Kommentar
09:39 Uhr, 05.02.2009

Mittelfristige Inflationsgefahren trotz Konjunkturhilfen und Liquiditätsspritzen begrenzt

1. Die sukzessive Verschärfung der Finanzmarktkrise und ihre sich immer stärker zeigenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben in den vergangenen Monaten weltweit zu einer bisher beispiellosen expansiven Ausrichtung der gesamten Wirtschaftspolitik geführt. Die Zentralbanken haben ihre Leitzinsen extrem gesenkt und überfluten die Finanzmärkte geradezu mit Liquidität. Regierungen stellen umfangreiche Mittel für die Rekapitalisierung von Finanzinstituten zur Verfügung und stimulieren die wirtschaftliche Entwicklung mit Konjunkturprogrammen. Wir erörtern an dieser Stelle, welche mittelfristigen Inflationsgefahren die Politik damit eingeht. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wirkungsweisen unterscheiden wir dabei zwischen den Maßnahmen der Zentralbanken (Teil I) und denen von Seiten der Finanzpolitik (Teil II).

Teil I. Inflationsauswirkungen der Maßnahmen der Notenbanken

2. In sämtlichen Industrieländern befinden sich die Leitzinsen mittlerweile auf einem im historischen Vergleich sehr niedrigen Niveau, und weitere Zinsschritte großer Zentralbanken sind für die kommenden Monate absehbar. Die starke Senkung des kurzfristigen Zinsniveaus ist jedoch nur ein Aspekt der expansiven Geldpolitik. Darüber hinaus haben die EZB, die Fed und andere Notenbanken das Bankensystem systematisch mit Liquidität überversorgt, um die Funktionsstörungen der Interbankengeldmärkte zu kompensieren. Schon zu Beginn der Finanzkrise im Herbst 2007 hatte die EZB ihre längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (Laufzeit: 3 Monate) stark ausgeweitet, da unbesicherte Kreditbeziehungen innerhalb des Bankensektors mit einer Laufzeit von mehr als wenigen Tagen durch die Vertrauenskrise stark beeinträchtigt wurden. In Bezug auf das insgesamt umlaufende Volumen an Zentralbankgeld konnte die EZB dies ausgleichen, indem sie ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Laufzeit: 1 Woche) entsprechend zurückfuhr. Seit der Verschärfung der Finanzmarktkrise im Anschluss an die Insolvenz von Lehman Brothers stellt die EZB jedoch systematisch mehr Liquidität zur Verfügung, als die Finanzinstitute zur Einhaltung ihrer Mindestreservepflicht und für die Bargeldversorgung der Volkswirtschaft benötigen. Die Intention ist dabei, jedem Institut, das über adäquate Sicherheiten verfügt, einen ausreichenden Zugang zu kurzfristiger Liquidität zu garantieren. Da das Bankensystem insgesamt auf diese Weise jedoch mit Zentralbankgeld überversorgt wird, sind die Mittel in der so genannten Einlagenfazilität der EZB erheblich angestiegen. Dort „parken“ Banken Zentralbankgeld, das sie kurzfristig nicht benötigen, zu einem Zinssatz, der inzwischen wieder um 100 Basispunkte unter dem Hauptrefinanzierungssatz liegt.

Noch generöser ist die Ausweitung der Liquiditätsversorgung durch die Fed. Auch sie hat seit Beginn der Finanzmarktkrise die Kreditvergabe an das Bankensystem stark ausgeweitet, um zu verhindern, dass es dort wegen der eingeschränkten Funktionsfähigkeit der Interbankengeldmärkte zu Liquiditätsengpässen kommt. Sie ging dabei erheblich weiter als die EZB, indem sie den Kreis der Adressaten ihrer Liquiditätsmaßnahmen sukzessive ausgedehnt hat. So hat sie spezielle Kreditlinien für die so genannten „Primary Dealer“ eingerichtet, die zum Teil keine Banken sind, vergibt Kredite auch an Nichtbanken mit besonderer Systemrelevanz für die Finanzmärkte wie den Versicherer AIG sowie Fannie Mae und Freddie Mac, und unterstützt zudem auch einzelne Finanzmärkte gezielt mit Liquidität in der Absicht, dadurch die Kreditbedingungen zu verbessern. Hiermit begann sie auf dem Commercial Paper-Markt, der für viele Unternehmen auch außerhalb des Finanzsektors eine wichtige kurzfristige Kreditquelle darstellt. Bereits mit der Ankündigung, Anleihen und Mortgage Backed Securities der auf den Wohnimmobilienmärkten tätigen Government Sponsored Enterprises anzukaufen, erzielte die Fed schnell Erfolge bei der Reduktion der Hypothekenzinsen. Maßnahmen, die die Verbriefung von Konsumentenkrediten und Krediten an kleine Unternehmen unterstützen, sollen in naher Zukunft anlaufen. Darüber hinaus versorgt sie über so genannte Swap-Arrangements mit 14 anderen Notenbanken auch Banken außerhalb ihres Hoheitsgebiets mit Dollar-Liquidität. Die Summe dieser Maßnahmen hat dazu geführt, dass die Überschussreserven der US-Geschäftsbanken in der Spitze auf über 800 Mrd. Dollar angestiegen sind – ein Vielfaches ihres Mindestreservesolls.

3. Die derzeitige Ausrichtung der weltweiten Geldpolitik – niedrige Leitzinsen und eine sehr reichliche Liquiditätsausstattung der Banken – würde unter normalen Umständen über kurz oder lang zu einer Zunahme der Inflation führen. Die Banken würden ihre überschüssige Liquidität nutzen, um Kredite zu vergeben oder andere ertragreichere Aktiva zu erwerben. Bei dem niedrigen Zinsniveau würden sie sich zudem einer ausreichend starken Kreditnachfrage gegenübersehen. Das Verhalten der Banken würde daher in einem verstärkten Wachstum der Geldmengen- und Kreditaggregate münden und so einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage alimentieren. Stößt dieser auf ausgelastete Kapazitäten, beginnen die Preise von Gütern und Dienstleistungen stärker zu steigen.

Diese Wirkungskette ist derzeit an zwei entscheidenden Stellen unterbrochen. Erstens scheint auch die bewusste Überversorgung des Bankensystems mit Liquidität durch die Notenbanken das so genannte „Deleveraging“ nicht verhindern zu können. Verluste aus Wertpapierengagements haben das Eigenkapital der Banken und damit ihre Risikotragfähigkeit geschmälert. Dies und eine generell stärkere Wahrnehmung von Kredit- und Liquiditätsrisiken haben bei den Finanzinstituten den Wunsch nach einer Verkürzung ihrer Bilanzen hervorgerufen. In der Folge wurden sie bei der Kreditvergabe sehr restriktiv, und das Wachstum der Kreditaggregate hat sich dies- und jenseits des Atlantiks bereits verlangsamt. Zwar ist in den USA am aktuellen Rand sogar ein beschleunigtes Geldmengenwachstum zu beobachten. Dies dürfte aber vor allem darauf zurückzuführen sein, dass der Schutz durch den Einlagensicherungsfonds in den vergangenen Monaten ausgeweitet wurde und Bankguthaben von der Öffentlichkeit daher als attraktiver eingestuft werden als viele andere Aktiva. Derartige nachfrageinduzierte Veränderungen der Geldmengeaggregate sind in Bezug auf die Inflationsentwicklung unbedenklich. Zweitens befinden sich alle wichtigen Industrieländer derzeit in einer Rezession, und es ist auf absehbare Zeit nicht davon auszugehen, dass die zugegebenermaßen sehr expansive Geldpolitik zu einer Überauslastung der Ressourcen führt.

4. Die enormen Verwerfungen an den Finanzmärkten haben somit nicht nur das beherzte Eingreifen der Notenbanken erforderlich gemacht, sondern verhindern auch für längere Zeit, dass sich diese Maßnahmen in erhöhten Inflationsraten niederschlagen. Langfristig ist jedoch von großer Bedeutung, dass die Zentralbanken ihren Kurs wieder ändern, sobald die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems wieder hergestellt ist und sich die Perspektiven für die Realwirtschaft verbessern. Technisch betrachtet ist die Rückführung der Bankenliquidität auf ein Normalmaß kein größeres Problem. Sowohl die Offenmarktgeschäfte der EZB als auch die meisten Kreditfazilitäten der Fed sind kurzfristige, besicherte Kredite an das Bankensystem, die am Ende ihrer Laufzeit nicht notwendigerweise verlängert werden müssen. Sobald die Zentralbanken beschließen, die überschüssige Liquidität der Finanzinstitute herunterzufahren, sind sie hierzu innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums in der Lage. Schwieriger ist für die Notenbanker demgegenüber zu beurteilen, wann der richtige Zeitpunkt hierfür gekommen ist. Die Verwerfungen an den Interbankengeldmärkten und die sehr umfangreiche Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken hatten zur Folge, dass die Finanzinstitute einen Großteil ihres Refinanzierungsbedarfs nun direkt bei den Zentralbanken eindecken und das Transaktionsvolumen an den Interbankengeldmärkten sehr niedrig ist. Dementsprechend sind die dort beobachteten Zinssätze wenig aussagekräftig darüber, wie belastbar die Geldmärkte wieder sind. Es wird von den Notenbankern daher viel Fingerspitzengefühl verlangen zu entscheiden, wann und in welchem Tempo sie bei der Liquiditätssteuerung wieder zum Normalbetrieb zurückkehren können, d.h. dem Bankensystem als Ganzem lediglich das als insgesamt erforderlich erachtete Quantum an Liquidität zur Verfügung zu stellen und den Rest den Märkten zu überlassen. Diese Unsicherheit legt nahe, dass die Zentralbanken hierbei behutsam und in kleinen Schritten vorgehen werden. Spätestes wenn die Banken beginnen, bei der Kreditvergabe wieder großzügiger zu werden, sollten die Zentralbanken das Tempo dieser Normalisierung jedoch beschleunigen. Insgesamt ist eine rasche Rückführung der Bankenliquidität somit technisch durchaus machbar. Längerfristige Inflationsgefahren resultieren jedoch aus der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Politikfehlers (sprich: zu langsames Vorgehen der Zentralbanken) in diesem schwierigen Umfeld.

5. Anders als die Rückführung der Bankenliquidität sollte die Entscheidung über eine Wiederanhebung der Leitzinsen nicht in erster Linie von der Entwicklung des Finanzsystems, sondern von den Perspektiven für die Realwirtschaft abhängig gemacht werden. Insofern unterscheidet sich die derzeitige Ausgangsposition nicht von früheren Rezessionen. Insbesondere sollte der Politikfehler vermieden werden, den die Fed in den Jahren 2003 und 2004 begangen hat, als sie die Leitzinsen – im Nachhinein betrachtet – zu spät und zu langsam angehoben hat. Eine Besonderheit liegt in der derzeitigen Situation allerdings vor. Es ist zumindest prinzipiell nicht auszuschließen, dass die realwirtschaftliche Entwicklung und die daraus resultierenden Inflationsgefahren bereits zu einem Zeitpunkt eine Anhebung der Leitzinsen verlangen, zu dem das Bankensystem noch auf eine umfangreiche Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken angewiesen ist. Um in einer solchen Konstellation einen Konflikt zu vermeiden, ist es notwendig, dass die Zentralbanken eine strikte Trennung vornehmen können zwischen ihrer an makroökonomischen Zielen ausgerichteten Geldpolitik (sprich: dem Leitzins) zum einen und der Aufrechterhaltung der Bankenliquidität zum anderen.

Die EZB ist hierauf mit ihrem Instrumentarium gut vorbereitet. Sämtliche überschüssige Liquidität wird von den Finanzinstituten im eigenen Interesse in der Einlagenfazilität geparkt, sodass ihr Zinssatz den unteren Eckzins des Interbankengeldmarktes bildet. Die EZB ist somit prinzipiell in der Lage, dem Bankensystem jedes erforderliche Quantum an Liquidität zur Verfügung stellen und gleichzeitig den Tagesgeldsatz am Interbankengeldmarkt auf ein gewünschtes Niveau nach oben zu schleusen. Etwas anders verhält es sich bei der Fed. In den USA lag die effektive Federal Funds Rate (Tagesgeldsatz, zu dem sich Finanzinstitute gegenseitig Zentralbankguthaben überlassen) schon vor der Leitzinssenkung im Dezember regelmäßig unter dem von der Fed definierten Zielsatz. Zwar verfügt die Fed seit Oktober mit dem Recht, Überschussreserven zu verzinsen, über ein Instrument, das analog zur Einlagenfazilität der EZB wirken soll. Es erwies sich jedoch als unzureichend, da die Fed einigen wichtigen Marktteilnehmern, insbesondere Fannie Mae und Freddie Mac, keine Guthaben verzinsen darf. Solange die Fed gezwungen ist, das Bankensystem reichhaltig mit Liquidität zu versorgen, besitzt sie unter den derzeitigen institutionellen Regelungen somit keine Kontrolle über den Tagesgeldsatz und somit keinen vollständigen geldpolitischen Handlungsspielraum. Sie wäre daher im Zweifelsfall rein technisch nicht zu einer Anhebung der Leitzinsen in der Lage. Dieses Defizit ließe sich jedoch durch Ergänzungen am geldpolitischen Instrumentarium grundsätzlich beheben, und die Fed war in dieser Hinsicht in den vergangenen Monaten sehr einfallsreich. Die einfachste Möglichkeit bestünde darin, das Recht, Zentralbankguthaben zu verzinsen, auf alle relevanten Marktteilnehmer auszuweiten. Alternativ könnte sie durch die Emission eigener Anleihen, die marktgerecht verzinst und handelbar sind, das Volumen der Überschussreserven gezielt zurückfahren. Sie wäre damit in der Lage, jedem einzelnen Finanzinstitut die gewünschte Menge an Liquidität zur Verfügung zu stellen, ohne dabei einen Anstieg des insgesamt umlaufenden Volumens an Zentralbankgeld hinnehmen zu müssen. Ihre Fähigkeit, den Tagesgeldsatz zu steuern, würde somit nicht unterminiert durch die Notwendigkeit, das Bankensystem mit ausreichend Liquidität zu versorgen.

Neben der Geldpolitik resultiert eine weitere mögliche Inflationsgefahr aus der expansiven Fiskalpolitik. Die Maßnahmenpakete der Regierungen zur Belebung der Konjunktur und zur Eindämmung der Finanzkrise werden weltweit einen massiven Einsatz von Steuergeldern erfordern. In den USA wurden Haushalten und Unternehmen bereits im vergangenen Jahr Steuererleichterungen von insgesamt 157 Mrd. Euro gewährt, um die private Nachfrage zu stärken. Für das in Kürze zu verabschiedende Konjunkturpaket wird ein Volumen von 825 Mrd. Dollar erwartet, die vermutlich zu einem großen Teil in Infrastrukturausgaben fließen werden. Die in Euroland angekündigten nationalen Konjunkturprogramme belaufen sich bisher auf eine Größenordnung von 230 Mrd. Euro. Darüber hinaus werden Kosten für die Sanierung der Finanzsysteme anfallen, deren Höhe sich im Augenblick noch gar nicht beziffern lässt. Denn noch ist unklar, in welchem Umfang staatliche Garantien tatsächlich in Anspruch genommen werden und zu welchen Preisen die in den vergangenen Monaten von den Regierungen erworbenen Beteiligungen an angeschlagenen Finanzinstituten wieder veräußert werden können.

Führt dieser enorme Einsatz staatlicher Finanzmittel auf Dauer zu einem Inflationsproblem? Zwei grundlegende Argumentationsstränge sind unserer Ansicht nach hier voneinander zu trennen. Erstens dürften die Maßnahmen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärken und somit – unter sonst gleichen Umständen – Aufwärtsdruck auf die Preise von Gütern und Dienstleistungen hervorrufen. Zweitens könnten die Zentralbanken bei einem starken Anstieg der Staatsverschuldung gedrängt werden, höhere Inflationsraten in Kauf zu nehmen, um die reale Staatsverschuldung zu senken.

Zu 1) Zielsetzung aller staatlichen Maßnahmen ist letztlich, die Tiefe und Dauer der aus der Finanzmarktkrise folgenden Rezession zu begrenzen. Die an das Finanzsystem gerichteten Hilfen werden dabei nicht direkt nachfragewirksam. Sie sollen vielmehr den Abschreibungsbedarf der Finanzinstitute zumindest teilweise ausgleichen und so die Kreditklemme mildern. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sie die Kreditvergabe soweit stimulieren, dass der daraus resultierende Anstieg der Ausgaben von Haushalten und Unternehmen zu höheren Inflationsraten führt. Ambition dieser Maßnahmen ist schließlich, einen Einbruch der Kreditvergabe und damit der privaten Nachfrage zu verhindern.

Die Konjunkturprogramme im engeren Sinne beinhalten höhere Staatsausgaben sowie Anreize zur Belebung der privaten Ausgaben wie etwa Steuererleichterungen. Diese werden sicherlich eine Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zur Folge haben, den in den vergangenen Monaten beobachteten Ausfall an privatem Konsum und Investitionen aber bei weitem nicht ausgleichen können. Von dem derzeit geplanten Konjunkturpaket in Deutschland über 50 Mrd. Euro erhoffen wir uns einen kumulierten Konjunkturimpuls von rund ¾ Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dies ist gering im Vergleich zu dem aktuellen Nachfrageausfall, der darin zum Ausdruck kommt, dass das BIP 2009 um 3 % sinkt, statt mit einer Potenzialrate von rund 1,5 % zu wachsen. Auch für die USA erwarten wir trotz der Konjunkturhilfen einen Rückgang des realen BIP in 2009 sowie eine nur moderate Erholung 2010. Selbst die sehr expansive Fiskalpolitik wird somit nicht verhindern können, dass die allermeisten Volkswirtschaften der Welt in den kommenden Jahren durch eine Unterauslastung ihrer Kapazitäten gekennzeichnet sein werden. Eine inflationäre Wirkung der Konjunkturpakete über die Nachfrageseite ist daher sehr unwahrscheinlich.

Zu 2) Ein zweites wichtiges Argument, warum die Hilfsmaßnahmen eine vermeintliche Inflationsgefahr darstellen ist, dass sie zu einer stark steigenden Staatsverschuldung führen und die Zentralbanken gedrängt werden könnten, die reale Staatsschuld durch eine Inkaufnahme höherer Inflationsraten zu verringern. Die Hürden hierfür sind in Euroland deutlich höher als in den USA. Dies liegt am unterschiedlichen Auftrag der beiden Notenbanken. Während die EZB ausschließlich der Preisstabilität verpflichtet ist, muss die US-Notenbank für einen Ausgleich zwischen Preisstabilität und Wachstum sorgen. Die EZB könnte nur über die Änderung entsprechender Gesetze auf EU-Ebene und in den Mitgliedsstaaten zu einer Veränderung ihrer wirtschaftspolitischen Zielsetzungen gebracht werden.

Richtig ist zunächst, dass die Staatsverschuldung in Euroland und den USA ansteigen wird. Auf Grundlage der Projektionen des Congressional Budget Office wäre in den USA damit zu rechnen, dass die Relation von Staatsschulden zum BIP in den kommenden zwei Jahren von knapp 75 % auf rund 86 % zunehmen wird. Ausgehend von einer Quote von 66 % ist in Euroland ein weniger starker Anstieg zu erwarten. Damit wären beide Währungsräume noch sehr weit von japanischen Verhältnissen entfernt. In dem japanischen Krisenjahrzehnt von 1990 bis 2000 stieg die japanische Staatsverschuldung sprunghaft an und beträgt heute 180% des BIP. Eine inflationäre Wirkung ist in Japan jedoch bis heute nicht festzustellen. Die zu erwartende Staatverschuldung in Euroland wie auch in den USA dürfte somit keine kritischen Niveaus erreichen, bei denen sich die Politik gezwungen sehen könnte, die Zentralbanken einzusetzen, um über eine lockere Geldpolitik die reale Staatsverschuldung zu reduzieren. Der Anreiz hierzu wird dadurch gemindert, dass höhere Inflationsraten zu höheren Inflationserwartungen und damit zu höheren Nominalzinsen führen. Nach kurzer Zeit wäre das Roll-Over ausstehender Staatsschulden daher nur zu höheren Zinssätzen möglich. Eine reale Entschuldung über höhere Inflationsraten beschränkt sich deshalb auf einen Einmaleffekt. Eine Nettoentlastung ergibt sich zudem nur dann, wenn mittelfristig mit einer geringeren Schuldenaufnahme zu rechnen ist, d.h. wenn nach einer Inflationsperiode die niedrigeren realen Schuldenstände dauerhaft gehalten werden. Dies ist aufgrund der demographischen Entwicklung weder in den USA noch in Euroland zu erwarten. Die Staatshaushalte werden in den nächsten Jahrzehnten durch höhere Pensionszahlungen und das Gesundheitssystem wesentlich belastet werden. Höhere Inflationserwartungen und Nominalzinsen sind daher nicht wünschenswert und sollten in der aktuellen Situation eine Entschuldung mittels Inflation verhindern.

6. Fazit: Wegen der starken Verwerfungen an den Finanzmärkten gehen von der derzeit sehr expansiven Ausrichtung der Geldpolitik keine akuten Inflationsgefahren aus. Für den langfristigen Inflationsausblick ist sehr wichtig, dass die Zentralbanken die monetäre Stimulierung rechtzeitig wieder zurückfahren. Sowohl bei der Bankenliquidität als auch bei den Leitzinsen sind sie hierzu rein technisch in der Lage, und zwar auf beiden Gebieten weitgehend unabhängig voneinander. Erhöhte Inflationsraten in den kommenden Jahren wären somit letztlich Ausdruck eines Politikfehlers derart, dass die Zentralbanken zu spät auf eine Beruhigung der Finanzmarktkrise oder eine konjunkturelle Erholung reagieren. Aufgrund der ungewöhnlich großen Unsicherheit über das gesamte wirtschaftliche Umfeld ist dieses Risiko derzeit sicherlich höher als unter normalen Umständen. Es ist aber grundsätzlich symmetrisch, d.h. ein Politikfehler, der in ein Deflationsszenario mündet, kann ebenso wenig ausgeschlossen werden. Es besteht im Augenblick daher keine Veranlassung, am langen Ende des Rentenmarktes erhöhte Inflationserwartungen einzupreisen, sondern allenfalls eine Risikoprämie als Kompensation für die gestiegene allgemeine Unsicherheit über die längerfristige Entwicklung des Preisniveaus. Wir gehen nicht davon aus, dass die Staatsverschuldung so stark ansteigen wird, dass nur höhere Inflationsraten sie wieder auf ein finanzierbares Ausmaß zurückbringen können. Die Notwendigkeit, den demographischen Wandel in den nächsten Jahrzehnten finanziell zu bestehen, führt bei den Regierungen zu dem Anreiz, am Kapitalmarkt glaubwürdig und stabil zu bleiben. Eine Missachtung der gegenwärtigen Inflationsziele würde die Inflationsprämien am Rentenmarkt und damit die Nominalzinsen erhöhen und sich damit mittelfristig nicht rechnen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen