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12:52 Uhr, 12.11.2024

Lindner warnt vor "Strömungsabriss" in der Wirtschaft

Von Andreas Kißler

DOW JONES--Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat vor einem "Strömungsabriss" in der deutschen Wirtschaft gewarnt und grundlegende Reformen gefordert. "Ich habe die Befürchtung, dass, wenn wir nicht schnell und entschlossen handeln, es möglicherweise zu einem Strömungsabriss in der deutschen Wirtschaft kommen könnte oder anders gesagt zu irreversiblen Struktur- und Beschäftigungsverlusten", sagte Lindner beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. "Deshalb brauchen wir so etwas wie einen Agenda-Moment, der die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, gemeinsam in den Blick nimmt."

Lindner betonte, er sei "in Sorge hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, denn ein Jahrzehnt verlorene Wettbewerbsfähigkeit verbindet sich mit einer konjunkturellen Belastung und mit einem beschleunigten Strukturwandel". Er beklagte ein geringes Produktivitätswachstum in Deutschland, weil Kreativität und die Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko "durch ein immer feiner gewebtes bürokratisches Gespinst gelähmt" worden seien, ein zu geringes Arbeitszeitvolumen bezogen auf das Jahr, ein Investitionsstau auch im öffentlichen Bereich und eine inzwischen zu hohe Steuerlast, gerade auch für die Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen.

"Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir uns den deutschen Sonderweg in der Klima- und Energiepolitik tatsächlich leisten können", sagte der frühere Bundesfinanzminister zudem und bekräftigte seinen Vorschlag, das deutsche Klimaziel auf 2050 zu verschieben. Lindner betonte, er habe sich dieses Jahr im April bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds geschworen, wenn er zur nächsten Frühjahrstagung als Finanzminister komme, dann sei Deutschland nicht mehr das Beispiel für Wachstumsschwäche, sondern für den Mut zu strukturellen Reformen. "Wir wissen jetzt, der 23. Februar ist Neuwahl des Bundestages. Ich kann es also noch schaffen", sagte Lindner. Anspruch der FDP sei es, "zweistellig zu werden".

Der frühere Finanzminister betonte außerdem, eine vorläufige Haushaltsführung für 2025 wegen des Zusammenbruchs der Ampel-Koalition bedeute "keine Staatskrise" und sei "keine Notsituation", wegen der sich die Bevölkerung sorgen müsse. "Der Staat ist und bleibt handlungsfähig", sagte Lindner.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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