Kommentar
07:00 Uhr, 15.10.2008

Kutzers Kommentar zum Crash - Stellt euch auf schlimme Zeiten ein!

Sparen? Anlegen? Spekulieren?!

Mit dem räumlichen Abstand verliert das Schlimme seinen Schrecken. Das erleben wir fast täglich, denn von den Medien wird zum Beispiel ein Flugzeugabsturz am Baikalsee ganz anders behandelt als ein Crash am Bodensee. Dem Crash unseres Finanzsystems hingegen kann sich niemand entziehen, auch nicht im Urlaub, einige hundert Kilometer von den Epizentren der Erdbebenserie entfernt. Zweierlei steht für mich mittlerweile so gut wie fest: Nicht nur die Bankenlandschaft wird völlig umgegraben, begleitet von gravierenden Veränderungen zum Beispiel bei der Aufsicht, in den Kundenbeziehungen und der Produktstrategie. Darüber hinaus wird der von mir seit längerem beklagte Prozess der Re-Regulierung als Gegenbewegung zu der in den 80er Jahren eingeleiteten Deregulierung viel weiter gehen als man bisher befürchten musste (siehe auch meine ironische Glosse „Volle Kontrolle“). Banken werden (de facto) verstaatlicht, lange Listen von Verboten und anderen Eingriffen in die Finanzmärkte auf höchster politischer Ebene diskutiert. Wer hätte gedacht, dass es einmal so weit kommen könnte?!

Die Situation ist beispiellos und so komplex, dass die redlich bemühten „Experten“ in Talksendungen auf allen Kanälen ebenso wenig zur allgemeinen Beruhigung beitragen wie Politik und Währungshüter. Ärgerlich wird es vor allem, wenn voller Selbstbewusstsein klare Verhaltensempfehlungen verbreitet werden, die oberflächlich und stark vereinfachend sind, somit dem Ernst der Lage nicht gerecht werden.

Beispiel Zertifikate: In machen TV-Runden wurde über weite Strecken der Expertendiskussionen der Eindruck verbreitet, als seien hier in Deutschland begebene Zertifikate mitverantwortlich für die Finanzkrise – nicht zuletzt durch die von Sparkassen an Rentnerinnen verkaufte Schuldverschreibungen von Lehman Brothers. Und überhaupt, das moderne Teufelszeug (Derivate, strukturierte Produkte) brauche kein Privatanleger, das sollte verboten oder zumindest einer staatlichen Qualitätskontrolle unterworfen werden. Nein, zurück zu den bewährten Klassikern, forderte eine Journalistin, also Aktien, Anleihen, Geldmarktanlagen. Was für ein Unsinn!

Beispiel Aktie: Die ist spätestens mit dem Crash seit Wochenmitte von Börsianern wie Börsenbeobachtern wieder entdeckt worden. Nach dem Ausverkauf seien gerade die immer noch gut verdienenden deutschen Spitzenunternehmen ausgesprochen „billig“, ist zu hören, was mit KGVs und anderen analytischen Zahlen eindrucksvoll belegt wird. Und eigentlich sollten wirklich langfristige Anleger jetzt sowieso wieder einsteigen. Denn Aktien seien als Sachwerte ja sicher und langfristig traditionell die gemessen an der Wertentwicklung attraktivste Anlage. Ja, selbst eine Rezession sei inzwischen schon „eingepreist“.

Beispiel Krisenvergleiche: Natürlich ist es interessant, vergleichende Betrachtungen zu 1929 oder späteren Finanz- und Wirtschaftskrisen anzustellen. Dabei fällt es nicht schwer, die aktuellen Besonderheiten und Bedrohungen für unser System hervor zu heben. Die Anlageempfehlungen basieren aber auf Erfahrungen, die vielleicht (vielleicht!) überholt sind. Es gilt nach wie vor das Motto, niemand weiß, wie lange die Krise dauern wird. Aber keiner spricht den „Worst Case“ aus – eine Weltwährungsreform, wenn auch die Staaten die Finanzkrise trotz glühender Gelddruckmaschinen nicht in den Griff bekommen. Ich hole meine alte Empfehlung, das „S-A-S-Prinzip“, aus der Schublade, das eine strenge Differenzierung der drei Strategien „Sparen – Anlegen – Spekulieren“ vorsieht. Differenzierung heißt getrennte Betrachtung und Durchführung. Aktuell: Sparen ja, so viel wie möglich, auch mit Aktien (!) und offenen Immobilienfonds, aber im klassischen Sinn der Langfristigkeit, also für mehr als 10 Jahre (z. B. für die Ruhestandsvorsorge). Aktives Anlegen in Aktien, typischerweise für etwa sechs Monate bis drei Jahre geplant? Grundsätzlich nein, besser abwarten bis neuer Trend anliegt (jetzt auch nicht mehr weiter auf Baisse setzen). Wer unbedingt etwas tun möchte, weil er massive Korrekturen der Übertreibungen nach unten erwartet, sollte über meine alte Empfehlung nachdenken, mit einem kleineren Anteil (vielleicht 10 bis 20 % des zur Verfügung stehenden Kapitals) Aktien- oder Dax-Optionen zu kaufen. Gold weiter mit einbeziehen (kleine Münzen!). Spekulieren? Warum nicht, wenn man dazu neigt. Der Aktienspekulant findet ja ein höchst attraktives Spielfeld vor – bitte mit einem festgesetzten Gesamtbetrag und auf einem separaten Depot!

In jedem Fall: Machen Sie’s gut!

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