Kommentar
12:29 Uhr, 06.05.2003

Merrill Lynch - Marktüberblick Aktien

Nach wie vor besteht wenig Aussicht auf eine starke Konjunkturerholung, weswegen jetzt - verglichen mit dem Jahresanfang 2003 - nur noch wenig dafür spricht, Aktien den Anleihen vorzuziehen. Der Einbruch der realen Rentenrenditen im März trug jedoch, wenn auch nur kurzzeitig, dazu bei, dass die Aktienbewertungen auf den (gemessen an Anleihen) attraktivsten Stand der letzten 20 Jahre fielen. Was das mittelfristige implizierte Ertragswachstum angeht, so sind Aktien im Verhältnis zu Anleihen im Allgemeinen günstig bewertet. Die "Kriegsprämie" ist zwar zurückgegangen, aber es besteht immer noch die Möglichkeit, dass die Aktienrisikoprämien wieder steigen. Die Aktienmarkterholung könnte durch eine sich länger hinziehende Militäraktion im Irak, schwaches Nominalwachstum und globale Überkapazitäten aufgehalten werden.

Ein einfacher Indikator für die Aktienkursentwicklung (ausschließlich Gold- und Energieaktien) ist der Ölpreis. Steigende Ölpreise verheißen ein schlechtes Abschneiden der Aktien, während fallende Preise optimistischere Aussichten und geringere Aktienrisikoprämien erwarten lassen. Während der Fall des Ölpreises von seinen Höchstständen bei 40 US-Dollar (WTI) durchaus positiv ist, würde ein signifikanter - und dringend gebrauchter - Anschub für das Wirtschaftswachstum nur von einem Ölpreis unter 20 US-Dollar ausgehen. Wir halten dies angesichts des knappen Angebots für unwahrscheinlich und rechnen damit, dass sich der Preis um die 25 US-Dollar-Marke einpendelt.

Obwohl die Liquiditätsbedingungen weltweit für die Aktienmärkte günstig sind, sollten wir doch aus den Erfahrungen aus 2002 lernen: Wichtiger als der makroökonomische Hintergrund ist die Frage, um welche Art Liquidität es sich handelt und wofür diese eingesetzt wird. Berücksichtigt man, dass die Aktienscheu der Anleger nach extremen Baissephasen recht lange anhält, so ist anzunehmen, dass Immobilien und andere "reale" Vermögenswerte einen Großteil dieser Liquidität absorbieren werden.

Wir halten es noch für zu früh, das Ende der Baissephase einzuläuten, und obwohl die jüngste Performance des Kreditmarkts diese unterstützt, rechnen wir damit, dass Anleger eher greifbare Anlagen, traditionell defensive Sektoren und Fonds, die in diesen Bereichen anlegen, bevorzugen werden. Sollten wesentlich stärkere Ölpreisrückgänge und ein viel stärkerer Konjunkturaufschwung ausbleiben, so werden wir unser Aktienengagement mit steigenden Risikoprämien reduzieren.

Quelle: Merrill Lynch

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