Lindner fordert Wirtschaftswende und warnt vor uferloser Staatsverschuldung
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine "Wirtschaftswende" angemahnt und zugleich vor "uferloser Staatsverschuldung" gewarnt, die es zu vermeiden gelte. "Nach einer Zeit der Krisenbewältigung und des Ausbaus des Wohlfahrtsstaates fordere ich jetzt eine Wirtschaftswende", sagte Lindner beim "Zukunftstag Mittelstand" des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW). "Wir können uns nicht länger nur darauf konzentrieren, den erreichten Wohlstand zu verteilen oder zu verwalten." Die Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse verteidigte der Bundesfinanzminister als "ein Gebot ökonomischer Vernunft". Sie stelle sicher, dass die Politik nicht auf Dauer zulasten der Zukunft wirtschafte.
Der Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Investitionen von Unternehmen in Zukunftsfelder aus einem kreditfinanzierten Fonds zu fördern, erteilte der Finanzminister eine klare Absage. Auch aus ordnungspolitischen Gründen lehne er es ab, "mit Krediten Subventionen an einzelne Unternehmen zu zahlen". Es sei keine Aufgabe der Politik zu entscheiden, welche Technologie, welches Unternehmen oder welche Branche Zukunft habe - das sei vielmehr eine Frage des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs. "Nicht für einige wenige Branchen, Technologien und Betriebe sollten die Wettbewerbsbedingungen verbessert werden, sondern für die gesamte Wirtschaft", forderte er.
Das vom Kabinett beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz dürfe "nur der Beginn des Abbaus sein", mahnte Lindner. Die Verhinderung der EU-Lieferkettenrichtlinie durch die FDP verteidigte er. Die Pläne von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seien das beste Beispiel für "gut gemeint, aber schlecht gemacht", denn sie schwächten die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. "Deshalb ist es besser, keine Lieferkettenrichtlinie zu haben, als diese Lieferkettenrichtlinie von Frau von der Leyen", sagte der FDP-Chef. Zum Arbeitsmarkt forderte er, "dass "Fachkräfteeinwanderung auch in die Zeitarbeit möglich sein muss". Auch müssten die Erfahrungen mit dem "Jobmotor" für die aus der Ukraine Geflüchteten übertragen werden auf alle Bürgergeldempfänger.
Mit Blick auf die Energiepolitik betonte Lindner, dass der Ausstieg aus Kohleverstromung im Jahr 2030 für ihn "kein Wert an sich" sei. "Ob wir ein oder zwei Jahre früher oder später auf die Kohle verzichten, hat für den globalen Klimaschutz eine zu vernachlässigende Auswirkung, aber auf die Kostenbelastung der öffentlichen Haushalte und auf die Stromrechnung des Mittelstands möglicherweise eine erhebliche Auswirkung", sagte er. Deshalb solle Deutschland nicht mehr immer ehrgeiziger werden bei politisch festgelegten Ausstiegsdaten.
Mit Blick auf Steuerentlastungen betonte der Finanzminister, es sei seine Erwartung an die Union, das diese ihre parteipolitisch motivierte Blockade des vom Bundestag beschlossenen Wachstumschancengesetzes aufgebe. "Es ist auch ein Glaubwürdigkeitstest für die parlamentarische Opposition, dass sie wirklich mitwirken will bei einem Projekt der wirtschaftlichen Erneuerung", sagte der FDP-Vorsitzende. "Darauf aufbauend müssen wir dann aber weitere Wege gehen." Unter anderem gelte es, den "Einstieg in den Ausstieg" aus dem Solidaritätszuschlag zu beginnen. "Es ist die am schnellsten wirksame Unternehmenssteuerreform", betonte Lindner.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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