Lindner will Haushalt 2025 zu "Inventur" von Sozialleistungen nutzen
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat darauf gepocht, in den Verhandlungen zum Budget 2025 auch Sozialleistungen auf ihre Treffsicherheit hin zu überprüfen. Es sei "immer populär", eine Ausdehnung sozialer Leistungen zu fordern, die Frage sei aber, wie treffsicher der Sozialstaat sei. "Ich wünsche mir und arbeite daran, dass wir in diesem Sinne den Haushalt 2025 nutzen als eine Inventur, als eine Gelegenheit, auch zu prüfen, wo der Sozialstaat treffsicherer werden kann", sagte Lindner beim Deutschen Steuerberaterkongress in Berlin. "Solidarität setzt immer eine Gegenleistung voraus", betonte der FDP-Vorsitzende. So sei das Bürgergeld nicht etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Lindner forderte zudem ein Ende der Einspeisevergütung für neue Erneuerbaren-Anlagen. Auch müsse man sich bei der Entwicklungszusammenarbeit fragen, ob in Zeiten innenpolitischer Herausforderungen "jede Milliarde, die wir für Entwicklungshilfe im Ausland ausgeben, wirklich deutschen Interessen dient". Der Finanzminister bekräftigte sein Festhalten an der Schuldenbremse. Der leichte Weg, wieder neue Schulden zu machen, sei verbaut, "höchstrichterlich aber auch ökonomisch", sagte Lindner. "Und wenn ich der Letzte bin, werde ich an der Verteidigung der Schuldenbremse ... festhalten", sagte er.
Derzeit befinde sich Deutschland in einer ausgeprägten Wachstumsschwäche, "die hat auch nichts Konjunkturelles", betonte er. Deutschland habe in den vergangenen zehn Jahren die harten Standortfaktoren vernachlässigt. Deshalb brauche man jetzt eine "Wirtschaftswende". Unter anderem gelte es, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz mit Leben zu füllen. Zeitarbeitsfirmen sollten auch im Ausland rekrutieren dürfen, forderte Lindner. Der Bürokratieabbau bleibe außerdem eine Daueraufgabe.
Kalte Progression soll verhindert werden
Mit Blick auf die Steuerlast betonte Lindner, das nun verabschiedete Wachstumschancengesetz sei nur "ein erster kleiner Baustein" einer echten wachstumsfördernden Steuerpolitik. "Insgesamt müssen wir noch darüber hinausgehen", forderte der Finanzminister. Noch dieses Jahr solle in einem Steuerrechtsänderungsgesetz unter anderem der Steuertarif für 2025 und 2026 nach rechts verschoben werden, um eine kalte Progression bei der Einkommenssteuer zu verhindern, kündigte er an. Auch solle dort die Einführung des Faktorverfahrens für Steuerklasse 4 anstelle der Steuerklassen 3 und 5 auf den Weg gebracht werden.
Zudem werde man "über die Abschreibungen noch einmal nachdenken müssen". Lindner verwies auf Gruppenabschreibungen und forderte, Abschreibungen müssten zeitlich länger gestreckt werden. Außerdem müsse auch die ertragssteuerliche Belastung reduziert werden, "und zwar insbesondere für die deutsche Wirtschaft". Deshalb müsse man "jetzt neu" die Frage nach dem Solidaritätszuschlag stellen. Lindner bekräftigte den Vorschlag, "Schritt für Schritt" auf den Soli zu verzichten. Dies könne auch einen Effekt auf die Wirtschaftsdynamik haben, meinte der Bundesfinanzminister.
Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Hartmut Schwab, hatte zuvor in seiner Eröffnungsrede einen Abbau von Bürokratie auf europäischer und nationaler Ebene angemahnt. "Es muss Schluss sein mit immer neuen Belastungen, dem ewigen Klein-Klein und Nebeneinander von Einzelregelungen", so Schwab. "Es ist Zeit, dass endlich ernst gemacht wird mit dem Abbau von Bürokratie, beschleunigten Verfahren und mehr Anreizen für Unternehmen." So komme der Standort Deutschland wieder in Fahrt und auch Europa sei für die künftigen Herausforderungen gewappnet. Sollten Unternehmen wirksam von bürokratischen Lasten befreit werden, führe kein Weg an einem Abbau von Berichts- und Dokumentationspflichten vorbei.
"Die EU hat zahlreiche steuerrechtliche Compliance-Pflichten für Unternehmen geschaffen. Diese führen bei uns und unseren Mandanten zu einer enormen administrativen Belastung, da sie weder aufeinander abgestimmt noch mit Augenmaß ausgerichtet sind", so Schwab. Allen voran kritisiert er die umfangreichen und nicht aufeinander abgestimmten Meldepflichten für Unternehmen. Er forderte, dass die EU die "One-in-One-out"-Regelung konsequent umsetze. "Unternehmen können nicht mit immer neuen Pflichten belastet werden. Wenn Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitsberichterstattung kommen, muss auch an anderer Stelle gestrichen werden."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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