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13:06 Uhr, 18.10.2004

K: Privater Konsum in Deutschland - ein Trauerspiel

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Externe Quelle: Bankgesellschaft Berlin

Privater Konsum in Deutschland - ein Trauerspiel

Der private Konsum in Deutschland liegt am Boden. Die Hoffnungen auf eine Erholung, die wir noch vor wenigen Monaten hatten, haben sich weitgehend zerschlagen. Zu einer Belebung der Konsumtätigkeit wird es 2004 nicht mehr kommen und auch für das nächste Jahr haben sich die Perspektiven verschlechtert.

Kontinuierliche Abwärtsrevisionen

Wie schon im Vorjahr wurden die Erwartungen für das Wachstum des privaten Konsums für 2004 im Zeitablauf immer weiter nach unten revidiert. Lagen zu Jahresbeginn 2004 die Consensus-Schätzungen noch bei gut 1%, so zeigt der Durchschnitt der Prognosen derzeit nur noch Stagnation an. Für 2005 wurde zuletzt noch ein Anstieg von 1.2% gesehen, nach 1.6% zu Jahresbeginn. Weitere Abwärtsrevisionen sind wahrscheinlich.

Privater Konsum entwickelt sich unterdurchschnittlich

Der Konsum der privaten Haushalte ist in Deutschland mit einem Anteil von rd. 57% mit Abstand die wichtigste Komponente des BIP. In den vergangenen Jahren entwickelte sich der private Verbrauch meist schlechter als das BIP insgesamt. Zuletzt konnte der private Konsum 2001 mit preisbereinigt 1.4% stärker zulegen als das BIP mit 0.8%. 2002 schrumpfte der private Konsum, während das BIP geringfügig stieg. Im vergangenen Jahr kam es dann bei beiden Größen zu einem leichten Rückgang. Besonders schlecht dürfte der private Verbrauch 2004 im Vergleich zu der nach drei schlechten Jahren wieder spürbar wachsenden Gesamtwirtschaft abschneiden.

Auf und Ab im Einzelhandel

Im bisherigen Jahresverlauf zeigten die deutschen Einzelhandelsumsätze ein Auf und Ab. Zuletzt standen in saisonbereinigter Betrachtung deutliche Rückgänge der realen Einzelhandelsumsätze in den Monaten Mai und Juli spürbare Rückgänge im Juni und August gegenüber (jeweils Vormonatsvergleich). Der gesamte Einzelhandelsumsatz in den ersten acht Monaten 2004 lag 1.3% unter dem Vorjahresstand. Angesichts dieser Zahlen rechnet auch der deutsche Einzelhandelsverband für 2004 nicht mehr mit einem Umsatzplus und revidierte seine Jahresprognose im September von +0.5% auf -0.5%.

Bessere Entwicklung in Frankreich UK und Spanien

Auch im europäischen Vergleich schneidet der deutsche Einzelhandel weiterhin schlecht ab. Die Einzelhandelsumsätze lagen im bisherigen Jahresverlauf nach Berechnungen von Eurostat in Deutschland wie auch in Italien und den Niederlanden unter Vorjahresniveau. Dagegen konnte sich die Branche in Frankreich, Großbritannien und in Spanien (trotz eines Einbruchs im Sommer) über Umsatzzuwächse freuen.

Noch keine Besserung auf dem Arbeitsmarkt

Eine große Bedeutung spielt der Arbeitsmarkt als Determinante des Verbraucherverhaltens. So hängt das Ausgabeverhalten der privaten Haushalte maßgeblich von ihrer Einschätzung der Arbeitsplatzsicherheit und der Einkommensperspektiven ab. Der deutsche Arbeitsmarkt entwickelt sich bis zuletzt ungünstig. Die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen ist im September und Oktober weiter deutlich gestiegen (+26,000 bzw. +27,000). Bei der Erwerbstätigenzahl war zuletzt zwar eine Besserung zu erkennen. Sie lag im September um 67,000 über dem Vorjahresstand. Dieser Anstieg ist aber alleine auf die Ausweitung geringfügiger Beschäftigung ("Minijobs") und Existenzgründungen ("Ich-AGs") zurückzuführen. Eine konjunkturelle Besserung ist auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch nicht erkennbar. Bei weiterhin positiver gesamtwirtschaftlicher Entwicklung könnte es hier in der ersten Jahreshälfte 2005 zu einer Entspannung kommen.

Haushalte legen mehr Geld zurück

Die anhaltend schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt und die angesichts der demographischen Entwicklung zunehmende Notwendigkeit einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge haben die Sparquote der privaten Haushalte seit dem Boom im Jahr 2000 deutlich steigen lassen. Zu Beginn dieses Jahrzehnts sparten die Haushalte weniger als ein Zehntel ihres verfügbaren Einkommens; Mitte 2004 legten sie bereits 11% beiseite.

Verschlechterung der Stimmung seit Jahresbeginn

Die Stimmung der deutschen Verbraucher hatte sich nach dem Tiefpunkt im Mai 2003 deutlich erholt. Die optimistischere Haltung der Konsumenten war aber nicht von Dauer. Nach dem relativ günstigen Wert des EU-Verbrauchervertrauens für Februar dieses Jahres kam es in den folgenden Monaten zu einer erneuten Stimmungseintrübung.

Perspektiven auch für 2005 eingetrübt

Nachdem für die letzten Monate dieses Jahres kaum mehr mit einer durchgreifenden Besserung der Konsumtätigkeit zu rechnen ist, stellt sich die Frage nach den Aussichten für das kommende Jahr.

Optimistisches Konsumszenario

Noch zur Jahresmitte waren wir hinsichtlich der weiteren Entwicklung des privaten Verbrauchs recht optimistisch und konnten uns eine positive Überraschung gut vorstellen (vgl. BGB Strategy Weekly 27/2004 vom 28. Juni 2004). Unser optimistisches Konsumszenario basierte auf den steuerlichen Entlastungen durch die Einkommensteuerreform 2004 und Anfang 2005, auf den Kostensenkungen im Gesundheitsbereich infolge der allmählich wirkenden Reformmaßnahmen sowie der erwarteten Besserung am Arbeitsmarkt.

Letzte Stufe der Einkommensteuerreform

Tatsächlich rechnen wir weiterhin mit einer - wenn auch verzögerten - Erholung auf dem Arbeitsmarkt, die sich tendenziell positiv auf die Konsumtätigkeit auswirken sollte. Auch dürfte die letzte Stufe der Einkommensteuerreform Anfang 2005 wie beschlossen umgesetzt werden. Dies soll zu einer Entlastung in Höhe von rd. 6.5 Mrd. Euro führen.

Mehrbelastungen

Dieser steuerlichen Entlastung steht jedoch eine Reihe anderer Belastungen der privaten Haushalte gegenüber. Dazu zählen wir:

· den hohen Ölpreis der zu einem Kaufkraftentzug in Milliardenhöhe führt (höhere Kosten u.a. für Benzin, Heizöl, Bahnfahrten);

· die Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages um 0.25 Prozentpunkte für Arbeitnehmer ohne Kinder (insgesamt rd. 700 Mio. Euro);

· den Sonderbeitrag von 0.4% des Bruttolohnes, der ab 1. Juli 2005 für den Zahnersatz im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen ist (und die Versicherten 2005 rd. 2 Mrd. und 2006 mehr als 4 Mrd. Euro kostet);

· die wegfallende Unterstützung für rd. 500,000 Langzeitarbeitslose wegen der verschärften Anrechnung der Einkommen des Partners im Zuge der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II zu Jahresbeginn: Für rd. 3 Mio. Arbeitslose gibt es künftig weniger Geld;

· die Streichung übertariflicher Gehaltsbestandteile für viele Tausende Arbeitnehmer im Rahmen von Sanierungsvereinbarungen auf betrieblicher Ebene.

Weitere Verschlechterung der Verbraucherstimmung

Diese Belastungen der privaten Haushalte dürften in ihrer Gesamtheit das Entlastungsvolumen der Steuerreform deutlich übertreffen. Dies könnte im Zusammenhang mit der krisenhaften Entwicklung bei mehreren deutschen Großunternehmen (zuletzt KarstadtQuelle und Opel), die den Abbau Tausender von Arbeitsplätze angekündigt haben, die Verbraucherstimmung in den kommenden Monaten erheblich beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund müssen die Chancen für eine spürbare Belebung des privaten Verbrauchs in der ersten Jahreshälfte 2005 gering eingeschätzt werden.

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