Lindner fordert "Mut zu strukturellen Reformen"
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat "Mut zu strukturellen Reformen" gefordert, um die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger zu machen. "Es hat ... nichts zu tun mit einer aktuellen Regierungskoalition, es hat nichts zu tun mit dem schrecklichen russischen Angriff auf die Ukraine - es handelt sich um strukturelle Probleme", sagte Lindner beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow. Nötig seien neben einer Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen eine gezielte Förderung von Unternehmen in Schlüsselindustrien und eine stärkere Mobilisierung privaten Kapitals.
"Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in unserem Land sind nicht mehr so gut. Das betrifft den Arbeitsmarkt, die bürokratische Belastung, die Energie und das steuerliche Umfeld", erklärte der Finanzminister. "An allen diesen Stellschrauben, an allen diesen Stellschrauben müssen wir etwas verändern, um Wachstumsbremsen zu lösen." Nötig sei in Deutschland unter anderem "eine neue Kapitalmarktkultur". Das "Generationenkapital" zur Stützung der Rente mit Aktieninvestitionen sei ein erster Schritt, in diesem Jahr komme noch das geförderte Altersvorsorgedepot, mit dem Anlagen für die Altersvorsorge auch über einen ETF-Sparplan steuerlich gefördert werden sollten.
Zudem werde in wenigen Tagen eine Analyse über die regulatorischen Hemmnisse vorliegen, die dafür sorgten, "dass Versicherungen und Versorgungswerke lieber in Immobilien investieren als in Private Equity". Die Regierung wolle alle konkreten Vorschläge dazu aufgreifen, etwa zu den Anlagebestimmungen oder der Beitragsgarantie für die Versicherten. "Wir werden alle diese einzelnen Bremsen für die Mobilisierung privaten Kapitals lösen", kündigte Lindner an.
Rentner sollen Arbeitgeber-Anteile erhalten
Er mahnte zudem, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz müsse ermöglichen, "auch in die Zeitarbeit zu rekrutieren", und beim Bürgergeld müssten Anreize zur Aufnahme eines Berufs verstärkt werden. Zum Vorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), einen Steuerrabatt für Rentnerinnen und Rentner zu zahlen, die länger arbeiten wollen, erklärte Lindner, stattdessen sollten lieber die Arbeitgeberanteile für Arbeitslosen- und Rentenversicherung an die Beschäftigten ausgezahlt werden, wenn sie über die Eintrittsgrenze in das Rentenalter hinaus seien. Auch müsse man in diesem Zusammenhang über die Rente mit 63 diskutieren.
Zum Bürokratieabbau forderte er ein Umdenken auch auf der europäischen Ebene. "Fünf Jahre Bürokratiepause wären kein Schaden", betonte der FDP-Vorsitzende. In der Energiepolitik müssten Konsequenzen aus der "völlig veränderten Lage" gezogen werden, denn diese entstamme noch einer Zeit, in der Erneuerbare noch eine Nische und kein Massenmarkt wie heute waren. Die Bundesregierung bereite einen Kapazitätsmarkt vor, an dem nicht mehr garantierte Einspeisevergütungen und damit "horrende Renditen weit jenseits des Marktüblichen" möglich seien, sondern ein marktgetriebenes System nach Angebot und Nachfrage.
In der Steuerpolitik warb Lindner dafür, den Geltungszeitraum der mit dem Wachstumschancengesetz eingeführten degressive Afa "mindestens bis zum 1. Januar 2029" von der bisherigen Befristung bis 1. Januar 2025 zu verlängern. Zudem werde man sich mit der effektiven Belastung insgesamt beschäftigen müssen. Man müsse entweder bei der Körperschaftsteuer etwas verändern oder auf den Solidaritätszuschlag verzichten, forderte Lindner. Industriepolitisch bekannte er sich zu gezielten Fördermaßnahmen für "Cutting-Edge-Technologien" wie Halbleitern, die für die Wertschöpfungsketten entscheidend seien.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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