K: Kombilohn - Was es für den Erfolg braucht
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Externe Quelle: Deutsche Bank Research
Autor: Dr. Urban Mauer
Kombilohn - Was es für den Erfolg braucht
Die große Koalition beabsichtigt, bis zum Herbst die Einführung eines Kombilohn-Modells zu prüfen. Die bestehenden Instrumente zur Lohnergänzung sollen gebündelt und in einem Förderansatz zusammengefasst werden. Einfließen sollen auch die Themen Entsendegesetz und Mindestlohn. Erste Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Sie sind wenig ermutigend, nicht zuletzt, weil sie für einzelne Zielgruppen versuchen, Ladenhüter mit marginalen Modifizierungen als Neuerungen zu verkaufen – ergänzt um einen (branchenspezifischen) Mindestlohn. Die Reaktion in der Öffentlichkeit fiel entsprechend aus.
Die in beiden Vorschlägen enthaltene Fokussierung auf junge und ältere Arbeitslose für den sog. Kombilohn ist nicht nur auf die besondere "Für"-Sorge der Großkoalitionäre für diese Zielgruppe zurückzuführen, sondern insbesondere auf die Sorge, mit einem nicht zielgruppenspezifischen Ansatz könnten sich die leidvollen Erfahrungen von Hartz IV auf der Kostenseite wiederholen. Hinzu kommt bei den Sozialdemokraten eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Kombilöhnen, für die jedoch erstaunliche Begründungen herhalten müssen. Wenn der Bundesarbeitsminister im Zusammenhang mit Kombilöhnen von Planwirtschaft spricht, die man nicht wolle, wird hier einiges durcheinander gebracht. Planwirtschaft haben wir auf dem deutschen Arbeitsmarkt schon genug. Dumm nur, dass sich nicht alles nach dem Wunsch der Planwirtschaftler entwickelt!
Nein, wir müssen dem Arbeitsmarkt ein Stück weit wieder den Charakter eines Marktes zurückgeben. Dazu sind richtig verstandene Kombilöhne – im Gegensatz zu planwirtschaftlichen Mindestlöhnen – durchaus geeignet. Sie sollen eine Preisbildung auf dem Arbeitsmarkt nach Marktgesetzen zulassen, bevor der Staat tätig wird, um das aus sozialpolitischen Gründen möglicherweise nicht zufrieden stellende Marktergebnis im Nachhinein zu ändern, d.h. das am Markt erzielte Einkommen für den Arbeitnehmer aufzustocken.
Aber warum wirbelt der Kombilohn eigentlich so viel Staub auf? Weil er dazu geeignet ist, zwischen unterschiedlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Ansichten zu polarisieren. Hier die Forderung nach einem Aufbrechen der Verkrustungen am Arbeitsmarkt, dort das Petitum für "anständige", den eigenen Lebensunterhalt sichernde Löhne. Aus inhaltlichen Gründen ist der Hype um den Kombilohn jedoch mehr als überraschend. Denn tatsächlich ähnelt er der Begeisterung für "Des Kaisers neue Kleider". Statt: "Aber er hat ja gar nichts an!", heißt es hier: "Wir haben ihn doch längst!" Er hat nur andere Namen: befristet in Form des Einstiegsgelds, unbefristet in Gestalt der geltenden Hinzuverdienstregelung bei ALG II-Bezug; zielgruppenbezogen bei der Entgeltsicherung und beim Kinderzuschlag, nicht zielgruppenbezogen bei der Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen bei den Midijobs.
Wenn der Kombilohn also kein neues Instrument ist, heißt das, dass wir ihn wegen offensichtlich fehlender Erfolge lieber zurückfahren sollten? Nein! Nur sollten wir den Erwartungsbogen nicht überspannen – als sei er gleichsam das Allheilmittel für den maladen Arbeitsmarkt – und zugleich beherzigen, dass wir das Rad nicht neu erfinden, sondern nur einige wenige Änderungen vornehmen müssen.
Die Zielsetzungen eines Kombilohn-Modells sind schnell umrissen:
- Beschäftigungsziel: Beschäftigung soll für diejenigen attraktiv gemacht werden, die seit langem arbeitslos und meist gering qualifiziert sind. Dies sind die Ursachen für den zu erwartenden niedrigen Einstiegslohn am Markt und die entsprechend notwendige staatliche Lohnergänzung. Neben der Ausweitung des Arbeitsangebots soll dadurch aber auch die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften im Niedriglohnsegment erhöht werden. Langzeitarbeitslosigkeit und geringe Qualifikation lassen sich nicht an bestimmten Altersgruppen festmachen – deshalb ist die Zielgruppenorientierung der Regierungsparteien auch kritisch zu beurteilen. Zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit steht kurzfristig die staatlich geförderte Beschäftigung im Vordergrund. Mittel- und langfristig soll die Ausgestaltung des Kombilohn-Modells jedoch so wirken, dass möglichst viele Personen den Weg in ungeförderte Beschäftigung finden.
- Fiskalziel: Ein Kombilohn-Modell macht nur dann Sinn, wenn es keine Mehrkosten gegenüber dem Status quo verursacht. Die staatlich finanzierte Lohnergänzung für Erwerbsarbeit darf nicht mehr Mittel verschlingen als der staatlich finanzierte Lohnersatz für Arbeitslosigkeit. Auch gegen dieses Ziel verstoßen die Vorschläge von Union und SPD, denn die Kostenschätzungen beider Modelle gehen von Mehrkosten bis zu EUR 1,25 Mrd. aus.
Der grundlegende Zusammenhang zwischen der Höhe des garantierten Mindesteinkommens bei Hilfebedürftigkeit (Grundsicherungsniveau) und dem Ausmaß der finanziellen Anreize bei Aufnahme einer Beschäftigung mündet zwingend in einen Zielkonflikt, wenn die staatlichen Transferausgaben nicht ins Unermessliche steigen sollen. Eine hohe Grundsicherung bei Nichterwerbstätigkeit verträgt sich eben nicht mit einer die Leistungsbereitschaft erhöhenden, niedrigen Grenzbelastung des Einkommens bei Arbeitsaufnahme. Wie man die Kombination von Grundsicherungsniveau und finanziellen Anreizen nicht ausgestalten sollte, dazu bietet das Kombilohn-Modell Hartz IV, d.h. die dort verankerte Hinzuverdienstregelung, besten Anschauungsunterricht.
Gegenüber der alten Sozialhilfe wurde der Regelsatz bei Hartz IV für alle Hilfebezieher um rd. EUR 50 auf EUR 345 erhöht, um damit die zuvor nur nach Bedarf gezahlten einmaligen Leistungen pauschal abzugelten. Auch die Hinzuverdienstregelung, die die Höhe der Beträge bestimmt, die vom Erwerbseinkommen auf das ALG II anzurechnen sind (Transferentzugsrate), wurde neu geregelt. Statt die kontraproduktiven Konkurrenzinstrumente – wie z.B. Ein-Euro-Jobs – zu beschneiden und zu akzeptieren, dass jede Reform kurzfristig auch Verlierer mit sich bringt, wurde mit dem sog. Clement-Laumann-Modell zum 1.10.2005 ein noch höherer Grundfreibetrag als bei der Sozialhilfe eingeführt und die Transferentzugsrate in allen Einkommensbereichen gesenkt. Der Schwerpunkt der Förderung liegt seitdem – wie bei der Sozialhilfe – in den unteren Einkommensbereichen. Die Folgen dieser Regelung liegen auf der Hand:
- Die Anreize, eine sozialversicherungspflichtige (Vollzeit-)Beschäftigung aufzunehmen, werden systematisch gehemmt. Stattdessen zeigt sich, dass i.d.R. nur wenige Stunden – bis hin zur Geringfügigkeitsgrenze – gearbeitet wird. Die Hilfebezieher erhalten weiterhin ergänzend ALG II ("Lock-in-Effekt"); der Bezug weiterer Nicht-Markteinkommen bleibt eine einträgliche Alternative.
- Durch die derzeitigen Hinzuverdienstregeln ist aber nicht nur die Ausstiegsförderung in reguläre Beschäftigung grundlegend falsch konzipiert. Vielmehr werden auch Anreize zur Einstiegsförderung in den Hilfebezug gesetzt; d.h. die Reduzierung der Arbeitszeit und die ergänzende Aufstockung durch ALG II (und andere Nicht-Markteinkommen) erscheinen attraktiv.
- Durch die Wiedereinführung des Grundfreibetrages und die Senkung der Transferentzugsrate in allen Einkommensbereichen wird die Zahl der Leistungsbezieher immer größer, weil ergänzendes ALG II für immer mehr Erwerbstätige gezahlt wird.
Ein neu zu konzipierender Kombilohn (*1) muss daher zunächst mit dem falschen sozialpolitischen Verständnis aufräumen, dass der Staat nicht nur jedem das soziokulturelle Existenzminimum garantiere, sondern dass jede Arbeitsleistung zusätzlich zum Sozialtransfer noch zu vergüten sei. Subsidiarität heißt aber, dass erst wenn der Bürger weder durch eigene Arbeitsleistungen noch auf andere Weise in der Lage ist, seinen eigenen Lebensunterhalt zu sichern, der ergänzende Sozialtransfer gezahlt wird. Daraus ergibt sich folgender Vorschlag für einen Kombilohn, der zum einen systematisch an die Hinzuverdienstregelung anknüpft und zum anderen bei äquivalenten Bruttostundenlöhnen von bis zu EUR 12 bei ALG II-Bezug berücksichtigt, dass es nicht nur ums "Fördern" im Sinne finanzieller Anreize gehen kann:
- Der Kombilohn wird begrenzt auf die Bedürftigen, d.h. diejenigen, die Anspruch auf ALG II haben. Zugleich werden die Anspruchsvoraussetzungen verschärft. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zum Schonvermögen, denn dem Subsidiaritätsprinzip zufolge sollten erst diejenigen staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können, die sich materiell nicht selber zu helfen wissen. Für die dann wirklich Bedürftigen wird die Regelleistung nicht gesenkt.
- Gefördert werden i.d.R. niedrige (Stunden-)Löhne, nicht niedrige Einkommen, die z.B. bei geringer Stundenzahl und relativ hohen Löhnen erzielt werden. Der freiwillige Verzicht auf Mehrarbeit im regulären Arbeitsmarkt bei ergänzendem ALG II-Bezug sollte nicht noch durch staatliche Förderung belohnt werden. Ausnahmen sind bei familienbedingten Gründen denkbar.
- Die finanziellen Anreize sind dort zu verstärken, wo sie echte Ausstiegshilfe sind und dort zu reduzieren, wo sie derzeit reine Mitnahmeeffekte auslösen. Das Motto heißt: Ausstiegs statt "Lock-in"-Förderung. Deshalb sollten der Grundfreibetrag abgeschafft und die Komponente des "Forderns" im niedrigen Einkommensbereich verstärkt werden. Weil das Beschäftigungsziel von Langzeitarbeitslosen nicht auf einen nicht existenzsichernden Minijob ausgerichtet sein sollte, sondern auf reguläre Beschäftigung, werden die ersten EUR 400 Erwerbseinkommen in voller Höhe auf das ALG II angerechnet. Dies ist der Preis für die Gewährung eines relativ hohen Grundsicherungsniveaus. Zugleich eröffnet dies den Spielraum für die Konzentration der finanziellen Förderung auf höhere Einkommensbereiche, also dort, wo die Hilfeabhängigkeit nicht mehr so hoch ist und Kombilöhne als echte Ausstiegsförderung wirken.
Die vorgeschlagene Regelung
- stellt kurzfristig erwerbstätige ALG II-Bezieher schlechter, setzt aber die Anreize so, dass sich mehr Arbeit lohnt;
- muss, um zu wirken, mit einer konsequenten Anwendung der jüngst beschlossenen Sanktionierung von abgelehnten Arbeitsangeboten einhergehen;
- sollte von einer vollständigen Streichung der Mehraufwandsentschädigung bei den sog. Ein-Euro-Jobs begleitet werden;
- verbietet die gleichzeitige Einführung von Mindestlöhnen, weil sie den Arbeitsmarkt im Niedriglohnsegment weiter verriegeln würde;
- sollte weitgehend als Bündelung der bestehenden Kombilohn-Elemente verstanden werden;
- dient dem Beschäftigungsziel und setzt Anreize, sich aus dem ergänzenden Hilfebezug durch mehr Arbeit zu befreien;
- dient dem Fiskalziel, weil die vorgeschlagene Regelung den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich reduziert, wegen der neuen Anrechnungsregeln durchgehend günstiger ist als die jetzige und zudem weniger Mittel erfordert als der dauerhafte Lohnersatz.
Mit einem solchen Kombilohn würde das Sozialstaatsprinzip endlich wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden.
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