Kommentar
08:33 Uhr, 19.10.2007

Mazedoniens Wirtschaft und Börse hat mehr Aufmerksamkeit verdient

Über Mazedonien ist hierzulande ganz allgemein noch immer relativ wenig zu lesen. Mit nur rund 2,1 Mio. Einwohnern und einer lediglich rund vier Mrd. Euro schweren Volkswirtschaft ist das Land zwar klein, aber die geringe Größe kann nicht die alleinige Erklärung für dieses Phänomen sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist sicherlich auch, dass Mazedonien als Mitglied von Ex-Jugoslawien eines der wirtschaftlich rückständigsten Gebiete mit einer nur gering entwickelten Industrie und nur geringen Rohstoffvorkommen war. Nach der Unabhängigkeit trugen dann auch innen- (Konflikte gibt es immer wieder zwischen den beiden größten Nationalitäten, den Mazedoniern und den Albanern) und außenpolitische (vor allem mit Griechenland) Schwierigkeiten mit dazu bei, dass das Land relativ isoliert geblieben ist. Ablesen lässt sich diese Isolation auch an manchen Details, wie etwa der Tatsache, dass die Hauptstadt Skopje von deutschen Flughäfen nur mit Zwischenstopps zu erreichen ist.

Dabei hätte es sich aus Börsianersicht mehr als gelohnt, dem dortigen Aktienmarkt eine größere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn im Vorjahr ist der richtungsweisende und aktuell bei etwa 9.400 Punkten notierende MBI 10 Index schon um 61,54 Prozent gestiegen und in diesem Jahr hat er sogar noch einen drauf gesetzt. Mit einem bisher seit Jahresanfang eingefahrenen Plus von rund 155 Prozent steht er nicht nur regional betrachtet ganz oben in der Performance-Rangliste, sondern rangiert auch im Vergleich aller Weltbörsen weit vorne.

Schwierige Informationsbeschaffung

Trotz dieser mehr als überzeugenden Wertentwicklung kennen wir keinen größeren Bericht in einem der gängigen hiesigen Medien über diesen Markt. Aber auch hierfür gibt es Gründe. Denn wer schon einmal versucht hat, Informationen über diese Börse auszugraben, der tut sich ausgesprochen schwer. Die Internetseite der Börse ist zwar durchaus informativ (Internet-Adresse: www.mse.org.mk/), aber damit hat es sich dann auch fast schon an Quellen. Beim Versuch Kontakt mit lokalen Brokern aufzunehmen, findet man im besten Fall zwar am anderen Ende der Telefonleitung einen geduldigen Zuhörer, aber wenn es dann darum geht, brauchbare Informationen zu liefern, wartet man trotz anders lautender Versprechungen in der Regel vergeblich. Das war vor zwei Jahren schon so und bis heute hat sich daran wenig geändert.

Trotzdem wagen wir in dieser Ausgabe eine erste Annäherung an diesen Markt und vermutlich schon in der kommenden Ausgabe werden wir die Einblicke dann noch etwas vertiefen, sofern ein zwischenzeitlich geplanter Besuch vor Ort halbwegs ergiebig verlaufen sollte. Erfreulicherweise sind aber nicht alle Akteure in Mazedonien so schläfrig wie offenbar viele Broker. So hat anscheinend die Regierung die Zeichen der Zeit erkannt und versucht das Land wirtschaftsfreundlich aufzustellen. Tatkräftig unterstützt wird sie dabei von der Agentur für ausländische Investitionen in der Republik Mazedonien (Internet-Adresse: www.investinmacedonia.com). Diese schaltet gerade zum dritten Mal unter dem Motto Invest in Macedonia über einen Zeitraum von drei Monaten Anzeigen in 35 weltweit erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften, in denen auf die Vorzüge des Landes hingewiesen wird.

Volkswirtschaftliches Umfeld mit Stärken und Schwächen

Das Land hat in dieser Hinsicht übrigens tatsächlich eine Botschaft zu vermitteln. Denn nicht umsonst wurde Mazedonien in diesen Jahr von der Weltbank als einer der fünf Top-Reformstaaten weltweit gelobt. Zu den Errungenschaften zählen dabei eine auf zwölf Prozent gesenkte Unternehmensgewinnbesteuerung (die 2008 weiter auf zehn Prozent fallen wird und die auf für die Einkommenssteuer gilt, thesaurierte, also einbehaltene Gewinne werden sogar überhaupt nicht besteuert), allgemeine Vereinfachungen im Steuersystem sowie kürze Fristen beim Gründen von Firmen (seit Anfang September ist es möglich, in nur vier Stunden ein neues Unternehmen zu gründen. Die dabei anfallenden Gebühren betragen nicht einmal 150 Euro, ein Mindestkapital muss das Unternehmen nicht aufweisen) und der Genehmigung von Bauanträgen. Mit einem insgesamt in der Studie erreichten Platz 75 unter 96 einbezogenen Ländern wird aber gleichzeitig auch deutlich, dass das Land bei der Frage, wie einfach es ist, dort Geschäfte zu machen, generell noch einigen Nachholbedarf hat.

Zu den weiteren Problemfeldern zählen eine sehr hohe Arbeitslosenquote (fast ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung geht keiner offiziellen Erwerbstätigkeit nach), eine ausgeprägte Korruption, organisierte Kriminalität, ein ineffizienter Staatsapparat sowie die Schattenwirtschaft, die schätzungsweise auf einen Anteil von 45 Prozent des Bruttoinlandsproduktes kommt. Doch es ist ermutigend, dass die Probleme offenbar angegangen werden. Ziel der Regierung ist es , die Korruption in ein „low profit and high risk business“ zu verwandeln. Hohe Priorität hat zudem auch eine Bildungsoffensive, die unter anderem die Forcierung des Fremdsprachen-Unterrichts in den Schulen vorsieht.

Die unternommenen Anstrengungen tragen inzwischen bereits Früchte. Die konjunkturelle Dynamik hat jedenfalls bereits spürbar zugenommen. So wuchs das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2007 um sieben Prozent, nachdem die Wachstumsrate in den Jahren zuvor rund vier Prozent betrug. Die Inflation bewegt sich mit unter zwei Prozent in moderaten Bahnen, die Exporte sind im ersten Halbjahr um 50 Prozent gestiegen, das Budgetdefizit wird im Gesamtjahr weniger als ein Prozent des BIP betragen und die öffentliche Verschuldung beträgt nur 32 Prozent des BIP.

Baldiger EU- und NATO-Beitritt angestrebt

Dies zusammen mit anderen Fortschritten lassen die mazedonische Regierung auf eine offizielle Einladung zum NATO-Beitritt beim nächsten NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 hoffen. Ebenfalls im ersten Halbjahr 2008 soll auch ein Datum für den Beginn offizieller Beitrittsverhandlungen mit der EU feststehen. Die EU hatte Mazedonien im Dezember 2005 als Beitrittskandidaten akzeptiert. Die Verhandlungen sollten aber erst beginnen, wenn Mazedonien auch reif dafür sei, hieß es damals. Bisher wurden die politischen, wirtschaftlichen und rechtstaatlichen Reformen zwar als viel versprechend, aber noch ungenügend betrachtet. Am 6. November wird es den nächsten Fortschrittsbericht zu diesem Thema von der EU geben.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hat Mazedonien bei seinen EU-Ambitionen erst unlängst einen kleinen Dämpfer verpasst, indem er Versäumnisse bei den von der EU geforderten Reformen kritisierte. Seiner Ansicht nach muss es mehr konkrete Resultate bei der Justiz- und Polizeireform und in der öffentlichen Verwaltung geben. Außerdem verlangte Rehn weitere Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung. Auch muss vor einem Beitritt erst eine Lösung im Namensstreit mit Griechenland gefunden werden. Der Nachbar akzeptiert den Namen Republik Mazedonien nicht, weil ein Teil Griechenlands ebenfalls Mazedonien heißt. Athen befürchtet, dass das nördliche Nachbarland bei einer Anerkennung seines Namens Gebietsansprüche auf die griechische Region Mazedonien geltend machen könnte. Mazedonien hat aber seine Verfassung längst geändert und erklärt nun ausdrücklich, dass es keine territorialen Ansprüche gegenüber den Nachbarstaaten hat.

Banken und Bauwerte in der Favoritenrolle

Wer nach spannenden Anlageideen sucht, der muss wie in den meisten vergleichbaren Fällen nicht allzu lange nachdenken, auf welche Bereiche er sich konzentrieren soll. Denn wie überall sehen auch hier die Branchen Bau und Finanzen mit am viel versprechendsten aus. So haben die mazedonischen Baufirmen im ersten Halbjahr 2007 Aufträge im Gesamtwert von 80 Mio. Euro verbucht, was um 54 Prozent über dem Vorjahreszeitraum lag. Schon in den 1970er und 1980er Jahren hatten sich übrigens die Baufirmen der damals noch jugoslawischen Teilrepublik vor allem in der Sowjetunion und im Nahen Osten einen guten Ruf erworben.

Enormes Wachstumspotenzial beinhaltet auch der bisher überregulierte Bankenmarkt, der Anfang 2008 völlig liberalisiert werden soll. Laut Finanzministerium beträgt die Bilanzsumme der Banken erst 57,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zu den börsennotierten Unternehmen aus dieser Branche zählen Komercijalna Banka Skopje, Stopanska Banka Skopje und Tutunska Banka, im Bausektor sind Beton Skopje und Granit Skopje zu nennen.

Generell ist der Gesamtmarkt nach den erwähnten starken Kursgewinnen generell nicht mehr unterbewertet. Wer Schnäppchen finden will, der muss inzwischen schon etwas genauer suchen. Mittlere einstellige KGVs weisen aber noch der Tabakproduzent Strumica Tabak auf sowie der Eisenbahn-Zulieferer MZT Hepos. Kurs-Buchwert-Verhältnisse von unter eins weisen noch das Bauunternehmen EMO Ohrid auf sowie der Haushaltsgeräte-Einzelhändler Tehnometal Vardar. Marktbeobachter wie �eljko Bunjevac vom kroatischen Broker Fima Securities oder Borislav Yonchev von Equity Watch Research Services (siehe Interview) trauen dem Markt zwar auch weiterhin Kursgewinne zu, aber mit einer deutlich geringeren Dynamik von vielleicht 20 Prozent im Jahr.

Was die Risiken im Umfeld angeht, so sind in erster Linie politische Gefahren zu nennen. Innenpolitisch flammen immer wieder einmal Konflikte zwischen den verschiedenen Nationalitäten auf und außenpolitisch stellt die ungelöste Frage der Unabhängigkeit des Kosovos eine unbekannte Determinante dar, weil es sich dabei um einen direkten Nachbarn handelt. Ansonsten ist die geringe Liquidität natürlich ein Hemmschuh für größere Investoren, das Problem der Informationsbeschaffung und die bei den meisten Unternehmen noch fehlende Shareholder Value-Kultur.

Gehandelt wird seit mehr als zehn Jahren

Was die Börse an sich anbelangt, anschließend noch einige Ergänzungen. Gegründet wurde die Börse am 13. September 1995 und der Handel wurde am 28. März 1996 aufgenommen. Gehandelt wird an jedem Werktag von 09.00 bis 12.00 Uhr über das elektronische Handelssystem BEST (Bourse Electronic System for Trading). Es gibt zwei übergeordnete Marktsegmente, den offiziellen Markt und den regulären Markt. Der richtungsweisende Aktienindex ist der MBI 10 Index, der momentan die zehn liquidesten Aktien (Alkaloid AD Skopje, Toplifikacija AD Skopje, Komercijalna banka AD Skopje, Makpetrol AD Skopje, Fersped AD Skopje, Stopanska banka AD Bitola, Granit AD Skopje, Makedonijaturist AD Skopje, Evropa AD Skopje und Ohridska banka AD Ohrid) enthält.

Die Börse hat derzeit 17 Mitglieder, elf Broker und sechs Banken. Eine Übersicht dazu mit Adressen findet sich unter www.mse.org.mk/en/members/mse_members.asp. Die drei größten Broker mit den höchsten Aktienumsätzen waren im September Komercijalna banka, Fersped Broker und Inovo Broker. Die Marktkapitalisierung betrug Ende August gerade einmal 5,9 Mrd. Euro. In einem etwas größeren Stil entdeckt wurde der mazedonische Aktienmarkt von Ausländern erst vor rund einem Jahr. Wie so oft haben dabei Investoren aus Slowenien, aber auch aus Kroatien, eine Vorreiterrolle mit übernommen. Die heimischen Investoren sind dann ebenfalls verstärkt auf den in Fahrt gekommenen Zug aufgesprungen.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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