Analyse
17:14 Uhr, 29.07.2005

K: Energie fürs Portfolio?

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Externe Quelle: dit

Energie fürs Portfolio?

Seit Ende 1998 – damals war das „schwarze Gold“ für weniger als 10 US$ je Barrel zu haben – kennt der Preis für Rohöl nur noch eine Richtung: Aufwärts! 2004 kostete ein Fass der Nordseesorte Brent durchschnittlich fast dreimal soviel wie vor sechs Jahren. Im ersten Halbjahr 2005 beschleunigte sich der Aufwärtstrend. Eine vorübergehende Übertreibung? Welche Auswirkungen hat ein höherer Rohölpreis für Unternehmen in der Energiebranche? Haben die Börsen mögliche Gewinnsteigerungen bereits vorweggenommen?

Ölpreisschock?

Der in den ersten Monaten des Jahres 2005 zu beobachtende Anstieg der Preise für Erdöl weckt Erinnerungen an die sogenannten Ölkrisen der siebziger Jahre. Allerdings hinkt der Vergleich: 1973 stieg der Preis für OPEC-Öl, nach Ankündigung eier Förderkürzung um 5 %, innerhalb eines Tages um 70 % an. In den darauffolgenden zwölf Monaten verdoppelte sich der Preis erneut. Verglichen damit, sind die Preisänderungen des ersten Halbjahres 2005 von knapp 50 % als gering zu bezeichnen. Nicht nur hinsichtlich der Dynamik, auch bei den Preisniveaus kann die aktuelle Entwicklung nicht mit den Höhenflügen der siebziger Jahre mithalten. Berücksichtigt man die allgemeine Preissteigerung in den USA (sogenannte reale Rechnung) musste die Weltwirtschaft in den siebziger Jahren mit Preisen von real knapp 100 US$ fertig werden. Und noch etwas unterscheidet die aktuelle Situation von damals: Während 1973 eine plötzliche Verknappung des Ölangebots die Preise nach oben trieb, steht heute die Entwicklung der Nachfrage im Mittelpunkt. Die asiatischen Länder, allen voran China und Indien, erholten sich schneller als erwartet von der sogenannten „Asienkrise“ und treten nun auf dem Markt für Erdöl als dynamische Nachfrager auf. Zwar stehen die beiden Länder gerade einmal für 11 % der globalen Ölnachfrage und 15 % der weltweiten Wirtschaftsleistung, zur Zunahme der Ölnachfrage trugen diese beiden Länder seit 1990 allerdings mehr als ein Drittel bei.

Ein zweiter Punkt überrascht auf der Nachfrageseite: Die Verbraucher in den Industrieländern ließen sich bislang von den höheren Preisen nicht beeindrucken und veränderten ihr Verbraucherverhalten kaum. Die Erdölproduzenten wurden offensichtlich ebenfalls von der beschleunigten Nachfrageentwicklung überrascht, die Ausweitung des Angebots hielt mit der Nachfrage nicht Schritt. Die Folge: der Anteil freier Förderkapazitäten am gesamten Ölmarkt schrumpfte in den letzten 10 Jahren merklich. Auch wenn die Nachfragedynamik bei der Entwicklung am Ölmarkt im Vordergrund steht, mit ihr alleine lassen sich die aktuellen Preisbewegungen nicht erklären. Auf der Angebotsseite kam es ebenfalls zu unvorhergesehenen Entwicklungen: Zum einen ging man Ende der neunziger Jahre davon aus, dass die Öffnung des Ostblocks, allen voran des russischen Marktes, eine weltweite Privatisierungswelle im Ölsektor auslösen würde. Die wachsende Rolle privaten Kapitals in der Ölwirtschaft, so die damalige Annahme, sollte die Effizienz der Produktionsanlagen merklich erhöhen und einen Versorgungsengpass im Öl- und Gassektor unwahrscheinlich werden lassen. Zum anderen ging man davon aus, dass die OPEC aufgrund innenpolitischer Spannungen nicht die für eine aktive Preispolitik notwendige Disziplin aufzubringen in der Lage wäre. Doch es kam anders als erwartet: Die OPEC gewann in den letzten Jahren wieder merklich an Einfluss und die russische Regierung ist bemüht, ihre Kontrolle über den Erdölsektor auszubauen. Auch bei den wichtigsten erdölproduzierenden Ländern Lateinamerikas (Venezuela, Brasilien, Argentinien und Mexiko) nahm der Staat zuletzt wieder eine wachsende Rolle bei der Förderung des schwarzen Goldes ein.

Teures Öl: Trend oder Übertreibung?

Wie schwierig es ist, aus der heutigen Situation am Ölmarkt eine mittel- bis langfristige Prognose abzuleiten, macht folgendes Beispiel deutlich: Im März 1999 hielt das angesehene Wirtschaftsmagazin „The Economist“ einen Ölpreisrückgang von schon damals niedrigen Notierungen auf rund 5 US$ je Barrel für realistisch. Eine krasse Fehleinschätzung! Kurz nach der Veröffentlichung des Artikels begann der bis heute anhaltende Aufwärtstrend am Ölmarkt. Aber auch wenn keine Vorhersage so schwierig ist wie die der Zukunft erscheint, nach Zusammenfassung aller heute bekannter Fakten folgendes Bild plausibel: An der Situation historisch geringer freier Förderkapazitäten wird sich so schnell nichts ändern. Zwar provozieren höhere Ölpreise Investitionen in neue Erdölfelder, die bisher nicht profitabel erschienen und bereits „angezapfte“ Quellen können länger genutzt werden als zuvor – die letzten „Tropfen“ sind bei der Erdölförderung besonders teuer. Diese Investitionen benötigen jedoch Zeit, und auch wenn das Angebot allmählich wächst, nimmt die Nachfrage weiter zu. Da ein Großteil der Ölvorkommen in politisch instabilen Regionen liegt, haben geopolitische Risiken einen großen Einfluss auf den Energiemarkt. Bei nur geringen freien Kapazitäten hätten vorübergehender Förderausfälle erhebliche Folgen für die Versorgungslage und damit auch die Preisentwicklung. Aus dem bisher Gesagten folgt:

1) Öl wird in den nächsten Monaten im historischen Vergleich teuer bleiben.
2) Hohe Preisschwankungen dürften am Ölmarkt an der Tagesordnung bleiben.

Mittelfristig ist zwar nicht auszuschließen, ja es scheint sogar wahrscheinlich, dass der Ölpreis wieder in Bereiche von etwa 40 US$/Barrel sinkt. Eine überraschend starke weltwirtschaftliche Abkühlung gepaart mit einer zunehmenden Rolle alternativer Energiequellen könnten eine solche Entwicklung forcieren. Jedoch stellen auch Preise von 40 US$/Barrel im Vergleich zum Durchschnitt der neunziger Jahre eine Verdoppelung dar. Der Internationale Währungsfonds (IWF), hat sich in seinem letzten „World Economic Outlook“ (April 2005) mit Hilfe eines umfassenden Prognosemodells an einen langfristigen Ausblick gewagt. Unter Einbeziehung der voraussichtlichen weltweiten Bevölkerungsentwicklung sowie der wachsenden Verbreitung von Kraftfahrzeugen hält der IWF im Jahre 2030 eine Preisspanne von 39 bis 56 US$ (gemessen an heutigen Preisen) für realistisch. Bezieht man eine voraussichtliche durchschnittliche Inflationsrate von jährlich 2,5 % in die Betrachtung mit ein, scheint ein Preis unter 45 US$ so gut wie ausgeschlossen.

Was heißt das für die Börse?

Zur Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen hoher Ölpreise auf Energieaktien erscheint es zweckmäßig, dieses Aktiensegment in zwei Teilbereiche zu unterteilen. Erstens: Unternehmen, die Öl- bzw. Gas suchen und fördern (der sogenannte „Upstream“-Bereich). Zweitens: Unternehmen, deren Tätigkeit näher am Öl-Verbraucher steht (z.B. Raffinierung, Absatz und Transport).

Upstream-Segment

Zumindest für Unternehmen, die ihr Geld vorrangig mit der Förderung von Erdöl und Erdgas (dem sogenannten Upstream-Bereich) verdienen, lässt sich ein enger Zusammenhang zwischen Ölpreisentwicklung und Aktienkurs feststellen. Verständlich, denn es ist davon auszugehen, dass die Kosten der Erdölförderung kurzfristig nicht vom Ölpreis abhängen. Steigende Ölpreise vergrößern unmittelbar den Abstand zwischen Ertrag und Kosten. Die Gewinne steigen, was die Kurse der jeweiligen Aktiengesellschaften positiv beeinflusst.

Downstream

Für Unternehmen, bei denen bereits gefördertes Öl einen durchlaufenden Posten darstellt, dessen Anschaffung Kosten verursacht, ist ein Zusammenhang zwischen Ölpreisentwicklung und Börsenkurs nicht so einfach herzustellen. Die Auswirkungen einer Verteuerung des Inputfaktors Öl auf die Gewinnmargen von z.B. Raffinerien hängt davon ab, ob und in welchem Ausmaß höhere Inputpreise an die Abnehmer verarbeiteter Mineralölprodukte weitergegeben werden können. Im Falle einer starken Konkurrenz zwischen den Raffineriebetreibern wäre es denkbar, dass höhere Ölpreise die Ertragslage von Raffinerien beeinträchtigen. Langfristig ist davon auszugehen, dass die Anbieter in der Lage sind, höhere Inputpreise in vollem Umfang weiterzugeben, was dafür spricht, dass der Ölpreis keinen Einfluss auf die Aktienkursentwicklung dieses Segment haben sollte. Dessen ungeachtet stellt sich die derzeitige Lage für die Verarbeiter von Erdöl und Erdgas recht freundlich dar: Bereits verarbeitete Mineralölprodukte, stehen besonders hoch im Kurs und angesichts einer wachsenden Nachfrage nach Benzin stellen die zur Verfügung stehenden Raffineriekapazitäten einen Engpassfaktor dar. In den USA wurde zuletzt 1976 der Neubau einer Raffinerie genehmigt. Mittlerweile lässt sich der US-amerikanische Bedarf an Benzin für Automobile und Flugzeuge nur durch den Import bereits raffinierter Öle decken. In solch einem Umfeld können Raffineriebetreiber die Preise diktieren und die Gewinnmargen weiten sich aus. Gute Nachrichten für die Aktienperformance!

Versorger

Abschließend noch einige Überlegungen zum Strommarkt: Öl und Gas spielen als Energieträger in der Stromerzeugung eine untergeordnete Rolle. In Europa wurden beispielsweise 2002 bei einem Fünftel des erzeugten Stroms Öl- oder Gas als Energiequelle genutzt. Steigende Ölpreise dürften sich kurzfristig eher nachteilig auf die Gewinnentwicklung auswirken, da Energieträger hier alleine als Kostenfaktor zu sehen sind. Langfristig laufende Lieferverträge verhindern zudem häufig, dass Kostensteigerungen sofort an die Endverbraucher weitergegeben werden können. Auf der anderen Seite herrscht in diesem Wirtschaftsbereich häufig noch Mangel an Wettbewerb vor, was die Preissetzungsmacht der Unternehmen stützt. Tatsächlich hat der Ölpreis einen geringen Einfluss auf die Versorgungsbranche. Allerdings wirkte sich der Ölpreisanstieg der letzten Jahre auch nicht negativ auf die Aktienkurse aus. Fazit: Aktien von Versorgungsunternehmen entwickeln sich in der Regel weitgehend unabhängig vom Ölmarkt. Derzeit sprechen eine wachsende Stromnachfrage und eine hohe Preissetzungsmacht auf Unternehmensseite für eine Anlage in diesem Sektor.

Bewertungen: Ein Wechsel auf die Zukunft?

Zumindest der MSCI-Subindex für dem Erdöl- und Gassektor entwickelte sich atemberaubend. Seit Ende 1999 waren hier weit mehr als 100 % Rendite zu erzielen. Die Entwicklung der Versorgungsbranche war bei weitem nicht so spektakulär. Allerdings kann sich die Rendite der letzten sechs Jahre im Vergleich zum gesamten Aktienmarkt ebenfalls sehen lassen. Stellt sich also die Frage: Ist der Börsenzug schon abgefahren? Ist gar der zuletzt zu beobachtende beschleunigte Anstieg Ausdruck maßloser Übertreibung? Der am häufigsten verwendete Bewertungsmaßstab, das Verhältnis von Aktienkurs zu Unternehmensgewinnen hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Die zuletzt gute Entwicklung der Aktienkurse wurde durch den kräftigen Gewinnanstieg überkompensiert. Gemessen am KGV waren Energieaktien Mitte 2005 sogar etwas günstiger als ein Jahr zuvor. Wichtig bei der „Bewertungsfrage“ ist: Die zuletzt zu beobachtenden Kurssteigerungen orientieren sich vor allem an durchschnittlichen Ölpreisentwicklungen. Ob der Ölpreis aufgrund spekulativer Positionen kurzfristig überschießt oder nicht, ist weniger wichtig. Interessant sind vor allem die prognostizierten Jahresdurchschnitte für die kommenden Jahre. Die Gewinnprognosen der Energieunternehmen gehen von sehr konservativen Annahmen, teilweise noch Ölpreis-Jahresdurchschnitten von weniger als 30 US$, aus. Die Gewinnschätzungen externer Analysten sind etwas optimistischer, allerdings erwarten auch sie in den nächsten Jahren wieder leicht abnehmende Jahresdurchschnitte beim Ölpreis.

Der eher konservative Charakter von Anlagen in der Versorgungsbranche zeigt sich bei der Betrachtung der Dividendenrenditen und dem Verhältnis von Kursen zu Buchwert. Die zuletzt abnehmende Dividendenrendite von Energieaktien ist Ausdruck steigender Kurse. Es ist anzunehmen, dass die Unternehmen angesichts sprudelnder Einnahmen demnächst ihre Dividendenzahlungen weiter erhöhen werden.

Fazit: Von einer übertriebenen Euphorie am Markt für Energieaktien kann derzeit nicht gesprochen werden. Zwar ist denkbar, dass bei wieder sinkenden Ölpreisen einige kurzfristige orientierten Anleger durch übereilte Verkäufe die Kurse drücken, langfristig sollte der Aufwärtstrend bei Energieaktien jedoch intakt bleiben.

Summa Oeconomica

- Eine unvorhergesehen stark wachsende Ölnachfrage aus China und der trotz hoher Preise robuste Ölbedarf der Industrieländer rückten den monatlichen Ölverbrauch ungewöhnlich nahe an die maximal zur Verfügung stehenden Produktionsmengen. Dies ist der vorrangige Grund für hohe und stark schwankende Erdölpreise.
- Auch wenn es verfrüht wäre, das Ende der Ölära auszurufen, und Preise von knapp 60 US$/Barrel übertrieben erscheinen, zeichnet sich ein langfristig aufwärtsgerichteter Trend am Ölmarkt ab.
- Vor allem in der Förderung tätige Unternehmen profitieren von teurem Öl bzw. Gas, da sich die Differenz aus Erträgen und Kosten bei bereits bestehender Förderanlagen vergrößert.
- Dienstleister im Ölsektor dürften sich in den nächsten Jahren über zunehmende Bemühungen zur Neuerschließung von Ölfeldern freuen.
- Da der aktuelle Preisanstieg von der Nachfrageseite getrieben ist, profitieren auch die Betreiber von Raffinerien von einer steigenden Nachfrage nach verarbeiteten Mineralölen.
- Hohe Dividendenrenditen, ein im Vergleich zum Gesamtmarkt hoher Bestand an Aktivposten in den Bilanzen, ein anhaltend steigender Energiebedarf sowie eine hohe Preissetzungsmacht auf Seiten der Elektrizitätsbetriebe sprechen für eine Anlage in der Versorgungsbranche.
- Zwar hat die Börse die zunehmende Ertragskraft in der Öl- und Gasindustrie bereits honoriert, die Aufwärtsbewegung auf der Gewinnseite übertraf jedoch die Kursentwicklung. Gemessen am Verhältnis von Kursen zu Gewinnen (KGV) waren Energieaktien Ende Juli 2005 günstiger zu haben als im Vorjahr.
- Sowohl die Gewinnschätzungen der Energieunternehmen wie auch externer Analysten gehen von kurz- und mittelfristig wieder sinkenden Ölpreisen aus. Von einer übertriebenen Euphorie am Markt für Energieaktien kann derzeit nicht gesprochen werden.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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