Lindner: Soft Landing ist wahrscheinlicher geworden
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) setzt angesichts der momentan niedrigen Wachstumsprognosen für Deutschland auf ein "Soft Landing" der Konjunktur und eine Stärkung der Wirtschaftsaussichten in Europa durch eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei einer Diskussionsveranstaltung in Washington drang der FDP-Vorsitzende aber vor allem auch auf angebotsseitige Reformen zur Verbesserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit.
"Es ist viel wahrscheinlicher, dass es zu einer weichen Landung kommt, als manche vor zwei Jahren befürchtet haben", sagte Lindner bei dem auf Englisch abgehaltenen "World Economy Summit" am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF). "Und ich denke, dass wir bei der Inflation sehr gut dastehen. In Deutschland bewegen wir uns auf die Inflationsrate von 2 Prozent zu", sagte er. Das sei eine sehr gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft und für die privaten Haushalte. Dies liege an der Geldpolitik der EZB, aber auch an der Finanzpolitik der Regierungen, zum Beispiel der deutschen, die einen moderaten restriktiven finanzpolitischen Kurs verfolgten.
"In Deutschland beklagen sich die Leute über meine moderat restriktive Haushaltspolitik. Aber wahrscheinlich werden wir in diesem Jahr eine Senkung des Zinsniveaus durch die EZB erleben, was unsere Wirtschaftsaussichten verbessern wird", sagte Lindner. In den USA hingegen sei die Inflationsrate wieder höher, was die Notenbank zwinge zu reagieren. Ausdrücklich verteidigte Lindner die deutsche Wirtschaftsentwicklung in der jüngsten Krise. "In Anbetracht der Umstände haben wir meiner Meinung nach Widerstandsfähigkeit gezeigt", betonte er. Deutschland habe seine Energieversorgung wieder aufbauen müssen, nachdem man abhängig von fossilen Energieimporten aus Russland gewesen sei.
"All diese strukturellen Krisen, die uns einige vorausgesagt haben, sind nicht eingetreten", betonte Lindner. "Und jetzt ist es an der Zeit, unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verbessern." Deutschland habe seit einem Jahrzehnt an Wettbewerbsfähigkeit verloren und brauche nun "ein Momentum für Strukturreformen", um mehr an Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität zu gewinnen. "Wir sehen jetzt ein Wachstum, das viel niedriger ist als das, was wir zu erreichen in der Lage sein sollten", sagte er. Nötig seien Reformen auf dem Arbeitsmarkt, ein Abbau von Bürokratie und Reformen im Steuersystem. "Die letzte Reform unserer Körperschaftssteuer stammt aus dem Jahr 2008, und damit ist die effektive Steuerbelastung für unsere Unternehmen zu hoch."
Konzentriere man sich auf diese angebotsseitigen Maßnahmen, werde Deutschland in der Lage sein, "unser Potenzialwachstum innerhalb von zwei bis drei Jahren zu verdoppeln", zeigte sich Lindner überzeugt. Im Moment liege dieses allerdings bei 0,5 Prozent. Der Bundesfinanzminister drang zudem erneut auf schrittweise Fortschritte bei der EU-Kapitalmarktunion und bekräftigte die Verpflichtung, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben vorzusehen. Ab 2028 müssten diese aus dem regulären Haushalt finanziert werden. "Dies ist eine Herausforderung", konstatierte Lindner. "Aber wir wissen, dass es Teil einer fairen Lastenteilung zwischen den Nato-Mitgliedern ist."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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