Kommentar
23:23 Uhr, 25.10.2005

Kaffee - Hoffen auf den Chinaboom

Die Hoffnung auf den Chinaboom

Es wäre schon merkwürdig, wenn es keinen Rohstoff gäbe, der nicht ohne China auskommen müsste. Nun bei Kaffee scheint das der Fall zu sein. Chinesen sind Teetrinker und werden es wohl auch noch eine Weile bleiben. Ihr Anteil am Weltkaffeeverbrauch ist in der Tat unbedeutend. Trotzdem leben dort 1,5 Mrd. Menschen, die potentielle Kaffeetrinker sind, und die Beispiele Hongkongs und Japans ermutigen durchaus. Die Japaner waren ja auch einmal Teetrinker und stehen jetzt mit Frankreich und Italien auf Platz 3 der Weltnachfrage. Allerdings hat diese Entwicklung Jahrzehnte gedauert, so dass es geradezu leichtsinnig wäre, wenn die Kaffeeplantagen ihre Investitionen auf den chinesischen Bedarf ausrichten wollten. Auf der anderen Seite investieren Firmen wie die heute von uns besprochene Starbucks, die weltweit bereits 15.000 Coffeeshops betreibt, massiv in China, und sollte der chinesische Kunde dort zunächst einmal keinen Kaffee trinken wollen, so bietet man ihm eben Tee an. Derselbe Kunde wird dann aber doch hin und wieder eine Tasse Kaffee trinken, insbesondere wenn er sich in westlicher Gesellschaft befindet. Schon heute wird der moderne Chinese seine Weltoffenheit unter Beweis stellen wollen, indem er sich zwanglos zum Kaffeetrinken bekennt. Kaffeetrinker sind ja auch seine wichtigsten Kunden, vielleicht sogar seine Vorbilder: Amerikaner, Japaner und Deutsche. Und in den modernen Büroetagen Shanghais und Pekings wimmelt es von Kaffeemaschinen, die jede „Kundensucht“ nach Kaffee, aber zunehmend auch die eigene befriedigen sollen. Und natürlich ist Kaffeetrinken eine Sucht, die erst geweckt werden muss. So ganz genau weiß heute noch niemand, wie hoch der Weltmarktanteil Chinas am Kaffeeverbrauch ist. Er dürfte bei nur ca. 0,1% liegen. Sollte er sich in den nächsten 2 Jahren verdoppeln, was ja durchaus im Bereich des Möglichen läge, dann wäre das bei einem weltweiten Nachfragewachstum, das im Durchschnitt ungefähr bei 1% liegt, durchaus zu berücksichtigen. Zu bedenken ist dabei auch, dass der Kaffeemarkt heute von den bereits saturierten Märkten bestimmt wird. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der typische amerikanische oder deutsche „Kaffeesäufer“ noch mehr als bisher konsumieren könnte. Sogar das Gegenteil wird der Fall sein, weil die westlichen Gesellschaften vergreisen und gleichzeitig Einkommenseinschnitte hinnehmen müssen. Kaffee kann dann leicht zum „gefährlichen Suchtgetränk“ oder zum Luxusartikel werden. Die Kaffeeindustrie wird also ihre Hoffnungen in China oder Indien umsetzen müssen, und man kann den Verkaufstalenten, die ihr zur Verfügung stehen, durchaus zutrauen, dass sie dabei auch Erfolg haben werden. Auf die Kaffeepreise wird sich das allerdings kurzfristig nicht auswirken, mittelfristig aber durchaus, weil auch das Angebot nur mittelfristig erhöht werden kann. Denn neugepflanzte Kaffeebäume brauchen fünf Jahre bis zur ersten Ernte.

Die Preisentwicklung

Die Kaffeepreise zeigten vielleicht die verrückteste Entwicklung aller Rohstoffe. Wer sein Geld vor einem Jahr in Kaffee anlegte, konnte zunächst Gewinne erzielen die weit über denen der Erdölanlage lagen. Seit 2002 hätte sich seine Investition sogar vervierfacht. Inzwischen haben sich aber die Gewinne zumindest des letzen Jahres wieder in „Wohlgefallen“ aufgelöst. Das ist jedoch nicht ungewöhnlich. Sieht man sich den Kaffeechart der vergangenen 30 Jahre an, so stellt man fest, dass der Kaffeepreis pro Bag immer wieder einmal auf US Dollar 30 fiel, dann aber auch auf Höhen von US Dollar 260 bis 310 kletterte. An Schwankungen der physischen Nachfrage kann das wohl kaum liegen. Sie entwickelt sich mehr oder weniger kontinuierlich, zeigt also keine Sprünge. Entscheidend müssen also das Angebot und die von ihm ausgelösten Spekulationswellen sein. Wir beginnen deshalb heute auch in unserer Angebots/Nachfrage Betrachtung mit dem Angebot.

Das Angebot

Nachdem der Kaffeepreis zwischen 1997 und 2002 von US Dollar 280 auf US Dollar 30 gefallen war, war große Not auf den kolumbianischen und brasilianischen Plantagen ausgebrochen. Arbeiter konnten nicht mehr bezahlt, Plantagen nicht mehr gedüngt und Bäume nicht mehr beschnitten werden. Notwendige Neuanpflanzungen wurden unterlassen. Sie sind aber dringend erforderlich, soll eine Plantage gleichbleibende Ernten erzeugen, denn wie die Weinrebe verliert auch der Kaffeestrauch nach etwa 15 Jahren an Ergiebigkeit. Sind Kaffeeplantagen erst einmal zurückgefahren, dann dauert es viele Jahre, bis das Angebot das alte Niveau erreicht. Denn bis neugepflanzte Büsche tragen, vergehen 5 Jahre. Der Produktionszyklus ist also mit den meisten anderen Soft Commodities nicht zu vergleichen. Er entspricht eher dem der Erzgewinnung. Das gleiche gilt für Plantagen, die zwar aufrechterhalten werden, aber aus materiellen nicht mehr gedünkt und beschnitten werden können. Auch hier dauert es Jahre, bis sie ihre frühere Ertragskraft wieder erreichen. Was war nun die Ursache für diese Entwicklung? Einmal wurden, vor allem in Brasilien, nach Hausse von 1997 kräftige Investitionen vorgenommen, wichtiger ist jedoch, dass Vietnam als inzwischen zweitgrößter Anbieter erheblich zum Wachstum der Angebotsmenge beitrug. Hier spielten Preise wegen der massiven staatlichen Subventionierung des Kaffeeanbaus keine Rolle. Nach Jahren des Überangebots fielen dann die Preise auf ca. US Dollar 30. Dies hat zu einem kräftigen Rückgang des Angebots geführt. Neben der mangelnden Pflege wurden große Gebiete des Kaffeeanbaus aufgegeben. Dies gilt vor allem für Kolumbien, das früher einmal die Nr. 1der Kaffeeanbauländer war und nun auf Platz 3 nach Vietnam zurückgefallen ist. Aber auch in Brasilien gingen die Möglichkeiten für gute Ernten zurück. Das führte 2004 zu einem Angebotsdefizit von 10 Mio. Bags. Die Spekulation hoffte nun, dass endlich auch einmal wieder Frost in Brasilien eine Rolle spielen würde. Da dort ein Großteil der Plantagen in einer Höhe von 1000 Metern über dem Meeresspiegel liegt, kommt es alle paar Jahre zu Winterfrösten, die große Teile der Ernte vernichten. In den Monaten Mai bis Ende Juni 2005 war die Stimmung am Kaffeemarkt äußerst gespannt. Dann war klar: die Wetterbedingungen waren geradezu ideal, die brasilianische Kaffeeernte würde alle Erwartungen übertreffen. Die Spekulation zog sich massiv zurück. Die Preise „purzelten“. Die Einkäufer der großen Kaffeehäuser warteten ab und trugen damit zu einem weiteren Preisverfall bei. Man rechnet zwar immer noch mit einem Angebotsdefizit, das allerdings deutlich unter dem des Vorjahres liegen sollte. Trotzdem könnte es mit 7 Mio. Bags immer noch beträchtlich sein. Dabei gehen die Schätzungen von äußerst optimistischen Annahmen aus, was die Entwicklung der Nachfrage betrifft. Sollten diese nicht eintreffen und Vietnam doch noch eine Rekordernte einfahren, dann wäre sogar wieder ein Überschuss möglich.

Die Nachfrage

Alles kommt jetzt also auf die Nachfrage an. Die Spekulation hat sich ohnehin die Finger verbrannt und deshalb weitgehend zurückgezogen. Nachdem bisher eher von einem weltweiten Nachfragewachstum von 1% ausgegangen wurde, weil der Bedarf der Hauptkunden USA und Deutschland eher stagniert, werden von der CONAB, der brasilianischen Kaffeeagentur, jetzt Zahlen für die Kaffeenachfrage ins Spiel gebracht, die für 2005 von einer Steigerung um mehr als 2,5% ausgehen. Wo diese im einzelnen erwartet werden, wird nur soweit aufgeschlüsselt, als 2% vom Export kommen sollen, also müsste der Kaffeeverbrauch der nicht produzierenden Schwellenländer kräftig zunehmen, wenn er bei den großen Abnehmerländern stagniert. Erstaunlich ist dabei, dass die CONAB gerade bei den Kaffe produzierenden Ländern, wie Brasilien und anderen lateinamerikanischen Ländern, von Wachstumsraten ausgeht, die deutlich über 2% liegen müssen. Angaben im einzelnen werden hierzu aber nicht gemacht. Ob hier wohl der Wunsch der „Vater“ der Analyse ist? Die Lage bleibt zumindest verwirrend. Hinzu kommt, dass die Lagerbestände der großen Abnehmerländer nach wie vor gut gefüllt zu sein scheinen, so dass auch von dieser Seite kein zusätzlicher Bedarf zu erwarten ist.

Zusammenfassung

Sicher ist, dass die katastrophale Ertragslage der Plantagen in den vergangenen Jahren zu einer Einschränkung der Produktion geführt hat. Inzwischen wird aber wieder angemessen verdient, so dass sich das Angebot allmählich zu erholen scheint. Exzellente Ernten wie in diesem Jahr werden das ihre dazu beitragen. Natürlich wird es irgendwann einmal wieder zu Frösten auf den brasilianischen Höhen kommen. In diesem Jahr war das aber nicht der Fall, so sich die Angebotsdefizite weiter abbauen. Für den Privatanleger bleibt der Kaffeemarkt deshalb zunächst einmal ein heißes Geschäft, zumal mit stürmischen Zuwächsen der Nachfrage, die ja auch nur aus den bisher Tee trinkenden Ländern kommen könnte, nicht zu rechnen ist.

Investieren in KaffeeWenn Sie in Zukunft nicht nur Kaffee trinken, sondern auch in Kaffee investiert sein wollen, haben sie grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Produkten. Beide bilden den Kursverlauf des Kaffee-Future- Kontraktes an der amerikanischen Warenterminbörse NYBOT nach. Sie ist neben der brasilianischen Terminbörse BM&F die größte „Kaffee-Börse“ weltweit. Da Kaffee in Dollar gehandelt wird bieten die Emittenten Partizipations- Zertifikate mit und ohne Schutz vor Währungsschwankungen an. Ohne diesen „Quanto“-Mechanismus kommt das Zertifikat mit der WKN „GS0CC1“ aus dem Hause Goldman Sachs aus. Es hat einen Spread von 0,51 Prozent und steigt immer dann überdurchschnittlich, wenn der Dollar zum Euro steigt. Möchten Sie hingegen vor Währungsschwankungen geschützt sein, so bietet sich das Zertifikat mit der WKN „ABN3HW“ aus dem Hause ABN AMRO an. Das „Quanto“-Zertifikat hat einen Spread von 0,7%. Einziger Einflussfaktor für den Kursverlauf ist hier also der Verlauf des Kaffeepreises – die Schwankungen zwischen Euro und Dollar spielen hier keine Rolle.

Jochen Stanzl - BörseGo GmbH

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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