Lagarde betont Mittelfristigkeit des EZB-Inflationsziels
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Von Hans Bentzien
DOW JONES--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Aussage ihrer Präsidentin Christine Lagarde angesichts der anhaltend hohen Unsicherheit an ihrem Inflationsziel von glatt 2 Prozent festhalten, in der Anwendung dieses Ziels aber "Überreaktionen" zu vermeiden versuchen. Lagarde sagte in der Konferenz "The ECB and its Watchers": "Unsere mittelfristige Orientierung erlaubt es, auf geringe oder vorübergehende Schocks nicht zu reagieren, die abgeklungen sein dürften, wenn sich die Auswirkungen eines Politikwechsels zeigen würden."
Das bedeute auch, dass die EZB den Zeitraum flexibel anpassen könne, innerhalb dessen die Inflation zum Ziel zurückgefunden haben müsse. Klar sei aber, dass die EZB ihre Politik so gestalten müsse, dass "die Inflation mittelfristig immer in Richtung 2 Prozent konvergiert". Die EZB überprüft gegenwärtig ihre geldpolitische Strategie.
Eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung über Tempo und Stärke einer geldpolitischen Reaktion werden Lagarde zufolge die Inflationserwartungen spielen, die auch während der jüngsten Episode sehr hoher Inflationsraten gut verankert gewesen seien. "Unsere Analyse zeigt, dass die Leitzinsen auf dem Höhepunkt des jüngsten Straffungszyklus auf 8 Prozent hätten steigen müssen, um die Inflation einzudämmen, wenn die Inflationserwartungen so schlecht verankert gewesen wären wie in den 1970er Jahren", sagte sie.
Die jüngsten Erfahrungen geben der EZB Lagarde zufolge einerseits eine gewisse Zuversicht in die Glaubwürdigkeit ihres Inflationsziels. Andererseits führte sie einige Argumente dafür an, sich die EZB darauf nicht zu sehr verlassen sollte. So sei dem jüngsten Inflationsanstieg eine jahrelange Phase sehr niedriger Inflation vorausgegangen, und die Konsumenten hätten ihn zunächst nicht bemerkt. Als sie ihn aber bemerkten, hätten sie schnell reagiert.
Eine weitere für die EZB eher beunruhigende Erkenntnis ist, dass die Inflationserwartungen im Anschluss nur sehr langsam wieder zurückgingen. "Wir werden nur durch sorgfältige Beobachtung lernen, wie lange diese Erinnerungen anhalten und wie empfindlich die Inflationserwartungen auf neue Schocks reagieren", sagte die EZB-Präsidentin. In allen Szenarien werde eine genaue Beobachtung der Inflationserwartungen - auf den Märkten, bei Analysten, Prognostikern, Haushalten und Unternehmen - für die EZB-Reaktionsfunktion von zentraler Bedeutung sein.
Daneben will die EZB die EZB ihre Geldpolitik angemessen kalibrieren. "Wenn die Phillips-Kurve bei einem höheren Inflationsniveau steiler wird, was bedeutet, dass die Inflation schneller auf Veränderungen in der Wirtschaftstätigkeit reagiert, dann sollte es für die Geldpolitik auch einfacher sein, die Inflation zu senken, ohne der Wirtschaft hohe Kosten aufzuerlegen", sagte Lagarde. Dies würde eines der Hauptargumente für geldpolitisches Abwarten bei großer Angebotsschocks schwächen.
Lagarde zufolge könnte es aber andererseits riskant sein, die Erfahrungen aus der jüngsten Straffungsepisode zu verallgemeinern, in der Inflationsrückgang relativ schmerzlos bewerkstelligt werden konnte. "Neben gut verankerten Inflationserwartungen könnte die relativ niedrige "Schadensquote" ... eine einzigartige Kombination von Bedingungen widerspiegeln, die auf künftige Schocks nicht zutreffen werden", sagte sie.
Aussagen zum künftigen geldpolitischen Kurs wird die EZB nach Aussagen ihrer Präsidentin auch künftig nicht machen können. An die Stelle einer "Forward Guidance" ist bereits jetzt eine "Framework Guidance" getreten, bei der die EZB ihre Reaktionsfunktion erklärt. Die aktuell verwendeten Variablen - der Inflationsausblick, die Stärke der unterliegenden Inflation und die Stärke der geldpolitischen Transmission - könnten sich je nach der Natur neuer Schocks ändern.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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