Kommentar
10:19 Uhr, 18.02.2022

Lösen steigende Zinsen eine Immobilienkrise aus?

Ob in Deutschland, den USA oder Australien, Immobilienpreise sind rasant gestiegen. Niedrige Zinsen haben das ermöglicht. Nun steigen sie. Folgt eine Immobilienkrise?

In manchen Ländern kommen die Zinsen für Immobilienkredite fast wie Wucher vor. Obwohl weder die EZB noch die Fed den Leitzins angehoben haben, steigen die Zinsen für Kredite im Hintergrund bereits kräftig. In den USA war eine Hypothek mit 30 Jahren Laufzeit vor einem Jahr zu 2,6 % zu haben. Heute steuert der Zinssatz auf 4 % zu.

In der Schweiz konnte man zu den besten Zeiten für 10 Jahre einen Zinssatz von knapp 1 % haben. Viele Banken wollen aktuell mehr als 1,5 %. Das kommt einem nach einem Jahrzehnt immer weiter sinkender Zinsen wie Wucher vor, zumal Immobilien selbst sehr teuer geworden sind. Selbst ein halber Prozentpunkt mehr an Zinsen macht eine Immobilie praktisch unerschwinglich.

Deswegen droht nicht unbedingt eine Immobilienkrise aufgrund fallender Hauspreise. Hohe Inflation lässt fallende Immobilienpreise unwahrscheinlich erscheinen. Dafür gibt es ein anderes Problem, welches bereits 2008 zur Finanzkrise führte. Die Rede ist von vielen Krediten mit einem variablen Zinssatz.

In den USA wurden zur Jahrtausendwende vor allem Kredite mit variablem Zinssatz vergeben. Für viele war das attraktiv. Die Zinsen waren niedrig und der Kredit erschien leistbar, vor allem auch wegen steigender Preise. Als die Notenbank dann in den Jahren vor der Finanzkrise die Zinsen innerhalb kurzer Zeit stark erhöhte, waren die Zinszahlungen nicht mehr leistbar. Viele Haushalte mussten in Privatinsolvenz. Banken hatten hohe Ausfälle zu beklagen und plötzlich fielen Hauspreise wie ein Stein.

Auslöser war der Zinsanstieg. Dieser ist dann relevant, wenn sich Haushalte zu variablen Zinsen verschulden. Wer in den letzten Jahren einen Kredit mit Laufzeit von 10 Jahren oder mehr abgeschlossen hat, hat auch in den kommenden Jahren kein Problem.

In vielen Ländern wurde aus der Immobilienkrise vor 15 Jahren gelernt. In Europa ist der Anteil der Immobilienkredite mit variablen Zinsen in vielen Ländern rückläufig (Grafik 1).

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Aber nicht alle haben aus der Krise gelernt. Ob in Zypern, Estland oder Polen, variable Zinsen sind nach wie vor beliebt.

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Nun steigen die Zinsen nicht nur homöopathisch, sondern dürften erst am Anfang einer radikalen Wende stehen. Die Zinslast wird erdrückend. Einige Haushalte werden sich das nicht mehr leisten können. Jene, die es sich zwar leisten können, müssen aber beim Konsum den Gürtel enger schnallen. Es wird das Wirtschaftswachstum negativ beeinflussen.

Global gibt es mehrere mögliche Krisenherde. Dazu gehören viele osteuropäische Länder, aber auch Finnland, Zypern, Portugal und im Rest der Welt Norwegen und Australien. Selbst in Kanada, wo ein Drittel der Hypotheken variabel sind, können Probleme auftreten.

Niemand hätte es vor zwei Jahren für möglich gehalten, dass ein Leitzins in den USA, Kanada oder Australien innerhalb eines Jahres auf 2 % und mehr steigen könnte. Genau diese Möglichkeit gibt es nun. Das wird für einige Länder richtig schmerzhaft. Immobilienkrisen sollte man nicht ausschließen.


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1 Kommentar

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  • mariahellwig
    mariahellwig

    Wenn etwas sehr preiswert war und dann im Preis steigt, führt das in der Regel zu einem zurückhaltenden Käuferinteresse. Man wartet erst mal ab, ob die Zinsen nicht wieder fallen. So gesehen kann es schon zu sinkenden immobilienpreisen kommen.

    10:59 Uhr, 18.02.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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