Kommentar
09:25 Uhr, 14.07.2022

Langfristig ist höhere Inflation für den Aktienmarkt nicht schlecht

Hohe Inflation wird von Notenbanken und Politik als problematisch und unerwünscht klassifiziert. Auch unter Analysten findet man kaum positive Urteile zum Thema. Immerhin hat Inflation auch den Bärenmarkt ausgelöst. Es gibt aber auch eine gute Seite.

Höhere Inflation hat nicht nur schlechte Seiten, vorausgesetzt, sie gerät nicht außer Kontrolle, geht in Hyperinflation über und der Inflationsimpuls ist vorübergehend. Positive Seiten lassen sich nicht nur am Aktienmarkt finden. Jahrelang ächzten Staaten unter hoher Verschuldung. Dank Inflation ist die Verschuldung in vielen Ländern inzwischen kaum noch höher als vor Beginn der Pandemie und da die Inflationsrate noch für einige Zeit hoch bleiben wird, dürfte die Verschuldung bis Mitte des Jahrzehnts deutlich sinken. Für den Aktienmarkt überwiegen kurzfristig die negativen Seiten. Die positiven geraten aus dem Blickfeld. Negativ ist dabei nicht die Inflation an sich, sondern vielmehr die Reaktion der Notenbanken darauf. Sie straffen die Geldpolitik, um das Nachfragewachstum zu bremsen. Im Regelfall endet das in einer Rezession und eine Rezession bedeutet niedrigere Unternehmensgewinne. Dass die Kurse reflexartig beim Aufkommen hoher Inflation fallen, ist also verständlich.

Im Hintergrund wird dadurch jedoch der Grundstein für hohe Kursgewinne gelegt. Um das zu verstehen, muss der Zusammenhang zwischen Inflation, Umsatz-, Gewinn- und Wirtschaftswachstum klar werden. Umsatz- und Gewinnwachstum verlaufen wenig überraschend parallel (Grafik 1). Schreibt ein Unternehmen mehr Umsatz, bleibt für gewöhnlich auch mehr Gewinn übrig.


Der Umsatz wiederum entspricht mehr oder weniger dem (nominalen) Wirtschaftswachstum (Grafik 2). Das nominale Bruttoinlandsprodukt ist in den vergangenen 60 Jahren lediglich ein einziges Mal geschrumpft. Das war zur Zeit der Finanzkrise. Bei der aktuell hohen Inflation ist negatives Nominalwachstum so gut wie ausgeschlossen.

Das nominale Wachstum setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen misst es, wie viel mehr (Volumen) hergestellt wird und zum anderen, wie viel mehr oder weniger dieses Volumen kostet (Inflation). Ist die Inflation hoch, tendiert auch das Wirtschaftswachstum höher (Grafik 3).

Hohe Inflation dämpft zwar die Nachfrage (Volumen), doch meist ist der Anstieg des Preisniveaus höher und macht den Dämpfer mehr als wett. Solange die Wirtschaft nominal wächst, wachsen auch die Umsätze der Unternehmen weiter. Rezessionsängste sorgen gleichzeitig dafür, dass die Kurse fallen und die Bewertung des Marktes dadurch sinkt.

Je nachdem wie schlimm die Rezession ist, können die Gewinne trotz Umsatzwachstums sinken. Es hängt davon ab, wie sich die Margen entwickeln. Hohe Inflation per se drückt die Margen nicht. Die Margen von US-Unternehmen stiegen z.B. mit der Inflationsrate in den 70er Jahren (Grafik 4).

Eine Rezession, ob mild oder gravierend, ist vorübergehend. Das höhere Preisniveau ist es nicht. Eine Rezession senkt die Gewinne einmalig. Das höhere Preisniveau katapultiert die Gewinne langfristig auf ein permanent höheres Niveau, sofern keine Deflation folgt.

Drehen das Sentiment und die Wirtschaft bzw. Geldpolitik erst, steht man als Anleger vor ungewöhnlich tiefen Bewertungen am Aktienmarkt und deutlich höheren Gewinnen als in den Jahren zuvor. Bullenmärkte, die einer Hochinflationsphase folgen, sind die längsten und weisen die höchsten Renditen aus. Das ist die gute Nachricht. Eine schlechte Nachricht gibt es auch. Es kann noch Jahre dauern, bis die Inflation wieder in geordneten Bahnen verläuft. Zudem sind die Gewinne nominal. Auf realer Basis ist es ein Nullsummenspiel. Der langfristige Ausblick tröstet aber vielleicht über die zähen Quartale und Jahre hinweg, die wir durchleben müssen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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