Analyse
12:52 Uhr, 21.03.2005

K: Kapitalzuflüsse in den Euroland-Aktienmarkt

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Externe Quelle: HVB

Kapitalzuflüsse in den Euroland-Aktienmarkt

Das positive mittelfristige Aktienmarktbild ist intakt. Auf Sicht von 6 Monaten erwarten wir einen Anstieg des Euro STOXX 50 auf 3200 Punkte (DAX 4575 Punkte). Unsere Markteinschätzung wird wesentlich von folgenden Eckpunkten getragen:
Die Frühindikatoren befinden sich am Beginn eines neuen Aufwärtstrends und begünstigen eine Bewertungsausdehnung am Aktienmarkt.
Der Anstieg der Kapitalmarktzinsen bedeutet keine nachhaltige Belastung für den Aktienmarkt, da die positiven Effekte der Konjunkturerholung überwiegen.
Positive saisonale Effekte durch die Konzentration der Dividendenzahlungen auf eine kurzen Zeitraum (insbesondere April/Mai).

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe liegt auf den Gesamtmarkteffekten die mit der laufenden IAS/IFRSUmstellung (im folgenden IFRS) verbunden sein dürften. Die Konsequenzen für die I/B/E/S-Gewinn-Zeitreihen sind dabei von speziellem Interesse, angesichts ihrer breiten Verwendung unter den Investoren.

Änderungen in den Rechnungslegungsvorschriften beeinflussen den Gewinnausweis der Unternehmen in 2005. Börsennotierte EU-Unternehmen müssen für Geschäftsjahre, die am 1. Januar 2005 oder später beginnen, nach IFRS bilanzieren. Zugleich haben sich zum 1. Januar 2005 einige Bestimmungen geändert (z. B. Wegfall der Goodwill-Abschreibung, geänderte Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Aktienoptionen). Für Unternehmen, die nach US-GAAP bilanzieren, gelten längere Übergangsbestimmungen. Nach den IFRS-Änderungen besteht jetzt eine wesentlich größere Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Rechnungslegungsstandard. Die Unternehmen sind - je nach Ausgangslage - in unterschiedlichem Maße betroffen (Umstellung von "local GAAP" auf IFRS versus Anwendung der Änderungen für Unternehmen die schon bisher nach IFRS bilanziert haben). Der Wegfall der Goodwill-Abschreibung dürfte der größte einzelne Einflussfaktor sein.

Die Umstellung der I/B/E/S-Daten auf Unternehmensebene erfolgt in zwei Schritten. I/B/E/S wird im April beginnen, die Daten umzustellen. Die Definition der Zeitreihe "Earnings per Share (EPS)" wird geändert:
In einem ersten Schritt wird die EPS-Zeitreihe auf "vor-Goodwill und vor IFRS" umgestellt. Zugleich wird die Historie teilweise auf diese Gewinn- Definition umgestellt (je nach Verfügbarkeit der Daten unterschiedlich lange für die einzelnen Unternehmen). Diese Umstellung erfolgt für alle Euroland-Unternehmen zum gleichen Zeitpunkt (geplant: 11. April). Sie bewirkt bei den Unternehmen, die bislang Goodwill abgeschrieben haben, einen optischen Gewinnsprung.
In einem zweiten Schritt werden die umgestellten EPS-Schätzungen ("vor Goodwill und vor IFRS") dann auf IFRS umgestellt. Die Umstellung erfolgt für ein Unternehmen jeweils dann, wenn die Mehrheit der Analysten auf Schätzungen gemäß IFRS übergegangen ist. Diese Umstellung findet somit sukzessive in den kommenden Monaten statt (geplant: ab dem 25. April).

Die Umstellung der Berechnung der Indexgewinne erfolgt ebenfalls in zwei Schritten. Zeitgleich mit der Umstellung auf Unternehmensebene wird auch die Berechnung der Indexgewinne geändert. Bislang beruhen sie auf der alten Definition der EPS-Zeitreihe ("nach Goodwill"):
Im ersten Schritt wird die Berechnung der Indexgewinne auf die Gewinnschätzungen vor Goodwill umgestellt ("vor Goodwill und vor IFRS"). Zugleich wird die Indexgewinn-Historie rückwirkend auf Basis dieser Gewinne teilweise neu berechnet (DAX: ab Anfang 2001, Euro STOXX 50: die Mehrheit der Unternehmen geht ab Anfang 2001 mit diesen Daten in die Berechnung ein, einige aber auch rückwirkend ab 1999). Im ersten Schritt der Umstellung ergibt sich somit ein Niveau-Shift nach oben.
Sobald für ein Unternehmen die Mehrheit der Schätzungen auf Basis von IFRS erfolgt (siehe oben), gehen dann diese Daten in die Berechnung des Indexgewinns ein. In der zweiten Phase der Umstellung unterliegt der Indexgewinn somit nach und nach dem Einfluss, der sich durch die sonstigen Änderungen durch die Übernahme der IFRSBestimmungen ergibt.

Das Umfeld steigender Frühindikatoren erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer "Gewinnillusion" infolge der Umstellung. Die IFRS-Änderungen werden letztlich einen Anstieg der Indexgewinne zur Folge haben. Eine erste Indikation für den Euro STOXX 50 und den DAX liefert der Vergleich der Indexgewinne nach heutiger und künftiger Definition. Der Indexgewinn des DAX und des Euro STOXX 50 werden um 5-8% ansteigen. Der höhere Gewinnausweis ist buchhalterisch bedingt und rechtfertigt keine höhere Bewertung. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass der Aktienmarkt einer "Gewinnillusion" unterliegen und ein "Bias" hin zu höheren Bewertungen bestehen wird. In Phasen mit steigenden Frühindikatoren billigen die Investoren für gewöhnlich dem Aktienmarkt in Antizipation der positiven Gewinn-Effekte einer Konjunkturbelebung eine höhere Bewertung zu. Das aktuelle Umfeld begünstigt somit eine Bewertungsausdehnung.

Der Bewertungsunterschied zwischen dem Euroland- und dem US-Aktienmarkt wird transparenter. Mit den Neuerungen innerhalb des IFRS-Regelwerkes gleichen sich IFRS und US-GAAP weiter an. Mit der Umstellung der Rechnungslegung der EU-Unternehmen auf IFRS wird die niedrigere Bewertung des Euroland- Aktienmarktes im Vergleich zum US-Aktienmarkt deutlicher ("Äpfel werden mit Äpfel verglichen"). Mit dem ersten Schritt der Umstellung sinkt das KGV bereits auf das Niveau der "vor Goodwill Zeitreihe". Würde sich die Bewertung des US-Marktes und des Euroland-Marktes auf längere Sicht angleichen, so würde dies rechnerisch eine Outperformance des Euroland-Aktienmarktes von rund 25-30% bedeuten (Vergleich in lokaler Währung). Der transparentere Bewertungsunterschied gegenüber dem US-Aktienmarkt erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen anhaltenden Zustrom ausländischer Gelder in den EWU-Aktienmarkt. In den vergangenen Monaten wies der Zustrom nach Euroland bereits eine dynamischere Entwicklung auf als der Zustrom in die USA.

News Flow nächste Woche: Fed-Meeting steht im Mittelpunkt. In der kommenden Woche findet die nächste Notenbanksitzung der Fed statt. Wir erwarten eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte. Von besonderem Interesse wird dabei sein, ob die Fed ihre Einschätzung zum Inflationsausblick ändert (größere Betonung der Inflationsrisiken) und eine stärkere geldpolitische Straffung wahrscheinlich wird, als vom Konsens derzeit erwartet wird. Das "surprise risk" liegt auf dieser Seite. Der Druck auf den Bondmarkt hin zu steigenden Zinsen, würde dadurch erhalten bleiben, sollte aber den Aktienmarkt nur vorübergehend dämpfen.

Sektor Allokation

Die Frühindikatoren signalisieren eine leichte Zunahme in der Konjunkturdynamik, die sich in der zweiten Jahreshälfte beschleunigen könnte. Dies ist grundsätzlich ein positives Umfeld für zyklische Sektoren. Nachdem die Wachstumsimpulse jedoch noch schwach ausgeprägt sind und zudem in Hinblick auf die weitere Entwicklung bei USD und Energiepreisen mit Unsicherheit behaftet sind, präferieren wir in unserer Sektor Allokation zyklische Sektoren, die von robusten Rohstoffpreisen profitieren: Oil & Gas, Basic Resources und Chemicals. Zyklische Sektoren, die von Volumeneffekten profitieren, dürften in diesem Umfeld zunächst noch keine nachhaltige Outperformance erzielen können. Unsere Sektor Allokation bleibt per saldo auf drei Schwerpunkte ausgerichtet: Übergewichtung von preissensitiven Zyklikern und Sektoren mit attraktiver Bewertung bei stabilem Gewinnwachstum sowie einer hohen Dividendenrendite. Übergewichtete Sektoren sind dabei Chemicals, Basic Resources, Oil & Gas und Telecommunications. Eine Untergewichtung geben wir unverändert Personal & Household Goods, Food & Beverage, Media und Retail.

Die Gewinnerwartungen für Euro STOXX Oil & Gas sind weiterhin zu niedrig. Der Sektor Oil & Gas hat seit Jahreanfang 11,4% zugelegt und steht damit an der Spitze der Performance unter den Euro STOXX Sektoren. Der Gesamtmarkt hat in diesem Zeitraum 5,1% gewonnen. Euro STOXX Oil & Gas war in den vergangenen Tagen von Gewinnmitnahmen geprägt. Dies dürfte u. E. jedoch nur ein kürzerfristiger Effekt sein. Die Dynamik in der Ölpreisentwicklung hat zwar kurzfristig nachgelassen, die Ölpreise notieren jedoch weiter im Bereich ihrer Hochpunkte. Angesichts der wieder anspringenden weltweiten Konjunkturdynamik dürfte die Nachfrage nach Öl auch in den kommenden Quartalen hoch bleiben bzw. nochmals zunehmen. In den 8 Phasen zunehmender weltweiter Konjunkturdynamik seit 1985 (gemessen anhand des OECD Leading Indicator) hat der Ölpreis lediglich einmal (1987/88) keine nachhaltige Erholung erzielen können. Vor diesem Hintergrund sind die Gewinnerwartungen für Euro STOXX Oil & Gas von -9,2% in 2005 und -4,5% in 2006 u. E. zu negativ und sollten in den kommenden Monaten positiven Revisionen unterzogen werden. Dies sollte zu einer weiteren Outperformance des Sektors führen. Vergleicht man das Momentum im Ölpreis gegenüber den letzten 6 Monaten, so ist ein starker Gleichlauf mit der Entwicklung in den Gewinnrevisionen zu erkennen. Die letzte Spitze im Ölpreis war Anfang Oktober 2005, somit vor knapp 6 Monaten. Der Ölpreis ist bis Mitte Dezember um rund 30% gefallen. Ein vergleichbarere Rückgang ist gegenwärtig kaum zu erwarten, so dass das 6-Monats Momentum im Ölpreis selbst bei unveränderten Ölpreisen im zweiten Quartal deutlich steigen dürfte.

Eine Stabilisierung des USD ist Grundlage für ein nachhaltiges Auslaufen der Underperformance von Retail. Der Retail Sektor hat nach dem extrem schwachen 4. Quartal 2004 seit Jahresanfang über 7% gewonnen und per saldo den Euro STOXX (+5,1%) knapp übertroffen. Wir sehen dies jedoch nicht als Zeichen einer Trendwende an. Die Retail Sales für Dezember und Januar sind in Euroland deutlich unter den Erwartungen ausgefallen und können die Hoffnungen auf ein Anspringen des Konsums zumindest bislang nicht bestätigen. Auch der Handelsverband HDE erwartet nach jüngsten Meldungen keine Erholung im Einzelhandel in 2005. Hohe Energiepreise, hohe Arbeitslosigkeit bei bislang nur moderater Konjunkturdynamik, hohe Sparquote und kaum zu erwartende Lohnsteigerungen stehen unter Top-Down-Gesichtspunkten einer nachhaltigen Erholung der Konsumnachfrage entgegen. Zudem spricht unter quantitativen Zusammenhängen der schwache USD gegen eine nachhaltige Erholung von Retail. Hintergrund ist, dass das Gewinnwachstum der Sektor-Schwergewichte Carrefour, Ahold und Pinault Printemps (zusammen 63% Sektoranteil) durch Auslandstöchter in USD-Ländern von der schwachen Entwicklung des USD negativ belastet wird.

Basic Resources profitiert von weiter hoher Rohstoffnachfrage. Der konjunkturreagible Subsektor Industrial Metals (enthält Stahl-, Aluminium- und Nichteisen- Hersteller, 48% Gewicht an Basic Resources) zeigt einen hohen Gleichlauf mit der europäischen Eisenund Stahlproduktion, die im Jahresvergleich bereits wieder einen deutlichen Anstieg verzeichnet. Angesichts der allmählichen Erholung der Weltkonjunktur und der unverändert hohen Nachfrage nach Rohstahl aus China und Indien dürfte sich die Stahlproduktion in den kommenden Monaten weiter gut entwickeln und Basic Resources unterstützen. Die positive Entwicklung zeigt sich auch in den I/B/E/S 12 month fwd. earnings estimates: in den vergangenen Monaten wurden die Erwartungen um 9% angehoben; dieser Anstieg ist der höchste im Sektorspektrum.

Personal & Household Goods und Ind. Goods & Services profitieren noch nicht von der moderaten Konjunkturerholung. Die beiden Sektoren zeigen bislang noch keine Tendenz zu einer nachhaltigen Outperformance. Nur in Phasen mit einer deutlichen Beschleunigung der Konjunktur konnten beide Sektoren in der Vergangenheit eine deutliche Outperformance erzielen. Der Hintergrund hierfür ist auch in der Sektorstruktur zu suchen: mit Philips (Gewicht in Personal & Household Goods 27%) und Siemens (Gewicht in Ind. Goods & Services 34%) sind zwei stark vom weltweiten Technologiezyklus beeinflusste Werte hoch gewichtet. Im Technologiesektor fehlen bislang jedoch noch die positiven Impulse (fallendes Book to Bill Ratio, Preis- und Angebotsdruck bei Halbleitern). Zusätzlich belastet die beiden stark vom Export abhängigen Sektoren die schwache Verfassung des USD.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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