von 2000 Punkten stieg. In den USA verbesserte sich das Sentiment durch nach oben revidierte BIP-Daten, nach denen die Wirtschaft im zweiten Quartal 2014 mit einer annualisierten Rate von 4,2 % wuchs. Die makroökonomischen Daten der USA standen im Gegensatz zu den in Europa veröffentlichten Werten, wo nach vorläufigen Zahlen das italienische Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gegenüber dem ersten um 0,2 % sank und Stimmungsumfragen ebenfalls enttäuschend ausfielen. In diesem Umfeld – und angesichts der Stärke der Aktienmärkte möglicherweise entgegen den Erwartungen – präsentierten sich auch die Staatsanleihen der Kernländer robust, da Spekulationen zunahmen, die Europäische Zentralbank könne aufgrund der schwächeren Konjunkturnachrichten ein eigenes Anleihekaufprogramm auflegen. Anfang September senkte die EZB ihren Leitzins um 10 Basispunkte und bekräftigte ihre Absicht, forderungsbesicherte Wertpapiere (ABS) zu kaufen, ging jedoch nicht so weit, Ankäufe von Staatsanleihen anzukündigen.

In den USA lag die Benchmarkrendite für zehnjährige Anleihen Ende August gerade einmal bei 2,34 %, nach einem Wert von 2,56 % am 31. Juli. Die britischen, französischen und deutschen Benchmarkrenditen für zehnjährige Anleihen sanken im Verlauf des Monats ebenfalls. Schwellenländeranleihen verzeichneten gemessen am JP Morgan EMBI+ Index ebenfalls Gewinne, allerdings konnte diese Assetklasse mit der Rally der Kernländer-Staatsanleihen nicht Schritt halten, da sich die geopolitische Krise in der Ukraine fortsetzte und Russland als Vergeltungsmaßnahme für die westlichen Sanktionen die Einfuhr einer Reihe westlicher Produkte stoppte. Auf den Rohstoffmärkten registrierte der Bloomberg Commodity Index im August eine Gesamtrendite von - 1,1 % auf US-Dollar-Basis.

Für die Zukunft ist es wahrscheinlich, dass Anleger sich weiterhin auf Europa und die makroökonomischen Herausforderungen der Region konzentrieren. Wir sind überzeugt, dass die geringen Anleiherenditen, die beispielsweise auf dem US-amerikanischen und britischen Markt zu beobachten waren, die Nervosität in Bezug auf eine Deflation und die Möglichkeit einer massiven quantitativen Lockerung in Europa widerspiegeln, und nicht die allgemein positiven Binnenkonjunkturdaten in den USA und Großbritannien. Während es uns ermutigt, dass die EZB sich zu Ankäufen forderungsbesicherter Wertpapiere (ABS) verpflichtet hat, würden wir die Wirksamkeit von Zinssenkungen in Frage stellen. Die Zinssätze sind in Europa bereits seit Längerem niedrig, dies hat jedoch weder die Konjunktur noch die Inflation angeregt. Was angesprochen werden muss, ist die Frage, ob der Übertragungsmechanismus funktioniert, damit die Liquidität von der EZB in die reale Wirtschaft fließt. Da einige Handlungen der EZB bereits angekündigt waren, erwarten wir nicht, dass die Auswirkungen der EZB-Maßnahmen bahnbrechend sein werden. Ungeachtet dessen dürften die geldpolitischen Schritte den Anlegern mehr Vertrauen in die Fähigkeit der EZB vermitteln, ihrem Auftrag gerecht zu werden – und die Möglichkeit einer echten quantitativen Lockerung besteht nach wie vor. Der unmittelbare Effekt der EZB-Maßnahmen lag darin, den Euro noch weiter zu schwächen, was den europäischen Exporteuren und vielen der Aktien, in die wir investieren, helfen sollte.

In Großbritannien wachsen die politischen Risiken mit dem Näherrücken des Referendums über die Unabhängigkeit Schottlands, wobei eine kürzlich durchgeführte Umfrage den „Ja“-Stimmen einen, wenn auch geringen, Vorsprung prognostizierte. Durch die klare Ankündigung des britischen Finanzund Wirtschaftsministeriums, dass alle britischen Staatsanleihen im Fall der Unabhängigkeit Schottlands in vollem Umfang Verbindlichkeiten des Vereinigten Königreichs bleiben, würden wir in Bezug auf britische Staatsanleihen mit einigermaßen gedämpften Auswirkungen eines Ja-Votums rechnen. Für Aktien, Anleihen und besonders Unternehmen, die als „schottisch“ wahrgenommen werden, ist das Bild vor dem Hintergrund der unzähligen Unwägbarkeiten im Fall der schottischen Unabhängigkeit weit weniger klar.

Ebenfalls besorgniserregend ist die Tatsache, dass die britische Regierung zum Zeitpunkt, als dieser Artikel verfasst wurde, anscheinend keinen „Plan B“ hatte, falls sich Schottland für einen Austritt aus der EU entscheiden sollte.

Bei den Multi-Asset-Portfolios haben wir in den letzten Wochen eine kleine Änderung unserer Vermögensallokation vorgenommen, indem wir US-Aktien von „Neutral“ auf „Übergewichtung“ hochgestuft haben. Die Bewertungen von US-Aktien sind im Wesentlichen vergleichbar mit den Bewertungen vor der globalen Finanzkrise. Wäre die globale Finanzkrise durch die Überbewertung von Aktien ausgelöst worden und nicht durch das mangelhafte Fundament, auf dem die globale Finanzarchitektur seinerzeit beruhte, würde dieser Bewertungsmaßstab erhebliche Bedenken hervorrufen. Zurzeit ist es so, dass die relative Bewertung von US-Aktien im Vergleich zu anderen Regionen wenig bemerkenswert erscheint, da die überdurchschnittliche Entwicklung der US-Aktien sich mehr oder weniger parallel zur überdurchschnittlichen Entwicklung der US-Gewinne vollzogen hat – wodurch das Kurs-Gewinn-Verhältnis in den letzten Jahren relativ stabil war. Darüber hinaus bleiben den USA die makroökonomischen Probleme erspart, die Europa weiterhin plagen, und ein stärkerer Dollar sollte dazu beitragen, die Inflation unter Kontrolle zu halten, denn der Konsum macht einen Großteil der Wirtschaft aus. Angesichts der Tatsache, dass US-Unternehmen im ersten Quartal 2014 Aktienrückkäufe im Wert von 159 Milliarden US-Dollar getätigt haben, halten wir insgesamt an einer positiven Prognose für den Aktienmarkt fest.

Bei festverzinslichen Wertpapieren bleiben wir zurückhaltend im Hinblick auf Staatsanleihen von Kernländern und sehen weiterhin bessere Chancen in Unternehmensanleihen, einschließlich High-Yield-Anleihen. Anders als erwartet blieben die Renditen von Kernanleihen in diesem Jahr sehr niedrig, deshalb fallen High-Yield-Anleihen in diesem Niedrigzinsumfeld durch relativ attraktive Erträge auf. Wir sind konstruktiv in Bezug auf Gewerbeimmobilien in Großbritannien eingestellt, da die Kapitalwerte sich stetig verbessern, das Angebot in einer Reihe von Gebieten beschränkt ist und die Assetklasse nach wie vor eine attraktive Realverzinsung bietet.

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