Kommentar
09:30 Uhr, 27.11.2009

Konjunktur: Grundlegende Unterschiede nehmen zu

2009 und 2008 waren vor allem durch einen global im Gleichschritt verlaufenden Konjunkturabschwung und das Ergreifen energischer wirtschaftspolitischer Maßnahmen geprägt. In den nächsten beiden Monaten und 2010 wird das wichtigste Thema Divergenz lauten. Volkswirtschaften mit nur geringen Wachstumseinbrüchen, einer kräftigen Konjunkturerholung und nur leicht rückläufigen Inflationszahlen werden besser abschneiden. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Ländern werden immer offensichtlicher.

Einer der wichtigsten Unterschiede ist in diesem Zusammenhang die Gesundheit der privat- und außenwirtschaftlichen sowie der öffentlichen Bilanzen, denn davon hängt nicht nur die Krisenfestigkeit der betreffenden Länder und Sektoren ab, sondern auch die Aufgeschlossenheit des Privatsektors (Verbraucher und Unternehmen) gegenüber einer expansiven Fiskalpolitik. So erleben zahlreiche Volkswirtschaften Asiens dank Konjunkturmaßnahmen der Regierungen und Banken derzeit einen kräftigen Anstieg der Inlandsnachfrage. Solange Banken, Wirtschaft und Verbraucher gesunde Bilanzen aufweisen, sind diese Maßnahmen äußerst wirksam. Vor zehn Jahren erlebte Asien eine schwere Währungskrise. Der Privatsektor hatte seinerzeit hohe Auslandsschulden; auf außenwirtschaftlicher Ebene bestanden hohe Leistungsbilanzdefizite. Dadurch reagierten diese Länder sehr empfindlich auf den Rückzug ausländischer Investoren.

Heute ist die Situation völlig anders. Viele asiatische Volkswirtschaften weisen grundsolide Bilanzen auf, während zahlreiche entwickelte Volkswirtschaften mit hoher Verschuldung der Privathaushalte und des Finanzsektors, bedeutenden Leistungsbilanzdefiziten und wachsenden öffentlichen Schulden zu kämpfen haben. Je ausgeprägter diese Probleme, desto stärker belasten sie die Binnennachfrage.

Länder wie die USA, Großbritannien, Spanien, Irland und einige osteuropäische Staaten dürften noch eine Weile unter diesen Problemen leiden. Infolgedessen werden viele Schwellenländer wirtschaftlich besser als Industrieländer abschneiden. Dies gilt umso mehr, falls Länder wie China sich weniger auf exportgestütztes Wachstum, sondern vielmehr auf die Ankurbelung ihrer Binnennachfrage konzentrieren.

Exportposition spielt wichtige Rolle

Neben gesunden Bilanzen ist die Exportposition der entscheidende Faktor. Vor allem Länder, die in großem Maßstab High-Tech- Investitionsgüter in wachstumsstarke Abnehmerländer exportieren, könnten dadurch überdurchschnittliches Wachstum verzeichnen. Von allen großen Industrienationen befindet sich Großbritannien insofern in der schlechtesten Position, da seine Exporte vor allem in andere Industrieländer gehen. Die USA exportieren sehr viel mehr in die Schwellenländer, aber der Anteil ihrer Gesamtausfuhren am BIP ist nur halb so groß wie der Großbritanniens. Die Eurozone (vor allem Deutschland) und Japan haben hier die Nase vorn. Diese Volkswirtschaften sind weitaus offener als die USA und stärker als Großbritannien auf Schwellenmärkte fokussiert. Der starke Euro stellt allerdings eine eindeutige Bedrohung der europäischen Exportposition dar.

Diese Trends bei In- und Auslandsnachfrage haben auch geldpolitische Konsequenzen. Einige Länder wie Australien und Norwegen haben die Leitzinsen bereits erneut angehoben, da ihre Wachstumsentwicklung nur moderat ins Stocken geraten war. In Asien denken Südkorea und Indien bereits laut über eine Zinserhöhung nach. Die USA und die Eurozone, die nach einer weitaus schwereren Rezession sehr viel bescheidenere Wachstumsaussichten haben, werden vorerst am aktuellen Zinsniveau festhalten.

Risiko von Blasenbildung steigt

Vielfältige Gründe sprechen dafür, dass die Korrelation zwischen den verschiedenen Segmenten der Finanzmärkte infolge fundamentaler und geldpolitischer Trends weiter zurückgehen wird. Ferner besteht das Risiko einer erneuten Vertrauenskrise an den Finanzmärkten infolge der gegenwärtig hochflexiblen Geldpolitik, die der Entstehung von Blasen in bestimmten Regionen bzw. Sektoren Vorschub leisten könnte. Die Weltbank hat bereits darauf hingewiesen, dass niedrige Zinsen zusammen mit hohen Liquiditätsströmen an den Immobilien- und Aktienmärkten Asiens zur Blasenbildung führen könnten.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen