Kanada: Das bessere Amerika?
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Wer an Nordamerika als Anlageregion denke, der denke automatisch so gut wie immer ausschließlich an die USA, stellen die Analysten von FC Research fest. Verwunderlich sei das nicht, so die Experten, schließlich stellten die Vereinigten Staaten gemessen am Bruttoinlandsprodukt und am Anteil am Welthandel doch die mit Abstand größte Wirtschaftsnation der Erde dar, und sei die Wallstreet doch auch der mit Abstand größte und wichtigste Wertpapierhandelsplatz auf dem Globus. Das gegenüber dem Riesen USA geradezu klein und unscheinbar wirkende Kanada gerate dabei schnell in Vergessenheit, bemängeln die Analysten - obwohl auch Kanada eine wirtschaftliche Großmacht und immerhin im Reigen der G7 vertreten sei, also zu den weltweit sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen zähle. Der Anteil Kanadas am Welthandel sei sogar größer als der Chinas, wissen die Analysten zu berichten, obwohl die Volksrepublik wegen ihrer hohen Wachstumsraten bereits als die ökonomische Supermacht des 21. Jahrhunderts gelte.
Und was Kanada gerade jetzt so interessant mache: Kanada befinde sich in einer interessanten wirtschaftlichen Lage: Einerseits sei das Land, dessen Exporte zu 85 Prozent in die USA gingen, wirtschaftlich eng an den großen Nachbarn im Süden gebunden. Täglich würden bis zu 1,4 Milliarden US- Dollar an Waren und Dienstleistungen zwischen den beiden "Nordamerikas" umgesetzt, rechnen die Analysten vor. Und doch habe sich die kanadische Wirtschaft in der Vergangenheit oft erfolgreich von einer Rezession in den Vereinigten Staaten abkoppeln können und sich nicht durch eine Wirtschaftsschwäche in den USA mit herunterziehen lassen. Geholfen habe Kanada dabei seine Landeswährung - der kanadische Dollar. Diesen lasse die kanadische Notenbank nämlich völlig frei am Devisenmarkt schwanken, sodass die Wechselkursentwicklung des Kanada-Dollars zwar sehr volatil verlaufe, dadurch aber zugleich ein äußerst wirksames Korrektiv zu wirtschaftlicher Abschwächung darstelle. Schwächten sich die Wachstumserwartungen Kanadas ab oder sorgten fallende Rohstoffpreise für Zweifel an der Exportstärke des Ahorn-Landes, sinke auch der Kanada-Dollar am Devisenmarkt, was Kanadas Exporte aber wiederum wettbewerbsfähiger mache und so der Wirtschaftsschwäche entgegenwirke. Während des Jahres 1998 beispielsweise hätte der Kanada-Dollar um rund sieben Prozent abgewertet, erinnern die Analysten. Ein Jahr später wäre die kanadische Wirtschaft mit 4,5 Prozent gewachsen. Kanada sei daher in der Welt der Wirtschaftswissenschaften ein Musterbeispiel für den Segen frei schwankender Wechselkurse, so die Analysten, und gelte vielen Schwellenländern, die in den letzten Jahren auch vielfach von festen zu flexiblen Wechselkursen übergegangen seien, als großes Vorbild eines solchen Währungsregimes.
Dies spiegele sich auch in stabileren Wachstumsraten wider, erläutern die Analysten: Im letzten Jahr sei Kanadas Wirtschaft nämlich zwar nur um 4,7 Prozent gewachsen, und die der Vereinigten Staaten um 5,0 Prozent. Aber dafür treffe der drastische Wachstumsrückgang dieses Jahres die kanadische Wirtschaft auch weniger stark: mit einem Plus von 0,5 Prozent im ersten Quartal 2001 habe das Wachstum wieder etwas höher gelegen als in den USA. Trotzdem habe die Börse in Toronto sich von den tiefen Molltönen der US-amerikanischen Kollegin bislang nicht abkoppeln können - im Gegenteil. Der MSCI Canada stehe auf Sicht von zwölf Monaten mit rund 32 Prozent im Minus, das US-amerikanische Pendant MSCI USA nur mit 23 Prozent - beide Indizes in US-Dollar gerechnet, wohlgemerkt. Bezogen auf das laufende Kalenderjahr verbuche die kanadische Börse ein Minus von 27 Prozent, die US-Börse von 16 Prozent. Für FC Research liegt dieser Widerspruch zwischen realwirtschaftlicher Robustheit und anfälliger Börse in Kanada vor allem an dem Image, das die kanadische Börse in den Boomjahren der späten Neunziger bekommen hätte -nämlich mit Werten wie Nortel Networks, Celestica oder Ballard Power eine ausgesprochene Technologiebörse zu sein. Hier ähnele die kanadische Börse ein wenig den skandinavischen Märkten, wo ebenfalls Hightechwerte wie Ericsson oder Nokia das Bild der Börse dominierten. Allerdings seien die einstigen Hightechstars in Toronto weit schwächer gewichtet als in Skandinavien, wo ihre Marktkapitalisierung alle anderen Branchen an die Wand drücken würde.
Wer nun glaube, diese Fülle von Informationen über Kanada als Anlageregion seien aber ohnehin völlig überflüssig, da man zwar in kanadische Einzelwerte investieren könne, aber nicht z. B. in Gestalt eines Fonds gezielt auf den kanadischen Gesamtmarkt setzen könne, der irre sich, beschließen die Analysten ihren Bericht. Denn entweder seien nur reine US-Fonds auf dem Markt, oder sie investierten zwar im gesamten Nordamerika, mischten kanadische Titel dann aber allerhöchstens als kleine Gewürzprise bei und verständen sich ansonsten ebenfalls als "USA-Produkt". Doch mittlerweile gebe es sogar mehrere reinrassige Kanada-Fonds, haben die Analysten herausgefunden, die mit ihrer Wertentwicklung in den letzten Monaten den MSCI Canada sogar hätten übertreffen können. Der nämlich habe in Landeswährung gerechnet - denn die Fonds würden allesamt in Kanada-Dollar angeboten - in den letzten zwölf Monaten 30 Prozent an Wert verloren und stehe seit Jahresbeginn mit 23 Prozent in den roten Zahlen. Der UBS (Lux) Equity Fund Canada (WKN 972746) aber beispielsweise stehe im laufenden Jahr mit nur 19 Prozent im Minus und habe in den letzten zwölf Monaten nur rund 25 Prozent abgeben müssen. Der sich erst seit kurzem auf dem Markt befindende Balzac Umbrella Index Canada (WKN 588755) notiere fürs laufende Jahr ebenfalls rund 19 Prozent tiefer. Auch wenn die Fonds also besser abschneiden würden als der Index: Wenn sich die kanadische Börse trotz der wirtschaftlichen Sonderstellung Kanadas nicht von der übermächtigen US-Börse abkoppeln könne, mache ein gezieltes Kanada-Investment wenig Sinn. Nur wenn die Finanzmärkte wieder die Stärken der kanadischen Wirtschaft erkennen würden - z. B. die vielen exponierten Rohstofftitel oder den umfassenden Banken- und Finanzsektor des Landes - bestünden gute Chancen, dass sich Kanada auch in Gestalt seines Aktienmarktes als das "bessere Amerika" erweisen könnte. Doch bis dahin seien Anleger mit reinen Kanada-Fonds schlecht beraten, so die Analysten. Das heiße allerdings nicht, dass sie dem Land fernbleiben sollten - nur müssten sie einen Umweg nehmen, Denn immerhin hätte so mancher Branchenfonds wie z. B. fast alle Rohstofffonds einen nennenswerten Kanada-Anteil.
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