Kommentar
14:13 Uhr, 12.12.2003

Kollektiver Gedächtnisverlust

Baisse vorbei, alles in Butter. Das scheint die mittlerweile vorherrschende Grundstimmung bei den Fondsgesellschaften zu sein, und immer mehr Anleger lassen sich von diesem Optimismus anstecken.

Dass die Fondsmanager positiv für die Zukunft gestimmt sind, ist noch verständlich. Es ist ihr Beruf. Wenn etwa ein Manager eines amerikanischen Aktienfonds sich skeptisch für die Renditeperspektiven für die US-Börsen äußern würde, wäre ihm der Zorn des hauseigenen Vertriebsapparats gewiss. Nur wenige Vermögensverwalter bringen daher den Mut zu einer wirklich unabhängigen Meinung auf.

Doch zunehmend scheinen auch die Privatanleger den Jubelarien der Profis Glauben zu schenken. Aktienfonds verzeichnen nach langer Durststrecke wieder signifikante Zuflüsse. Nach den Tiefständen im März hatten zunächst vor allem institutionelle Investoren an den ansteigenden Kursen weltweit partizipiert. Nun springen also auch die Kleinanleger auf den fahrenden Zug. Frischauf zu neuen Ufern heißt die Devise. Über zehn Prozent Wertzuwachs bei europäischen Aktienfonds in diesem Jahr, die zuvor so geschundenen Technologiefonds können bislang gar auf Renditen von durchschnittlich gut 20 Prozent verweisen. Wer will da noch behaupten, die Baisse wäre intakt?

Ein nüchterner Blick auf die Bewertungsniveaus der Dividendenpapiere, speziell im Bereich der Technologiewerte, offenbart jedoch, dass in den Kursen schon wieder völlig unrealistische Wachstumserwartungen eingepreist sind. Und dies nur drei Jahre nach dem Platzen der letzten Blase! Wie ist diese Amnesie zu erklären?

Die Risiken, dass derart rosige Konjunkturszenarien sich nicht erfüllen, sind überwältigend, und lauern in vielen Bereichen. Die ungebremste Schuldenexplosion sowohl des US-Staatshausetats als auch der dortigen Privathaushalte stehen dabei im Vordergrund. Wieder einmal verlässt man sich in Europa mangels einheimischer Wachstumsimpulse auf die Zugkraft der amerikanischen Konjunkturlokomotive. Die US-Bürger sollen brav weiter auf Pump im Kaufrausch schwelgen, auf dass die Exportwirtschaft des alten Kontinents daran genese.

Diesen Hoffnungen entgegen steht jedoch der zunehmende Verfall des Dollarkurses, der europäische Exporte in die USA verteuert. Sollte dieses noch graduelle Absacken sich beschleunigen, würde die gesamte Weltwirtschaft schnell in eine schwere Rezession schlittern. Denn importierte Inflation könnte die Fed zum Anheben der Zinsen zwingen. Dann dürfte der Konsum jenseits des großen Teichs einbrechen, und alle Wachstumsprognosen der Aktienanalysten wären Makulatur.

Quelle: Morningstar

Die Aufgabe der Fonds-Ratingagentur Morningstar ist es, leicht zugängliche Informationen und Anwendungen anzubieten um den Anlegern eine objektive Hilfe zu den mehr als 6.000 in Deutschland zugelassen Fonds zu geben. Als Teil des europäischen Netzes lancierte Morningstar seine Dienste in Deutschland am 23.05.2001 unter www.morningstarfonds.de

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