Kommentar
13:45 Uhr, 25.06.2003

Merrrill Lynch - Wochenrückblick

In der letzten Woche verzeichneten die US-Aktienmärkte Zugewinne. Zu den interessanten Konjunkturdaten gehörte die Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits im ersten Quartal um 5,8% auf ein Rekordniveau von 5,1% des BIP. Im Mai kletterte zudem die Kerninflation bei den Verbraucherpreisen um 0,3% gegenüber dem Vormonat nach oben, im Jahresvergleich liegt der Anstieg bei 1,6%. Dies dämpfte die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich des Umfangs einer möglichen Zinssenkung durch die US-Notenbank in der nächsten Woche. Darüber hinaus stieg die Industrieproduktion im Mai um 0,1%, der erste Anstieg seit Februar, und der Index der Notenbank von Philadelphia (Phily-Fed-Index) verbesserte sich im Juni auf 4,0 nach -4,8 im Mai. Ebenfalls im Mai weitete sich das monatliche Staatsdefizit weiter auf 95 Mrd. US-Dollar aus, während die Leitindikatoren um 1,0% gegenüber dem Vormonat zulegten - der stärkste Anstieg seit Dezember 2001.

Zugewinne verzeichnete in der letzten Woche auch der japanische Aktienmarkt. So schloss der Nikkei die fünfte Woche in Folge im Plus. Am japanischen Aktienmarkt setzt sich derweil der starke Kapitalzustrom aus dem Ausland fort. Grund hierfür könnte die Einschätzung der Anleger sein, dass Japan-Positionen zyklische Engagements sind. Japanische Anleger hingegen setzen den Kauf von internationalen Hochzinsstaatsanleihen, insbesondere aus Europa fort. Das latente Steuervermögen börsennotierter Nichtfinanzunternehmen machte im Geschäftsjahr 2002 einen Sprung um 34% nach oben und macht inzwischen 12% des Reinvermögens aus (im Geschäftsjahr 2001 waren es noch 9%). Dies gibt möglicherweise Anlass zur Sorge, denn diese Steuerrückzahlungen können nur dann realisiert werden, wenn die Unternehmen in den kommenden fünf Jahren ausreichend hohe Gewinne erwirtschaften. Beflügelt durch niedrige Renditen kam es derweil zu einer verstärkten Emission von Unternehmensanleihen.

In Europa legten die Aktienmärkte in dieser Woche leicht zu. Dank des schwächeren Euros gehörten Lebensmittel und Getränke (+5,0%), Autos (+4,5%) und Gesundheitswerte (+3,7%) zu den Branchen mit der besten Performance, während Ölgesellschaften (+1,4%), Finanzdienstleister (+0,7%) und Medien (0,6%) zurückblieben. Einen deutlichen Kursanstieg verzeichneten auch Norsk Hydro, das die Ausgliederung seines Agrargeschäfts ankündigte, sowie ABB, bei dem ein Ende der Asbestschadensersatzforderungen in Sicht ist. Zu den wichtigen Konjunkturdaten in Europa gehörten der Rückgang der britischen Einzelhandelsumsätze um 0,1% gegenüber dem Vormonat (+3,1% ggü. dem Vorjahr) sowie der gegenüber dem Vormonat um 0,3% gefallene Herstellerpreisindex (+1,3% im Jahresvergleich) in Deutschland, der damit die Angst vor einer Deflation schürte.

In der Region Asien-Pazifik profitierten insbesondere die Aktienmärkte in Taiwan und Südkorea vom weiteren starken Kapitalzustrom aus dem Ausland, der jedoch die Zentralbanken auf den Plan rief, die mit Interventionen versuchen, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

In Lateinamerika senkte die brasilianische Zentralbank bei dem Versuch, das Wachstum anzukurbeln, erstmals in diesem Jahr die Zinsen um 0,5 Basispunkte. Die Industrieproduktion Argentiniens legte im Mai um 13,5% gegenüber dem Vorjahr zu.

An den europäischen Emerging Markets erhöhte Ungarn die Zinsen auf 2,0%, um der Inflation entgegenzuwirken und um den Forint zu stützen. Der russischen Zentralbank zufolge wird der Zustrom privaten Kapitals im zweiten Quartal erstmals seit zehn Jahren höher ausfallen als der Abfluss.

An den weltweiten Staatsanleihemärkten kam es zu einem drastischen Ausverkauf von US- und japanischen Staatsanleihen und die Renditen auf zehnjährige Anleihen stiegen um 0,3% bzw. 0,15%. Das ist vermutlich auf den höher als erwartet ausgefallenen US-Verbraucherpreisindex zurückzuführen, durch den eine 0,5%-ige Zinssenkung durch die Fed nun weniger wahrscheinlich geworden ist. Gewinnmitnahmen spielten ebenfalls eine Rolle.

An den Devisenmärkten schwächte sich der Euro gegenüber dem US-Dollar ab, der von positiven US-Fundamentaldaten sowie der gesunkenen Wahrscheinlichkeit einer Fed-Zinssenkung um 0,5% profitierte.

An den Ölmärkten stieg der Ölpreis an. Dies war zum Teil auf Befürchtungen über die unzureichende Sicherheit der Ölversorgung nach der Explosion einer Pipeline im Irak zurückzuführen.

Zweideutigkeit bleibt die einzige Konstante
Die zweideutigen Konjunkturdaten bleiben bislang die einzige Konstante. Zwar ist zweifellos eine Besserung der Konjunktur zu beobachten, diese vollzieht sich aber nur in kleinen Schritten. Optimisten verweisen auf den positiven Trend und darauf, dass weitere Impulse von der Geldpolitik in der zweiten Jahreshälfte ihre Wirkung auf die Wirtschaft entfalten werden. Die Pessimisten auf der anderen Seite bemängeln das nur schwache Wachstum angesichts der bereits erfolgten umfangreichen Zinsschritte. Wir fühlen uns eher der ersten Gruppe zugehörig, auch wenn uns hierbei etwas mulmig ist, und hoffen auf gute Nachrichten beim Auftragseingang in dieser Woche.

Swing zwischen Anleihen und Aktien weiter intakt
Die ganze Aufmerksamkeit des Marktes richtet sich auf den Zinsbeschluss des Offenmarktausschusses am kommenden Mittwoch. Nach den insgesamt ermutigenden Konjunkturnachrichten der letzten Woche und dem höher als erwartet ausgefallenen Inflationsbericht wird an den Rentenmärkten inzwischen nur noch eine Zinssenkung um 0,25% eingepreist. Ein Zinsschritt um 0,50% wird immer unwahrscheinlicher. Wir sind fest davon überzeugt, dass Greenspan die Chance nutzen wird, um die Entschlossenheit der Zentralbank im Kampf gegen die Deflation zu bekräftigen. Angesichts der kritischen Bewertungsniveaus an den Rentenmärkten und der immer noch wackeligen Konjunkturerholung darf Greenspan keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen lassen.

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