Kommentar
20:47 Uhr, 02.06.2008

Jatropha: Die Wunderpflanze

Das Purgiernussöl (bot.: Jatropha curcas L.) wächst in Sträuchern, die eine Höhe von bis zu 600 cm erreichen können. Die Sträucher zählen zur Familie der Wolfmilchsgewächse. Ursprünglich im tropischen Amerika von Mexiko bis nach Chile beheimatet und früher als Abführmittel verwendet, gilt die Pflanze heute als große Hoffnung für die Herstellung von Biodiesel. Das Pugiernußöl wird aus den Samen der Pflanze gewonnen. Der Ölanteil im Samen beträgt rund 35 Prozent. Mittlerweile wird die Pugiernuß in zahlreichen tropischen Ländern, vorzugsweise in Indien angebaut und gilt als „Hoffnungspflanze der Entwicklungsländer“ bezüglich der Energieversorgung. Dies liegt an ihrer Genügsamkeit – sie kann selbst auf Wüstenboden angebaut werden und kann mit ihren tiefen Wurzeln auch tief in der Erde liegende Wasservorräte erreichen. Außerdem muss sie kaum gedüngt oder gegen Schädlingsbefall geschützt werden, sodass sich ihr Anbau auch in ländlichen Regionen eignet.

Durch ihre Sukkulenz übersteht die Purgiernuss auch länger anhaltende Trockenheit, wegen ihres giftigen Saftes wird sie außerdem kaum von Tieren gefressen. Sie dient in tropischen Ländern zur Aufforstung kahler Landstriche oder zur Wiederaufforstung wegen Dürre oder Bodenerosion aufgegebener Agrarflächen. Häufig wird sie auch als Schutzhecke um andere Nutzpflanzungen verwendet. Experten schätzen, dass sie weltweit auf zwischen 2 und 3 Millionen Quadratkilometern angepflanzt wird.

Das aus den Samen gewonnene Öl ist von besonderem wirtschaftlichem Interesse. In seiner Rohform kann es als Lampenöl oder als Brennstoff zum Kochen verwendet werden. Weiter verarbeitet wird es zu Seife und Kerzen. Nach der Extraktion des Öls verbleibt ein Presskuchen, der einen sehr guten Dünger darstellt. Jatropha-Biodiesel gilt aber besondere Aufmerksamkeit, aber auch der Herstellung von kaltgepresstem Pflanzenöl, das insbesondere finanzschwachen tropischen Ländern den Import teuren Erdöls erspart, weil es in speziell angepassten Motoren direkt gefahren werden kann. In einer Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Universität Stuttgart-Hohenheim wird daher in einem Forschungs- und Produktions-Projekt im indischen Gujarat der Anbau dieser Pflanze forciert. Der dort erzeugte Kraftstoff erfüllt schon jetzt Euro-Diesel-Norm 3.

Die Weltbank unterstützt den Anbau von Jatropha curcas mittlerweile unter vier Bedingungen, die alle in Indien gegeben sind:

• keine Nutzung von fruchtbarem Land
• geringe Transportkosten
• angemessene Löhne
• Vermeidung von Erdölimporten

Ein noch ungelöstes Problem stellen die in den Samen und dem daraus gewonnenen Öl enthaltenen Giftstoffe dar. Da diese scharf brennend schmecken und drastisch abführend und brecherregend wirken, ist das Öl nicht zum Verzehr geeignet. Versuche, die Giftstoffe mit einer in tropischen Ländern praktikablen Methode zu entfernen, blieben bisher erfolglos. Neue Hoffnung wird daher in eine erst kürzlich in Mexiko entdeckten Form der Jatropha curcas gesetzt, die die Giftstoffe nicht oder nur in äußerst geringer Konzentration enthält.

Jedenfalls verspricht die Purgiernuss gerade in ländlichen Regionen die einfache Gewinnung von Treibstoffen und somit bis zu einem gewissen Maße die Unabhängigkeit von teuren Ölimporten. Für die Purgiernuss spricht außerdem, dass sie im Vergleich zu Palmöl auf weitaus größeren Flächen potenziell angebaut werden könnte (siehe Schaubild 2).

Brasilien entdeckt Jatropha als Energiepflanze

Auch Brasilien hat Jatropha für sich entdeckt. Das brasilianische Biodieselprogramm wurde im Dezember 2004 offiziell aus der Taufe gehoben. Es ist bis 2020 geplant. In der ersten Phase sollen zwei Prozent Biokraftstoff dem fossilen Diesel zugefügt werden. Von 2008 an wird der Anteil auf fünf Prozent gesteigert und ist dann obligatorisch. Später wird der Anteil stufenweise auf zwanzig Prozent gesteigert, um eines Tages gar keine fossilen Brennstoffe mehr zu verwenden. Jatropha, in Brasilien "sanfter Pinienkern" genannt, gibt bis zu acht Tonnen Samenkörner pro Hektar und braucht weder Düngemittel noch Pestizide. Öffentliche Banken werden Kredite nur an Biodieselhersteller vergeben, die nachweisen können, dass sie bei Kleinbauern einkaufen. In Minas Gerais gilt ein Hof mit weniger als 26 Hektar als Familienbetrieb. Wer den Rohstoff komplett bei Familienbetrieben einkauft, wird von der Steuer IPI - die Abgabe auf industriell hergestellte Produkte - gänzlich befreit. Mindestens aber ein Drittel der Körner muss von Kleinbauern stammen, um wenigstens ein Drittel Steuerminderung zu erhalten.

Leider kann man bisher noch nicht in Jatropha investieren. Dies dürfte sich allerdings bald ändern.

Quelle: Rohstoff-Report
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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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